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GMDS 2013: 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

01. - 05.09.2013, Lübeck

Die Rolle öffentlicher Verkehrsmittel bei der Übertragung und Verbreitung von Krankheitserregern

Meeting Abstract

  • Carsten Noetzel - Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Hamburg, DE
  • Ralf Reintjes - Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Hamburg, DE
  • Thomas Thiel-Clemen - Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Hamburg, DE

GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.66

doi: 10.3205/13gmds200, urn:nbn:de:0183-13gmds2002

Published: August 27, 2013

© 2013 Noetzel et al.
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Einleitung und Fragestellung: In Metropolregionen mit gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetzen neigen viele Menschen dazu öffentliche Transportmittel zu nutzen, was jedoch auch epidemiologische Gefahren mit sich bringt. Viele Menschen kommen auf engem Raum zusammen und es gibt eine Vielzahl an gemeinsam genutzten Oberflächen, was eine Infektionsübertragung ermöglicht. Dies führt dazu, dass öffentliche Verkehrsmittel potentiell in der Lage sind, die Verbreitung einer Krankheit zu begünstigen. Um die Fragestellung zu beantworten, welche Rolle öffentliche Verkehrsmittel bei der spatio-temporalen Ausbreitung einer Infektionskrankheit spielen, wird ein Agenten-basiertes Simulationsmodell erstellt, das die Infektionsausbreitung auf Basis des öffentlichen Verkehrsnetzes der Stadt Hamburg simuliert. Der Fokus liegt hierbei vor allem auf der Infektionsübertragung innerhalb von Verkehrsmitteln, zu der es bislang nur wenige konkrete Erkenntnisse gibt [1].

Material und Methoden: Das entwickelte Simulationsmodell bildet das Verhalten der Hamburger Bevölkerung im Hinblick auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nach. Hierzu gehört die realitätsnahe Nachahmung des Reiseverhaltens, welches mit Hilfe eines auf Aktivitäten basierenden Ansatzes erreicht wird [2]. Ferner wird das Verhalten innerhalb von Verkehrsmitteln unter Verwendung des Situated-Cellular-Agent-Model simuliert [3]. Die einzelnen Stadtteile von Hamburg werden auf Basis der vom Statistikamt Nord erfassten Einwohnerdaten besiedelt. Die Individuen gehen ihrem sozioökonomischen Status entsprechend Aktivitäten nach, die in Lokalitäten ausgeführt werden. Diese werden gemäß OpenStreetMap im Stadtgebiet positioniert. Um zu den Lokalitäten zu gelangen, nutzen die Individuen das auf die U-Bahn-Linien beschränkte Verkehrsnetz von Hamburg. Die Übertragung des betrachteten Influenzavirus kann in den Verkehrsmitteln über Tröpfcheninfektion oder über indirekte Kontaktinfektion geschehen, wobei die Überlebensrate der Krankheitserreger auf Oberflächen den Erkenntnissen von Greatorex entnommen wird [4]. Für die Infektionsübertragung in Lokalitäten werden feste Wahrscheinlichkeiten angenommen. Das Simulationsmodell ist in Java unter Verwendung des Akka-Frameworks implementiert. Zur Visualisierung wird die 2D Game-Engine Slick2D genutzt, die Ausgabe von Graphen erfolgt mittels der JFreeChart-Bibliothek.

Ergebnisse: Beim derzeitigen Stand der Implementierung wird das Stadtgebiet nach den Daten des Statistikamtes besiedelt und weist eine Altersverteilung gemäß den empirischen Daten auf. Das U-Bahn System ist abgebildet und die Agenten sind in der Lage das Transportnetzwerk zu nutzen, um zu einzelnen Lokalitäten zu fahren. Wir erwarten konkrete Ergebnisse bezüglich der Infektionsausbreitung im Hamburger Stadtgebiet, die aus der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel resultieren. Hierzu gehören die Inzidenzen über die Zeit, die spatiale Verteilung der Erkrankungen und der Ort der Infektionsübertragung. Die Auswertung der Ergebnisse wird auf Bezirksebene erfolgen und mit den Meldedaten der Influenza-Pandemie 2009/2010 plausibilisiert.

Diskussion: Eine vollständige Validierung des Simulationsmodells ist nicht möglich, da davon ausgegangen werden muss, dass wenn überhaupt nur ein Teil der gemeldeten Individuen, vor und während der Erkrankung öffentliche Verkehrsmittel genutzt haben. Ferner ist von einer hohen Dunkelziffer nicht gemeldeter Erkrankungsfälle auszugehen [5]. Aufgrund des Detailgrades der Simulation lassen sich bestimmte Parameter, die das Verhalten von Passagieren in Verkehrsmittel beschreiben, nur schwer einschätzen, da empirische Daten fehlen. Zudem wird nur ein kleiner Teil des Transportnetzwerkes abgebildet, was Einfluss auf die Simulationsergebnisse haben kann. Trotz dieser Einschränkungen sind wir überzeugt verwertbare Ergebnisse produzieren zu können, da mit den Daten des Statistikamtes Nord eine solide Datenbasis vorhanden ist, um die Bevölkerung realitätsnah abzubilden.


Literatur

1.
Mohr O, Askar M, Schink S, Eckmanns T, Krause G, Poggensee G. Evidence for airborne infectious disease transmission in public ground transport–a literature review. Euro surveillance : bulletin européen sur les maladies transmissibles = European communicable disease bulletin. 2012 Jan;17(35):1–11. Available from: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22958608 External link
2.
Yang Y, Atkinson P, Ettema D. Individual space-time activity-based modelling of infectious disease transmission within a city. Journal of The Royal Society Interface. 2008 Jul;5(24):759–772. Available from: http://dx.doi.org/10.1098/rsif.2007.1218 External link
3.
Bandini S, Federici ML, Vizzari G. A methodology for crowd modelling with situated cellular agents. In: Omicini FC, Paoli FD, Merelli E, Andrea, eds. WOA 2005: Dagli Oggetti agli Agenti. 6th AI*IA/TABOO Joint Workshop From Objects to Agents : Simulation and Formal Analysis of Complex Systems, 14-16 November 2005, Camerino, MC, Italy. Pitagora Editrice Bologna; 2005. p. 91–98. Available from: http://www-lia.deis.unibo.it/books/woa2005/papers/13.pdf External link
4.
Greatorex JS, Digard P, Curran MD, Moynihan R,Wensley H, Wreghitt T, et al. Survival of influenza A(H1N1) on materials found in households: implications for infection control. PloS one. 2011 Jan;6(11):e27932. Available from: http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0027932 External link
5.
Fell G, Brandau D. Meldepflichtige Infektionskrankheiten in Hamburg 2009. Epidemiologischer Bericht. Hamburg: Institut für Hygiene und Umwelt; 2009. Available from: http://www.hamburg.de/contentblob/2463562/data/jahresbericht-2009-infektionsepidemiologie.pdf External link