Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P236
DOI: 10.1055/s-2004-833099

Verminderte Aktivierung aufmerksamkeitsassoziierter Strukturen bei Multipler Sklerose

K Nebel 1, H Wiese 1, P Stude 1, J Seyfarth 1, ER Gizewski 1, M Forsting 1, HC Diener 1, V Limmroth 1
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Fragestellung: Beeinträchtigungen höherer Aufmerksamkeitsfunktionen sind als kognitive Leistungseinbußen bei Multipler Sklerose (MS) beschrieben. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob bei MS-Patienten ohne oder mit nur geringen neuropsychologischen Auffälligkeiten Veränderungen der kortikalen Aktivierungsmuster bei Aufgaben zur selektiven und geteilten Aufmerksamkeit auftreten.

Methoden: Sieben Patienten (31,3 Jahre±5,4 SD) mit schubförmig verlaufender MS (mittlerer EDSS=2,3) sowie sieben Kontrollprobanden (31,4 Jahre±7 SD) vergleichbaren Alters und Geschlechts wurden mittels funktioneller Kernspintomographie (fMRT) untersucht. In vorher durchgeführten Untersuchungen zu verschiedenen Aspekten von Aufmerksamkeit unter Verwendung einer computergestützten Testbatterie (TAP) zeigten die Patienten keine Defizite. Während der funktionellen Bildakquisition sollten die Probanden als Leistung der selektiven oder geteilten Aufmerksamkeit entweder einen oder beide von zwei gleichzeitig dargebotenen Informationsströmen beachten. Zielreize waren sich unmittelbar wiederholende Stimuli innerhalb eines Stroms. In einer Ruhebedingung betrachteten die Probanden passiv identische Stimuli. Neben funktionellen Bilddaten wurden Reaktionszeiten sowie die Anzahl von korrekten, falsch positiven und ausgelassenen Antworten aufgezeichnet. Die fMRT-Daten wurden mit SPM 99 analysiert.

Ergebnisse: Verhaltensmaße: Die MS-Patienten reagierten tendenziell langsamer und ließen insbesondere bei Teilung der Aufmerksamkeit mehr Zielreize aus.

fMRT: Bei den Patienten zeigte sich in den Aufgaben zur selektiven Aufmerksamkeit v.a. im Bereich des linken dorsolateralen präfrontalen Kortex (BA 9) weniger Aktivierung im Vergleich zu Kontrollprobanden. Bei Teilung der Aufmerksamkeit zeigten die Patienten im Vergleich verminderte Aktivierungen bilateral im Gyrus frontalis medius (BA 9), im rechten inferioren Parietallappen (BA 40), in höheren visuellen Kortexarealen (BA 7, 19) und in den Basalganglien.

Schlussfolgerungen: Die in den Verhaltensdaten erkennbaren Gruppenunterschiede blieben vermutlich aufgrund der geringen Fallzahl statistisch unbedeutsam. Die fMRT-Ergebnisse hingegen zeigen besonders bei Aufmerksamkeitsteilung eine signifikant verminderte Rekrutierung aufmerksamkeitsrelevanter Strukturen bei MS-Patienten ohne deutliche kognitive Einbußen. Untersuchungen größerer Stichproben sind notwendig, um die vorläufigen Ergebnisse dieser Studie zu präzisieren.