Der Krieg in der Ukraine, Lieferengpässe, Preiserhöhungen und insbesondere die unsichere Energieversorgung in den kommenden Monaten belasten die wirtschaftliche Entwicklung. Die Erwartungen der Unternehmen haben im September deutlich nachgegeben. Die Lage am Arbeitsmarkt stagniert. Die Arbeitslosigkeit steigt erneut etwas an, da arbeitsuchende ukrainische Geflüchtete nun in der Grundsicherung betreut werden. Die Entwicklung der nächsten Monate bleibt mit hohen Unsicherheiten verbunden. Ein Einbruch am Arbeitsmarkt wird aber nicht erwartet.

Außenwirtschaftliches Umfeld

Das weltwirtschaftliche Umfeld wird durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine deutlich belastet. Sanktionen, Unterbrechungen von Lieferketten, Inflation und höhere Leitzinsen beschränken die wirtschaftlichen Aktivitäten. Die Materialknappheit in deutschen Betrieben hat sich zuletzt auf hohem Niveau entspannt, gleichzeitig nahmen aber Staus der internationalen Containerschifffahrt wieder etwas zu. Das Wachstum des Welthandels hat sich deutlich abgeschwächt. In den USA ging das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um 0,1 Prozent zurück, in der Volksrepublik China um 2,6 Prozent. In der Europäischen Union stieg es im zweiten Quartal um 0,7 Prozent. Für die USA hat sich die Einschätzung der aktuellen Lage gegenüber dem Vormonat kaum verändert. Die Erwartungen für die nächsten Monate bleiben dort pessimistisch. Für den Euroraum und China haben sich sowohl die Lageeinschätzung als auch die Erwartung für die nächsten Monate noch einmal eingetrübt.

Exporte

Der deutsche Außenhandel hat im zweiten Quartal zugelegt. So haben sich trotz des starken Rückgangs der Exporte nach Russland die gesamten Ausfuhren erholt, insbesondere durch höhere Exporte ins EU-Ausland und in die USA. Im Juli waren sowohl Exporte als auch Importe wieder etwas schwächer als im Vormonat, die Exporte in Nicht-EU-Länder haben im August aber wieder zugelegt. Die Exporterwartungen im Verarbeitenden Gewerbe haben sich im September zum vierten Mal in Folge verschlechtert.

Investitionen

Die Investitionen zeigen ein uneinheitliches Bild. Im zweiten Quartal sind die Bauinvestitionen zurückgegangen, die Ausrüstungsinvestitionen legten dagegen etwas zu. Materialengpässe, Verteuerungen von Rohstoffen und die Unsicherheit über die weitere Entwicklung, insbesondere bei der Energieversorgung, belasten die Investitionsdynamik. Die Auftragseingänge der Investitionsgüterproduzenten waren im Juli etwas rückläufig. Die Einschätzung der Lage der Investitionsgüterproduzenten hat sich im September gegenüber dem Vormonat zwar etwas erholt. Ihre Erwartungen für die kommenden Monate haben dagegen etwas nachgegeben. Im Bauhauptgewerbe sind die Auftragseingänge im Juli gestiegen. Die Einschätzung der Lage und die Erwartungen der Betriebe dort haben sich aber im September nach einer leichten Aufhellung im Vormonat wieder eingetrübt.

Konsum

Durch den Wegfall der coronabedingten Einschränkungen hat sich der Konsum im ersten Halbjahr belebt. Auch die Konsumausgaben des Staates trugen zur Stützung des Bruttoinlandproduktes bei. Den Nachholbedarfen nach der coronabedingten Zurückhaltung stehen aber deutliche Preiserhöhungen und Unsicherheiten über die Kostenbelastungen in den nächsten Monaten gegenüber. Dies dämpft die Kauflaune erheblich. Die Umsätze im Gastgewerbe sind saisonbereinigt im Juli zwar nominal gestiegen, real aber um 1,5 Prozent gesunken. Im Handel haben sich sowohl die aktuelle Geschäftslage als auch die Erwartungen zur Geschäftslage für die nächsten Monate im September weiter verschlechtert.

Arbeitsmarkt

Die Lage am Arbeitsmarkt stagniert tendenziell. Die Zahl der Erwerbstätigen ist im August etwas gesunken. Die Arbeitslosigkeit ist im September um 14.000 Personen gestiegen. Der Anstieg ist vor allem auf ukrainische Geflüchtete zurückzuführen, die nun im Grundsicherungssystem betreut werden. Der Bestand an gemeldeten offenen Stellen ist  erneut gesunken. Es wurden auch weniger neue offene Stellen gemeldet als im Vormonat. Das IAB-Arbeitsmarktbarometer ist zum fünften Mal in Folge zurückgegangen und liegt mit 100,4 Punkten knapp über der neutralen Marke von 100. Die Beschäftigungskomponente des Barometers ist dabei positiv, während die Arbeitslosigkeitskomponente im negativen Bereich liegt.

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20220930.01

Gartner, Hermann; Weber, Enzo (2022): Einschätzung des IAB zur wirtschaftlichen Lage – September 2022, In: IAB-Forum 30. September 2022, https://www.iab-forum.de/einschaetzung-des-iab-zur-wirtschaftlichen-lage-september-2022/, Abrufdatum: 27. April 2024