Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P626
DOI: 10.1055/s-0028-1086880

Vortäuschung eines akuten zentralen Schwindelsyndroms mit internuklärer Ophthalmoplegie durch Überlagerung eines Duane-Syndroms mit einer Neuritis vestibularis

C Wilke 1, H.P Röttger 1, L Adler 1
  • 1Plauen

Hintergrund: Die internukleäre Ophthalmoplegie (INO) zählt zu den eindeutig zentralen Okulomotorikstörungen, bedingt durch eine Läsion des Fasciculus longitudinalis medialis zwischen Abduzens- und Okulomotoruiskern. Andere Erkrankungen können eine INO vortäuschen.

Fallbericht: Ein 57-jähriger Patient wurde über die Rettungsstelle mit akut aufgetretenem, anhaltendem Drehschwindel mit Spontannystagmus nach rechts und Fallneigung nach links aufgenommen. Bekannte Vorerkrankungen waren ein arterieller Hypertonus, eine Hypercholesterinämie und eine koronare Herzkrankheit.

Neben dem Spontannystagmus fiel eine Einschränkung der Adduktion des linken Auges mit dissoziiertem Nystagmus des kontralateralen Auges auf. In der ausführlichen neuroophthalmologischen Untersuchung zeigten sich neben einer Abweichung der subjektiven visuellen Vertikale auch verschiedene mögliche Hinweise auf eine zentrale Läsion, wobei die lokalisatorische Zuordnung aus dem Okulomotorikbefund nicht sicher schlüssig erschien. Das MRT wies auch in einer späteren Kontrolle keine zentrale Läsion nach. Laborchemisch und elektrophysiologisch bestand kein Anhalt für eine Myasthenia gravis. Der Liquorbefund war unauffällig.

In der Videonystagmographie mit kalorischer Reizung wurde schließlich eine peripher-vestibuläre Untererregbarkeit links nachgewiesen. Die scheinbare INO konnte nach einer augenärztlichen Untersuchung mit einem angeborenen aber zuvor nicht diagnostizierten Fehlinnervationssyndrom (Duane-Syndrom Typ II) erklärt werden.

Schlussfolgerungen: Der Fall zeigt, dass eine kritische Prüfung möglicher zentraler Okulomotorikzeichen in Bezug auf den Läsionsort wichtig ist. Die Nystagmographie mit kalorischer Reizung zur peripher-vestibulären Diagnostik kann auch bei Verdacht auf eine zentrale Läsion wichtige Informationen liefern und sollte in jedem fraglichen Fall durchgeführt werden.