Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P286
DOI: 10.1055/s-2004-833149

Lernbedingte transiente Strukturänderung im adulten Gehirn

A May 1, B Draganski 1, V Busch 1, G Schuierer 1, U Bogdahn 1, C Gaser 1
  • 1(Regensburg, Jena)

Fragestellung: Die bisher verbreitete Ansicht über Neuroplastizität des adulten menschlichen Gehirns implizierte die funktionelle, jedoch keine strukturelle Änderungen. Wir untersuchten in einer longitudinalen Studie den Effekt von Lernen eines visuell-motorischen-tasks (hier: Jonglier-Training) auf die Gehirnstruktur. Die magnetresonanz-tomographische (MR) zerebrale Bildgebung erfolgte vor, während und nach dem Erlernen von 3-Ball-Jonglieren und wurde mittels Voxel-basierter Morphometrie (VBM) analysiert [1].

Methoden: An der Studie nahmen 24 junge gesunde Patienten (18 Frauen, 3 Männer; mean age 22±1.6 SD) teil, die alters- und geschlechtskorreliert in 2 Gruppen – „Jonglierende“ und „nicht-Jonglierende“ geteilt waren. Für die MR-Untersuchungen wurden in 3-monatigem Abstand an 3 Zeitpunkten: 1) vor Beginn des Trainings, 2) während des Trainings 3) nach einer Trainingsabstinenz T-1 gewichtete MP-RAGE Sequenzen an einem 1.5 Tesla Siemens Symphony Scanner acquiriert. Für die Vorverarbeitung und Analyse der Daten wurde SPM99 genutzt. Die statistische Auswertung erfolgte in einer Analyse für beide Gruppen und für alle Zeitpunkte mittels ANOVA. Wir benutzten einen small volume correction (SVC) mit dem Diameter von 60mm representierend den Lobus occipitalis einer Hemisphäre. Für die Signifikanz der Ergebnisse wurden die Signifikanzgrenzen bei p<0.05, korrigiert für multiple Vergleichstests gesetzt.

Resultate: Die Gruppe der „Jonglierenden“ zeigte im Vergleich zur Gruppe der „nicht-Jonglierenden“ eine signifikante Zunahme an grauer Substanz im visuellen Assoziationscortex (hMT/V5) bilateral (links: x -43; y –75; z –2, Z=4.70, rechts: x 33; y –82; z –4, Z=4.09) und in dem linken posterioren Sulcus intraparietalis (IPS) (x -40; y –66; z 43, Z=4.57) zwischen den ersten und den zweiten Messpunkt (Training), der zum dritten Zeitpunkt (Trainingspause) wieder abnahm (Fig1).

Diskussion: Die Ergebnisse dieser Studie zeigen trainings-abhängige Strukturalterationen im visuellen Assoziationscortex in der Folge eines visuell-motorischen-Lernens. Diese dynamischen morphologischen Änderungen repräsentieren, über die bekannte funktionelle Reorganisations-fähigkeit hinaus, die Neuroplastizität des menschlichen Gehirns als Antwort auf äußere Reize. Unsere Studie widerlegt die Annahme, dass das adulte menschliche Gehirn keinen wesentlichen Strukturänderungen mehr unterliegt, sondern sich auf struktureller Ebene lediglich altersbedingt oder durch Krankheit verändern kann.