Aktuelle Neurologie 2009; 36 - V422
DOI: 10.1055/s-0029-1238516

Richtungsbestimmter rotatorischer Nystagmus nach rechts als klinische Manifestation eines rechtshirnigen Mediateilinfarktes

S Weis 1, W Dietrich 1, F Erbguth 1
  • 1Nürnberg

Hintergrund: Die kortikale Verarbeitung vestibulärer Informationen beim Menschen ist bedeutsam für die Orientierung und Interaktion im Raum, zur Wahrnehmung der Eigenbewegung und Schwerkraft. Ihre funktionelle Organisation und Lokalisation ist nicht abschließend geklärt, bisherige Erkenntnisse stützen sich auf tierexperimentelle Untersuchungen, Läsionsstudien und auf die funktionelle Bildgebung.

Fallbericht: Ein 69-jähriger Patient stellte sich mit akutem Drehschwindel und einer linksseitigen sensomotorischen Hemisymptomatik vor. In der klinischen Untersuchung zeigte sich ein richtungsbestimmter Nystagmus nach rechts mit rotatorischer Komponente. In der kranialen Kernspintomografie fanden sich rechts temporo-parietal im Mediastromgebiet mehrere ischämische Areale, betont in der rechten Postzentralregion. Als ursächlich für den Hirninfarkt ist bei zerebraler Makroangiopathie ein arterio-arteriell embolisches Geschehen anzunehmen.

Unter thermischer Stimulation zeigten sich die Vestibularorgane seitengleich erregbar, der Spontannystagmus war umkehrbar, damit wurde eine Affektion des peripher-vestibulären Systems ausgeschlossen. Der beschriebene Nystagmus ist somit als Zeichen einer zentral-vestibulären Funktionseinschränkung anzusehen; bei unauffälliger Bildgebung im Bereich des Hirnstammes und Kleinhirns und manifester Ischämie im rechtshemisphärischen Mediastromgebiet ist er als Folge einer Störung der cortikalen vestibulären Areale zu werten.

Diskussion: Der vestibuläre Kortex beim Menschen ist ein multisensorisches System, dessen bedeutendstes Areal der parietal-insuläre vestibuläre Kortex (PIVC) darstellt. Die Hauptrepräsentanz des PIVC liegt auf der nicht-dominanten (also meist rechten) Hemisphäre. Auch die Areale 2v und 3aV des primären somatosensorischen Kortex, sowie Areal 6 des prämotorischen Kortex und Area 7 des inferioren Parietallappens scheinen Teil des zentral-vestibulären Netzwerkes zu sein. Aufgrund der multilokalen Repräsentanz und der komplexen Vernetzung des vestibulären Kortex ist die Seltenheit vestibulärer Symptome bei kortikalen Läsionen erklärbar. Symptome wie Schwindel und gerichtete Fallneigung sind bei Läsionen des dominanten PIVC in der Literatur beschrieben, das Auftreten von persistierenden zentralen Nystagmusformen wird jedoch nicht berichtet. Es finden sich tierexperimentelle Berichte über das Auftreten von horizontalen, zur Seite der Läsion schlagenden richtungsbestimmten Nystagmen nach experimenteller Embolisation der ACI.