Aktuelle Neurologie 2009; 36 - V378
DOI: 10.1055/s-0029-1238493

Hypakusis bei ALS

A Maier 1, P Linke 1, JS Dullinger 1, N Borisow 1, C Münch 1, T Böttcher 1, T Meyer 1
  • 1Berlin

Hintergrund: Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist als motorische Systemdegeneration definiert. Bei einer Subgruppe der ALS besteht jedoch eine Multisystemaffektion. Dabei sind Kachexie, Ophtalmoplegie und autonome Störungen etabliert. Von einer Hypakusis im Zusammenhang mit der ALS wurde in der Literatur bisher nicht berichtet.

Patienten und Methode: Wir berichten über drei ALS-Patienten, #1 (32J./w), #2 (47J./w) und #3 (48J./m), die nach 35, 26 und 25 Monaten Erkrankungsdauer tracheotomiert wurden und sich in kontinuierlicher invasiver Ventilation befanden. Nach 78, 33 und 31 Monaten Erkrankungsdauer trat eine bilaterale Hörminderung auf. In zwei Fällen (#1u. #2) wurde eine bilaterale Hypakusis auf Grundlage einer Schallempfindungsstörung diagnostiziert und durch ein Ton-Audiogramm (#1) oder akustisch evozierte Potentiale (#2) verifiziert. Klinisch und pathoanatomisch erfolgte der Ausschluss einer strukturellen Läsion des Mittelohrs. Bei einem dritten Patienten (#3) konnte eine Schallleitungsstörung des Mittelohrs durch einen Serotympanum identifiziert werden.

Diskussion: Die Schallempfindungsstörung im Kontext der ALS ist ätiologisch unbekannt. Nach Ausschluss anderer, symptomatischer Ursachen ist ein neurodegenerativer Prozess zu diskutieren. Davon abzugrenzen ist die Schallleitungsstörung, deren mögliche Ursache eine Bulbärsymptomatik mit Paresen der Musculi tensor veli palatini et levator palatini ist. Dabei kommt es zu Störungen der Belüftung und des Druckausgleichs des Mittelohrs mit resultierendem Serotympanum.

Schlussfolgerung: Die Langzeitbeatmung von ALS-Patienten führt zum Abweichen vom natürlichen Verlauf und beinhaltet somit neue Aspekte des Patientenmanagements. Bei insgesamt steigender Beatmungsprävalenz erlangen atypische Symptome eine erhöhte Bedeutung. Dabei ist die Identifizierung einer Hypakusis relevant für komplexe Entscheidungen einschließlich der Adaptation elektronischer Kommunikationssysteme oder einer möglichen Therapiebegrenzung.

Gefördert durch den Air Berlin Fonds für ALS-Therapieforschung an der Charité (www.als-charite.de).