Aktuelle Neurologie 2004; 31 - V84
DOI: 10.1055/s-2004-832990

Neuropsychologische und -psychiatrische Veränderungen nach milder zerebraler Ischämie

B Winter 1, G Juckel 1, H Hörtnagl 1, M Endres 1
  • 1(Berlin)

Hintergrund: Emotionale und Verhaltensauffälligkeiten nach Schlaganfall sind häufig, jedoch bislang unzureichend untersucht. Wir charakterisierten solche Veränderungen mittels verschiedender Testverfahren in einem Mausmodell der milden fokalen zerebralen Ischämie.

Methoden: 129/SV Mäuse erhielten einen 30min Verschluss der rechten oder linken mittleren Zerebralarterie (rMCAo sowoie lMCAo) mit nachfolgender Reperfusion oder wurden einer Scheinoperation unterzogen (Sham). Sechs Wochen nach Insult wurden die Tiere mit folgenden Tests untersucht: (i) Bederson-Test (senso-motorisches Defizit), (ii) Rota-Rod, (iii) „Morris water maze“ („place task“, Tag 1–7; „probe trial“, Tag 8; „visible platform task“, Tag 9), (iv) „elevated plus maze“, (v) „forced swimming test“, (vi) „spontaneous locomotor activity“. Danach erfolgte eine detaillierte immunhistologische bzw. histologische Auswertung sowie biochemische Messung verschiedener Neurotransmitter in einzelnen Hirnregionen.

Ergebnisse: Sechs Wochen nach Insult boten die Tiere milde senso-motorische Ausfälle aber keine Defizite im Rota-Rod Test. Im „Morris water maze“ fand sich ein normaler Lernerfolg sowie gleiche Schwimmgeschwindigkeiten der MCAo-Tiere im Vergleich zu Sham-Kontrollen. Im „probe trial“ sowie im „visible platform task“ hingegegen zeigte sich ein spezifisches Defizit im Strategie-Wechsel, das mit der ischämischen Läsionsgröße im Striatum korrelierte. Im „elevated plus maze“ fand sich eine erhöhte Ängstlichkeit in der MCAo Gruppe (lMCAo > rMCAo); bei der Testung der „spontaneous locomotor activity“ (Aufzeichnung über Nacht) ergab sich eine signifikant erhöhte Aktivität in der MCAO Gruppe (rMCAo > lMCAo). Dies korrelierte mit erhöhten Noradrenalinspiegeln sowie (in geringem Ausmaß) auch mit erhöhten Serotoninspiegeln im geschädigten Striatum. Im „forced swimming test“ ergaben sich keine Hinweise für ein erhöhtes „despair“-Verhalten („floating time“, „time until give-up“) als Depressionsindex in der MCAo Gruppe.

Zusammenfassung: Wochen nach milder zerebraler Ischämie boten die Tiere Anhalt für 1) ein dysexekutives Syndrom, 2) erhöhte Ängstlichkeit (lMCAo>rMCAo), 3) gesteigerte Spontanaktivität (rMCAo>lMCAo). Diese Veränderungen korrelierten mit selektiver neuronaler Degeneration und spezifischen Neurotransmitterveränderungen im Striatum. Es fand sich in den hier verwendeten Tests keine Evidenz für „Post-Stroke-Depression“ sowie keine relevanten Defizite im räumlichen Lernen.