Detailansicht

Oberstuhlrichter Dr. Emil Tallián
Jagden, Abenteuer und das Leben eines ungarischen Adeligen aus dem Burgkomitat Torontál im Spannungsfeld zwischen Kolonialismus und Postkolonialismus
Csaba Lendjel
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Dr.-Studium der Philosophie Finno-Ugristik (Stzw)
Betreuer*in
Andrea Seidler
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.49297
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-24322.59491.838669-9
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Dr. Tallián Emil (geboren am 20. Februar 1859, verstorben am 4. Dezember 1911), der Oberstuhlrichter der damals südungarischen Kleinstadt Törökkanizsa des Burkomitates Torontál (heute im Norden der serbsichen Vojvodina), enstammte einer alten adeligen Familie. Riesige Ländereien, Schlösser und Kurien gehörten zum Familienbesitz und sicherten -auch durch die wirtschaftlich erfolgreiche Führung- die finanziellen Mittel für die Reisen des Emil Tallián, welche er nach Absolvieren des Jus-Studiums in Pressburg und seinem Militärdienst in Wien, fortlaufend unternahm. Seine erste bekannte außereuropäische Jagdreise führte ihn 1890 nach Jerusalem und Syrien. Danach folgten weitere, mehrmonatige Expeditionen und Jagden: nach Indien (1897), Ceylon (1900), Brasilien (1903, zusammen mit Dr. Steindachner des Naturwissenschaftlichen Museums Wien), 1904, 1906 und 1908 nach Afrika, und kurz vor seinem Tod 1911 auf das arktische Franz- Josephs- Land. Die meisten seiner Jagd- und Reiseerlebnisse (oft auch nach Hause gesendete Briefe) wurden ausschnittweise in der Presse veröffentlicht, wobei die „Török Kanizsa és Vidéke“ als Heimatzeitung Talliáns, die meisten Artikel druckte. Allerdings wurden mit ihm auch Interviews durch Budapester Zeitungsmitarbeitern geführt und auch die deutschsprachige Presse aus allen Winkeln der Monarchie, berichtete auszugsweise (wenn auch seltener) von Talliáns Reisen. Die „Török Kanizsa és Vidéke“ brachte dann auch 1906 ein Buch mit dem Titel „Útinaplómból- Tallián Emil naplójegyzetei braziliai, indiai, ceyloni és br. Kelet afrikai utazásai és vadászatairól“ heraus, welche aus den Aufzeichnungen Talliáns von den angeführten Reisen bestand. Dieses Buch, welches ebenso wissenschatflich noch nicht ausgewertet wurde, bildete auch die Grundlage für diese Dissertation. Besonders interessant erschien die Frage, ob Tallián seine Reisen und Jagden im Sinne des Kolonialismus -also der Ausbeutung der angesessenen Bevölkerung und der örtlichen Flora und Fauna, dem Herrschen des europäischen Mannes über den Rest der Welt- tätigte? Diese Frage lässt sich anhand der Aufzeichnungen und der Nachforschungen zum Leben Talliáns eindeutig beantworten: der fortschrittlich denkende Tallián tat dies alles nicht. Er unterteilte alle, die er auf seinen Reisen traf, in arbeitende, anständige und nicht, arbeitende, unanständige Menschen- unabhängig von ihrer Hautfarbe oder Religion, ihrem Stand oder ihrem Geschlecht. Religiösen Wahn und Sucht in jeder Art, Unterdrückung und die Vernichtung des Lebensraumes indigener Bevölkerung, politischen Nationalismus und Extremismus in jeder Form, verurteilte er auf das Schärfste. Die Reisegefährten Talliáns -welche das von ihm gezeichnete Bild ergänzen- waren einflussreiche Personen. Besonders zu erwähnen sind sein langjähriger Freund und Weggefährte Bálint Fernbach (aus dem westlichen Nachbarkomitat Bács-Bodrog). Zeit-, Jagd- und Reisegenossen waren weiter Arzén Damaszkin (aus dem östlichen Komitat Temes mit Kontakten zum Wiener Hof) und Oszkár Vojnich (ebenso aus Bács-Bodrog). Während Damaszkin seinen Platz in der ungarischen Literatur durch seine Reisebeschreibungen gefunden hatte (und ganz nebenbei den Weg des berühmtesten ungarischen Zoologen und Afrikareisenden Kálmán Kittenberger ebnete), so war Vojnich in jener Zeit bekannter und dominierte (zu letzt sogar durch seinen mysteriösen Selbstmord auf der Rückreise seiner letzten Afrikaexpediton, im Jahr 1914) die Medien. Über Fernbach war bis dato am wenigsten bekannt und seine spärlichen Schriften und Fotosammlungen galten als verschollen. Durch umfangreiche Recherche konnte jedoch eine Abschrift der handschriftlichen Notizen Fernbachs und eine große Menge an Fotos von seinen Afrikreisen (zumindest jene aus den Jahren 1904/05), welche er mit Tallián gemeinsam absolvierte, gefunden werden. Diese Dokumente und ihre Entdeckung, welche bis jetzt nicht wissenschaftlich ausgewertet wurden, können zu recht als Sensation in dem Zusammenhang dieser Dissertation bezeichnet werden. Ebenso ermöglichen sie, der Geschichte Talliáns, seines Lebens und den wenigen Fotos von ihm selbst, neue Aspekte hinzuzufügen, mit einem Wort Emil Talliáns Leben zu konkretisieren. Tallián selbst war ein fortschrittlich denkender Philantrop. Er ließ eine Parkanlage mit Pflanzenraritäten am Theißufer anlegen, eine große Anzahl von Bäumen in Törökkanizsa entlang der Straßen setzen, um den Staub zu binden. Er führte die Gas-Beleuchtung an öffentlichen Orten ein, ließ ein Krankenhaus und ein Armenhaus bauen, war federführend am Anbinden seiner Heimatstadt an das Bahnnetz, dem Etablieren einer Seidenfabrik in Törökkanizsa und der Herausgabe einer örtlichen Zeitung. All dies war damals nicht selbstverständlich, die kleine Gemeinde umfasste auch damals nur wenige tausend Einwohner. Das Leben Talliáns endete jäh nach einer kurzen, schweren Erkrankung im Jahr 1911. In der Familiengruft in Törökanizsa wurde er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung zu Grabe getragen. Das zu seiner Erinnerung geschaffene Denkmal wurde -genauso wie die Anwesen der Talliáns, ihre Bibliotheken und ihre Gemäldesammlungen-, in den Wirren des Ersten Weltkrieges und dem Abtrennen der Vojvodina von Ungarn, nach dem Vertrag von Trianon, durch die kurzsichtigen und von nationalistischen Hassgefühlen geleiteten Freischärlern, ganz im Sinne des Spruches „Vae victis“, zerschlagen. Auch die nach Tallián benannte Straße, musste einem neuen Namen weichen. Die Erinnerung an den Wohltäter der Gemeinde wurde ausradiert. Dem politischen Umdenken ist es zu verdanken, dass nach über hundert Jahren nun das Denkmal Talliáns wiederhergestellt und eine Gedenktafel an seinem Haus in Törökkanizsa angebracht wurde. Die Krypta der Talliáns wartet auf die Renovierung. Diese Dissertation soll den literarischen Nachlass des Dr. Emil Tallián aus der Vergessenheit retten und das Andenken an die Talliáns, die Fernbachs, die Damaszkins und die Vojnichs aufrecht halten.
Abstract
(Englisch)
Dr Emil Tallián (born on February 20th, 1859, died on December 4th, 1911), the highest judge of the small town Törökkanizsa, comitate Torontál - at that times located in the southern part of Hungary, nowadays in the northern part of Serbian province Vojvodina - was the member of an aristocratic family. Huge landscapes, castles and curiae belonged to the family’s properties and guaranteed - through economically successful leadership - the financial income for Emil Tallián's traveling, what he has started doing continuously after finishing his studies of law in Bratislava and absolving his military service in Vienna. His first as non-European known trip took him in 1890 to Syria and Jerusalem. After that several expeditions and hunts - lasting more months - followed: India (1897), Ceylon (1900), Brazil (1903), accompanied by Dr Steindachner, from the Museum of Natural Sciences in Vienna, Africa in 1904, 1906 and 1908 and 1911 - shortly before his death - to the arctic Franz Joseph's Land. Most of his experiences while the hunts or expeditions (often letters, he has sent home), were published for parts in the press - where the "Törökkanisza ès Vidèke" - as being the newspaper from Tallián's home city, was the one, printing the most articles. Also, he has been interviewed by journalists from Budapest and the German speaking press from all corners of the monarchy was telling about Tallián's journeys - not as often though - either. The "Törökkanizsa és Vidéke" was the one to bring up in 1906 the "Útinaplóimból" called book, containing Tallián's entries in his diary while traveling and hunting across India, Brazil and Ceylon and Eastern Africa. That book - which hasn't been evaluated yet in terms of science - was the basis for this dissertation. As really interesting appeared the question if Tallián performing his travels and hunts in the spirit of colonialism - exploiting the people and fauna and flora of each country and the belief of the European man above the rest of the world or not. That question is clearly to be answered after studying Tallián's records and investigating his life: the progressively thinking Tallián didn't do that at all. All the people he met on his journeys he classified as good and working and no good and not working humans - independently from their color of skin or religion or standing in society or gender. Religious delusion, addiction in any way, depression and exploitation of the indigenous nation he condemned seriously. As he did condemn nationalism and extremism. Tallián's companions on his travels - who complete the picture of him - were powerful persons. Clearly to mention is his friend and companion for many years, Bálint Fernbach (from the neighborhood Bács-Bodrog). Also companions on his hunts and trips, who have spent time with him effectively were Arzén Damaszkin, from the western comitate Temes with contacts to the Viennese court, and Oskar Vojnich (from Bács-Bodrog as well). While Damaszkin has found his place in Hungarian literature throughout his descriptions of journeys (and leveled alongside out the pathway of the most famous Hungarian zoologist and traveler of Africa, Kálmán Kittenberger), the more famous at that time was Vojnich, who was dominating the medias (mainly with his misterious suicide on his journeys back from one of his African expeditions in 1914). Fernbach was known least of them and his sparse writings and photographs were considered as lost. However, via extensive research they were able to find a copy of his handwritten notes and a huge number of photographs from his African journey he did together with Tallián. These documents and their discovery which hasn't been evaluated in a scientific way yet, can be clearly considered as a sensation in context with this dissertation. Also, they make possible to add new aspects to the life and story and the small number of photos of Tallián himself - to make the life of Emil Tallián more concrete. Tallián himself was a progressively thinking philanthropist. He let site a park with rare plants at the bank of the river Tisa, planted a lot of trees in Törökkanizsa in the streets to bind dust from the roads. He introduced gas-lighting in public places, built a hospital and a poorhouse, was the mastermind behind the connection of his hometown to the railway and the foundation of a silk manufactury in Törökkanizsa and the publication of a local newspaper. All these hasn't been self-evident, since the city was consistent of only a few thousand inhabitants at that time - as well as it does nowadays. Tallián's life ended abruptly after short and severe illness in 1911. He has been buried in the family's vault with all the solicitousness of the people. The memorial built for remembrance of him, was - as the the properties of the Talliáns and their libraries and collections of paintings were - all of them have been destroyed in World War 1st, while cutting the Vojvodina from Hungary and led by the hate of the nationalistic fractireurs, clearly within the meaning of "vae victis". Also, the road named after Tallián had to be renamed. The memory on the benefactor of the community was erased. Thankfully to the change in political thinking, after a hundred years the memorial of Tallián has been restored and a memory stone was fixed on the walls of his house in Törökkanizsa. The vault waits for being restaurated. This dissertation shall save the literary abatement of Dr Emil Tallián from being forgotten and keep up the memories on the Talliáns, Fernbachs, Damaszkins and Vojnichs.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Tallián Emil Torontál Hunting Expedition
Schlagwörter
(Deutsch)
Tallián Emil Torontál Jagd Expedition
Autor*innen
Csaba Lendjel
Haupttitel (Deutsch)
Oberstuhlrichter Dr. Emil Tallián
Hauptuntertitel (Deutsch)
Jagden, Abenteuer und das Leben eines ungarischen Adeligen aus dem Burgkomitat Torontál im Spannungsfeld zwischen Kolonialismus und Postkolonialismus
Paralleltitel (Englisch)
Tallián Emil : the journeys of a Hungarian lawyer, aristocrat and hunter - in conflicts of colonialism
Publikationsjahr
2017
Umfangsangabe
206 Seiten : Illustrationen
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Andrea Seidler ,
Karoly Kokai
Klassifikation
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.00 Sprach- und Literaturwissenschaft: Allgemeines
AC Nummer
AC14509965
Utheses ID
43577
Studienkennzahl
UA | 092 | 381 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1