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Leitlinienadhärenz bei der Versorgung von Schwindelpatienten in der Hausarztpraxis
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Published: | September 17, 2021 |
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Hintergrund: Schwindel gehört zu den komplexesten hausärztlichen Beratungsanlässen. Die Prävalenz wird zwischen 2,7 und 6,5 Prozent angegeben und nimmt mit steigendem Alter zu. Aufgrund des demographischen Wandels stellt der Schwindel deshalb eine besondere Herausforderung dar. Deshalb wurde durch die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) die Leitlinie „Akuter Schwindel“ implementiert.
Fragestellung: Wie groß ist die Leitlinienadhärenz und welche Faktoren beeinflussen diese?
Methoden: 158 Patienten mit Schwindel aus 17 Hausarztpraxen in Bayern und Sachsen wurden rekrutiert. Es wurden soziodemographische und behandlungsspezifische Daten der Patienten und Ärzte erfasst. Drei erfahrene Allgemeinmediziner bewerteten unabhängig die Daten bezüglich Leitlinienadhärenz zur DEGAM-Leitlinie „Akuter Schwindel“, zudem wurden Einflussfaktoren auf die Versorgungsentscheidung untersucht.
Ergebnisse: Die 158 Patienten waren zu 69,6% weiblich (n=110) und durchschnittlich 77,1 Jahre alt (SD 6,2). Die 17 Ärzte waren zu 58,8% männlich (n=10) und durchschnittlich 53,5 Jahre alt (SD8,3). 70,5% (n=12) hatten einen Facharzt für Allgemeinmedizin (AM) und 11,8% (n=2) waren hausärztlich tätige Internisten (htI).
Die Bewertungen der drei beurteilenden Allgemeinmediziner waren nur in 25,3% (n=40) von 158 Fällen gleich, bei 12,0% (n=19) waren sie sogar widersprüchlich. 35,4% (n=56) der Versorgungsentscheidungen wurden als leitliniengerecht beurteilt, während 25,3% (n=40) letztlich nicht abschließend beurteilbar waren.
Bei der Analyse zeigte sich eine signifikant höhere Leitlinienadhärenz bei Internisten und männlichen Ärzten (AM 39,3% vs 48,2% htI; m 41,5% vs. 17,2% w, jeweils p<0,01 Chi²). Patienten- oder schwindelspezifische Eigenschaften hatten keinen signifikanten Einfluss.
Diskussion: Es zeigte sich eine mäßige Leitlinienadhärenz, die vor allem in der Komplexität des Krankheitsbildes begründet liegen dürfte. Selbst die überprüfenden Ärzte konnten nur selten Einigkeit bei der Beurteilung der Fälle erzielen.
Der Einfluss der arztspezifischen Merkmale auf die Leitlinienadhärenz zeigt möglicherweise die unterschiedlichen Herangehensweisen.
Dennoch wäre eine höhere Leitlinienadhärenz wünschenswert, da sie Stütze bei der Diagnostik und Therapie des komplexen Krankheitsbildes sein kann.
Take Home Message für die Praxis: In der Studie zeigte sich eine mäßige Leitlinienadhärenz, welche durch arztspezifische Merkmale und die Komplexität des Krankheitsbildes beeinflusst wird.