Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P301
DOI: 10.1055/s-2004-833164

Frühe Reorganisation bei Patienten mit Aphasie: eine longitudinale f-MRT-Studie

D Saur 1, R Lange 1, A Baumgärtner 1, V Schraknepper 1, C Musso 1, M Rijntjes 1, C Weiller 1
  • 1(Hamburg, Lübeck)

Einleitung: Die Reorganisation des Sprachsystems nach einem Schlaganfall mit Aphasie ist in der frühen Phase durch eine Reihe von Faktoren, insbesondere der Infarktpathophysiologie, sowie der prämorbiden Lateralisierung des Sprachsystems beeinflusst. Dadurch entsteht ein sehr dynamischer und variabler Prozess, dessen Mechanismen weitestgehend unbekannt sind.

Methode: Vier rechtshändige Patienten mit einer akuten Aphasie wurden wiederholt mit einem auditiven Paradigma im fMRT untersucht. In einem event-related Design hörten sie korrekte Sätze („Der Pilot fliegt das Flugzeug“) und Sätze mit einer semantischen Verletzung („Der Pilot isst das Flugzeug“). Die gleichen Sätze rückwärts dienten als Kontrollbedingung. Die Patienten sollten einen Knopf drücken, wenn sie einen Fehler bemerkten.

Ergebnisse:

Patient 1 mit einem vorderen Mediateilinfarkt zeigte frühe periläsionelle Aktivierung (Tag2) links frontal inferior. Zwei Wochen später parallel zur klinischen Verbesserung kam es zu einem Shift der maximalen Aktivierung zum Broca-Homolog rechts mit Reshift nach links fronal inferior nach 6 Monaten.

Patient 2 mit einem vorderen und mittleren Mediateilinfarkt unter Einschluss des Broca-Areals zeigte keine frühe sprachspezifische Aktivierung. Ohne klinische Verbesserung kam es nach 12 Tagen zu einer Aktivierung des Wernicke-Areals – nach 6 Monaten parallel zur klinischen Verbesserung zu einer Rekrutierung des rechten Broca-Homologs.

Patient 3 mit einem hinteren Mediateilinfarkt unter Aussparung des Wernicke-Areals aber zerstörtem Fasciculus arcuatus zeigte an Tag 3 eine Aktivierung des Broca-Areals mit signifikanter Zunahme der Aktivierung 10 Tage später.

Patient 4 mit einem hinteren Mediateilinfarkt mit Einbeziehung des Wernicke-Areals zeigte keine frühe sprachspezifische Aktivierung (Tag1). 7 Tage später kam es parallel zur verbesserten Klinik zu einer periläsionellen Aktivierung links temporal und des Broca-Areals. Weitere 5 Tage später zeigte sich ein Shift der maximalen Aktivierung nach rechts zum Broca-Homolog einhergehend mit weiterer klinischer Verbesserung.

Schlussfolgerungen: Die rasche Wandlung des klinischen Bildes der akuten Aphasie geht mit Veränderungen des Aktivierungsmusters im fMRT einher, wobei sich als gemeinsames Prinzip zunächst eine Aktivierung verbliebener primärer Sprachzentren links und erst im Verlauf eine Rekrutierung homologer Areale rechts zeigt mit einer Tendenz zur Rückbildung in der chronischen Phase.