Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P814
DOI: 10.1055/s-0029-1238905

Die zentralvervöse Beteiligung der spinobulbären Muskelatrophie Typ Kennedy: ganzhirnbasierte multiparametrische MRT-Untersuchungen und neuropsychologische Befunde

AD Sperfeld 1, HP Müller 1, A Unrath 1, F Jüngling 1, I Uttner 1, H Schreiber 1, AC Ludolph 1, J Kassubek 1
  • 1Bad Saarow, Ulm; Basel, CH

Die X-chromosomale spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy (SBMA) ist eine Multisystemerkrankung, deren klinisches Vollbild durch eine spinobulbäre myatrophe Tetraparese, generalisierten Faszikulationen und Symptome der partiellen Androgeninsensitivität gekennzeichnet ist. Basierend auf klinischen, elektrophysiologischen und neuropathologischen Befunden gilt eine zentralnervöse Beteiligung der vormals als Vorderhornerkrankung eingeordneten Krankheit als gegeben. Um das zerebrale Vulnerabilitätsmuster dieser seltenen Erkrankung genauer zu erfassen, wurden 18 Patienten einer ganzhirnbasierten Morphometrie (voxel based morphometry, VBM), 20 Patienten einer Diffusion-tensor Imaging (DTI) Analyse und 20 Patienten einer detaillierten neuropsychologischen Testung im Vergleich zu alters- und bildungsgleichen Normalkontrollen unterzogen. Ziel war es, mit der VBM mögliche Volumenalterationen sowohl der Grauen als auch der Weißen Substanz zu detektieren, eine Quantifizierung möglicher Veränderungen der Weißen Substanz mittels der DTI aufzudecken und dieses mit den klinischen und neuropsychologischen Daten zu vergleichen.

Methoden: Aquiierung von T1-gewichteten 3D- und DTI-Sequenzen des Gehirns bei Patienten und Normalpersonen. Neuropsychologische Testung mit Fokus auf Aufmerksamkeitskontrolle, exekutive und Gedächtnisfunktionen. Die Nachverarbeitung erfolgte mit dem standardisierten optimierten VBM-Protokoll. Mittels der Analyse-Software Tensor Imaging and Fiber Tracking wurden die Datensätze mithilfe einer spezifischen DTI-Vorlage nachverarbeitet. Die Berechnung der Fraktionalen Anisotropie (FA) erfolgte nach standardisierten Methoden.

Ergebnisse: Die VBM zeigte eine subtile Reduktion der Grauen Substanz in frontalen Bereichen. Im Gegensatz war die Weiße Substanz in verschiedenen subkortikalen Anteilen, im zerebellären Marklager und im Hirnstamm erheblich reduziert. Kongruent zeigte die DTI Areale von signifikant reduzierter FA im supratentoriellen subkortikalen motorischen System und eine zudem ausgedehnte Affektion des limbischen Projektionssystems. Die Neuropsychologie ergab ein fronto-temporales Muster der kognitiven Dysfunktion und war gut mit der Bildgebung in Einklang zu bringen.

Zusammenfassend wiesen die verschiedenen Methoden eindrückliche Korrelate der Beteiligung zentralnervöser Anteile im Rahmen der SBMA auf, die mit klinischen Merkmalen (Verhaltensänderung, zentral-periphere Axonopathie und Neuropathologie) in Einklang zu bringen sind.