Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P428
DOI: 10.1055/s-2006-953253

Neurologische Initialsymptome und Komplikationen der Typ A Aortendissektion

W. Dietrich 1, C. Gaul 1, J. Sirch 1, I. Friedrich 1, F.J. Erbguth 1
  • 1Nürnberg, Halle

Aortendissektionen (AoD) sind lebensbedrohliche Notfälle, die insbesondere bei Fehlen typischer Leitsymptome wie Thoraxschmerzen diagnostische Probleme bereiten können. Initiale neurologische Symptome sind häufig und dominieren oft das klinische Bild, so dass die zugrundeliegende AoD maskiert wird.

Methoden: Die Krankenakten von 102 operativ therapierten Patienten mit Typ A AoD aus zwei herzchirurgischen Zentren wurden bezüglich Grunderkrankungen, Primärsymptomatik, Komplikationen und Outcome unter neurologischen Gesichtspunkten analysiert.

Ergebnisse: 30 Patienten (29%) zeigten neurologische Initialsymptome. Schmerzfreie Dissektionen traten bei einem Drittel dieser Patienten und damit signifikant häufiger als im Gesamtkollektiv auf. Zerebrale Ischämien (16%) betrafen überwiegend das Karotisstromgebiet mit Bevorzugung der rechten Seite, ohne dass eine isolierte Beteiligung der rechtsseitigen supraaortalen Gefäße vorlag. Andere neurologische Initialsymptome waren: spinale Ischämien (1%), ischämische Neuropathien (11%), hypoxische Enzephalopathien (8%), Synkopen (6%) und epileptische Anfälle (3%). Ein TGA-plus-Syndrom wurde bei zwei Patienten beobachtet. Die Hälfte der Patienten zeigte nur flüchtige oder fluktuierende Symptome.

Eine bis in die supraaortalen Gefäße reichende Dissektion fand sich bei 43% der Patienten, am häufigsten von Truncus brachiocephalicus und Karotiden. Nur ein Fünftel dieser Patienten wies initial einen Hirninfarkt auf.

Postoperative neurologische Komplikationen traten bei 47,5% der Patienten ohne Bezug zur Art des operativen Verfahrens auf: zerebrale (14%), spinale Ischämien (4%), ischämische Neuropathien (3%), hypoxische Enzephalopathien (8%), Nervenkompressions- (7%) und Durchgangssyndrome (15%). Perioperative Hirninfarkte zeigten keine Korrelation zu supraaortaler Beteiligung und eine ausgewogenen Seitenverteilung, was die Bedeutung operationsabhängiger Faktoren unterstreicht. Zwei Patienten wurden in Unkenntnis der AoD einer intravenösen Lyse unterzogen und verstarben. Die Gesamtletalität betrug 22,6% und differierte nicht signifikant bei Patienten mit neurologischen Intialsymptomen oder Komplikationen.

Schlussfolgerung: AoD mit neurologischen Symptomen sind häufiger schmerzfrei. Zusätzlich kann bei Bestehen einer Aphasie, Bewusstseinsstörung oder TGA ein initiales Schmerzereignis maskiert und die Diagnose verzögert werden. Neurologische Symptome gehen bei zügiger Diagnosestellung der AoD nicht mit einer erhöhten Letalität einher.