Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P324
DOI: 10.1055/s-2004-833186

MERRF-Syndrom A8344G: Wie entscheidend sind Myokloni und ragged red fibers für die Diagnosestellung?

K Winkler 1, FR Wiedemann 1, C Bartels 1, E Kirches 1, K Dietzmann 1, CW Wallesch 1
  • 1(Magdeburg)

MERRF (Myoklonusepilepsie mit ragged red fibers) ist eine Mitochondriopathie mit den Leitsymptomen Myokloni, generalisierten Krampfanfällen und einer zerebellären Ataxie sowie einer zumeist milderen Myopathie mit ragged red fibers. Abweichungen dieser typischen Befundkonstellation werden seit geraumer Zeit berichtet und bezeugen die ausgeprägte klinische Variabilität der Mitochondriopathien, welche zu diagnostischen Problemen führen kann. Wir berichten über drei Brüder (JP, 39 Jahre; JW, 46 Jahre; JE, 50 Jahre alt), die alle einen hohen Anteil von mutierter mtDNA (>81% im Muskel, >68% im Blut) aufwiesen. Bei keinem der Brüder waren Myokloni feststellbar. Die klinischen Kardinalsymptome des Indexpatienten JE bestanden in einer Belastungsintoleranz, einer milden externen Ophthalmoplegie, einer leichten sensorineuralen Hörminderung sowie einer mäßigen Kleinhirnataxie und Neuropathie. Ebenso wie bei dem mittleren Bruder JW führten respiratorische Infekte zu Episoden ausgeprägter respiratorischer Insuffizienz mit Beatmungspflichtigkeit. Bei JW, welcher seit der Kindheit an einem progredienten ataktisch-dementiellen Syndrom mit seltenen, generalisierten klonisch-tonischen Anfällen litt, zeigte die Muskelbiopsie keine ragged red fibers und keine COX-negativen Fasern. Der jüngste Bruder JP war bis auf eine leichte Kyphose und ein einzelnes Lipom am zervikothorakalen Übergang symptomfrei und hatte im Gegensatz zu seinen älteren Brüdern vollkommen unauffällige Enzymaktivitäten im Muskelgewebe, jedoch reichlich typische COX-negative ragged red fibers in der Muskelbiopsie. Wir demonstrieren hier anhand klinischer, histologischer, biochemischer und molekulargenetischer Daten eine ungewöhnliche Präsentation des MERRF-Syndroms A8344G, was die Genotyp-Phänotyp-Beziehung infrage stellt und zu dessen Aufklärung nur die Anwendung einer breiten Palette diagnostischer Verfahren führen kann.