Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P272
DOI: 10.1055/s-2005-919306

Eine gestörte sensomotorische Integration ist ein gemeinsames Merkmal von hypo- und hyperkinetischen Basalganglienerkrankungen

K Graf 1, N Putzki 1, P Stude 1, H.C Diener 1, M Maschke 1
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Der Begriff der „Bewegungsstörung“ wird benutzt, um Krankheiten der Basalganglien (BG) zusammenzufassen und bezieht sich auf die vorwiegend motorischen Symptome. Klinisch inapparente sensible Defizite konnten jedoch nachgewiesen werden. Neuere Studien zeigen multimodale Defizite in der sensiblen Verarbeitung bei BG Erkrankungen. Wir untersuchten die Kinästhesie und die Habituierung des auditorischen Startle Reflex (ASR) bei fokaler Dystonie(FD) und M.Parkinson(PD), um weitere Erkenntnisse über die bei der sensomotorischen Verarbeitung beteiligten Strukturen zu erhalten.

Methodik: Untersucht wurden FD Patienten (n=12), PD Patienten (n=11) und gesunden Kontrollen (n=13). Medianus SEP zeigten keine Leitungsstörung bei den FD Patienten. Wir analysierten die kinästhetische Wahrnehmung in einem automatisierten passiven Untersuchungsmodell (Extension und Flexion des Zeigefingers zwischen 0.2 und 4° in 45 Tests randomisierter Reihenfolge). Daneben untersuchten wir die Habituierung des ASR. 42 Stimuli (110 Dezibel, Interstimulus-Intervall zwischen 30–40s) wurden appliziert und EMG vom M. orbicularis oculi und M. sternocleidomastoideus abgeleitet.

Ergebnisse: a) Kinästhesie: Kontrollen erkannten 82% der 0.2° Auslenkungen, PD Patienten nur 59%. FD Patienten zeigten ebenfalls ein kinästhetisches Defizit (76% korrekte Antworten). Die Unterschiede zu den Kontrollen waren signifikant (x2, p=0.001 für PD, p=0.002 für FD). Die kalkulierten Schwellen für 75% korrekte Antworten lagen bei den gesunden Probanden bei 0.13°. Dagegen waren die Schwellen bei FD Patienten mit 0.21° und bei PD Patienten mit 0.28° deutlich höher. b) ASR: Spitzenamplituden und integrierte Muskelantworten waren signifikant höher bei PD Patienten als bei den Kontrollen, am höchsten allerdings bei FD Patienten (p=0.001). Eine Habituierung zeigte sich in allen Gruppen, wobei das Ausmass in der FD Gruppe geringer war als bei PD Patienten und Kontrollen.

Konklusion: FD und PD Patienten zeigen eine gestörte kinästhetische Wahrnehmung. Ausserdem scheint die Habituierung bei gleichzeitig signifikant erhöhten Amplituden des ASR bei FD vermindert. Dies kann auf eine gestörte Inhibition bei der ASR Verarbeitung hindeuten und Ausdruck einer gestörten Inhibition sensibler Signale sein wie sie auch in anderen Studien gezeigt wurde. Beide Ergebnisse zusammen legen nahe, dass eine gestörte sensible Verarbeitung ein gemeinsames Merkmal von BG Erkrankungen ist und zeigen die potentielle Rolle der BG als „sensory analyser“.