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Offensichtliche Setzerfehler wurden stillschweigend korrigiert. Die Original-Orthographie wurde ansonsten beibehalten.
Die merkwürdigsten Uebertritte vom Protestantismus zum Katholizismus in unserm Jahrhundert. —
Kirchliche Nachrichten
. Australien. Sandwich-Inseln; Angelegenheit der kathol. Missionäre. Tonga-Inseln. Wallis; Ermordung eingeborner Protest. Missionäre. — England. London; edles Benehmen der Regierung gegen franz. Katholiken; hochkirchl. Bischöfe; Methodisten; Uebersetzungen der anglik. Liturgie in's Hebräischs; israel. Verhältnisse, Liverpool; neue kathol. Kirchen. Oxford; heterodore Vorlesungen. — Irland. Dublin; fanatische antikathol. Versammlungen in Großbrittanien; Rücktritt eines Priesters; Grundsteinlegung. Glenade; Uebertritt. Limerick; Zeugniß; Grundsteinlegung. —
Theologische Akademie.
Protest. Abth. Ist eine Wiedervereinigung zwischen der katholischen und protestantischen Kirche möglich? Vom Kirchenrath Dr. Stephani in Gunzenhausen (Schluß). —
Kathol. Abth. Katholizismus und Protestantismus. Vom Professor Dr. Klee in Bonn. —
Literatur.
Prot. Abth
. Jung-Stilling Sämmtliche Werke. Rec. vom Kandidaten A. Boden in Oldenburg (Schluß). —
Israel. Abth
. Creizenach Anweisung zur Regulirung des israel. Lebens. —
Anzeigen.
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Das so eben erschienene Chronologische Verzeichniß der denkwürdigsten Bekehrungen vom Protestantismus zur katholischen Kirche, von der Reformation an bis auf die neueste Zeit, von Dr. J. V. Hoeninghaus, welches mit dem Prediger Georg Wicelius beginnt, der nachdem er zehn Jahre lang ein Anhänger Luther's gewesen, im J. 1531 wieder zur alten Kirche zurückkehrte, und mit dem im J. 1836 katholisch gewordenen Prediger M. Bünger schließt, dessen Uebertritt bereits in der Univ.-K.-Ztg. gemeldet wurde, führt, nachdem es 620 Convertiten bis zum Schlüsse des 18. Jahrhunderts namhaft gemacht, auch auf unsere Zeit. Dieser gehören die folgenden Fälle an. Es würde interessant seyn, auch ein Verzeichniß der zu protestantischen Confessionsn übergetretenen Katholiken zu erhalten und mit nachstehendem in Vergleich stellen zu können.
Einer der edelsten Deutschen, der christlich fromme und hochgebildete Graf Friederich Leopold zu Stolberg eröffnet die glänzende Reihe der Bekehrungen vom Protestantismus zur katholischen Kirche in unserm Jahrhundert. Er ließ sich in den Schooß der Kirche aufnehmen im Jahr 1800, welches Beispiel zugleich seine edle Gemahlinn Sophie, Gräfinn zu Stolberg, geborne Gräfinn von Redern, gab.
Im J. 1804 entsagte der geistvolle Norwege Dr. Nikolaus Möller dem Lutherthum und ward katholisch. Denselben Schritt that seine Gemahlinn, Charlotte, geborne Alberti aus Hamburg, und deren Schwestern Amalie, Gattinn von Ludwig Tieck, und Marie, nachwärts Vorsteherinn einer Anstatt von barmherzigen Schwestern.
Im J. 1805 ward der berühmte und geistreiche Adam Müller Katholik.
Im J. 1807 folgte diesem Beispiele der Frhr. Karl von Hardenberg.
Im J. 1808 ereignete sich die glänzende Bekehrung des berühmten Gelehrten Friederich von Schlegel und seiner Gemahlinn, Dorothea von Schlegel, eine Tochter von Moses Mendelsohn, welche früher vom Judenthume zum Protestantismus übergegangen war.
Im nämlichen Jahre trat der geniale dänische Freiherr von Eckstein, aus Kopenhagen gebürtig, in Rom zur katholischen Kirche über.
Im nämlichen Jahre trat auch Friederich August, Prinz von Hessen-Darmstadt, zur katholischen Kirche über.
Denselben Schritt that Dorothea, Herzoginn von Dillon, geborene Prinzessinn von Biron-Sagan-Curland.
|Sp. 0928| Auch Frau von Bernardy, geborne Tieck, ließ sich in den Schooß der Kirche aufnehmen.
Dasselbe Beispiel gab der große Kunstkenner Freiherr von Rumohr in Lübeck.
Auch ging der bekannte Schriftsteller Wilhelm von Schütz zur katholischen Religion über.
Denselben Schritt that der, auch in der literarischen Welt rühmlichst bekannte, Minister Eduard von Schenk.
Im Jahr 1811 entsagte der bekannte Schriftsteller, Hoftath Friederich Ludwig Zacharias Werner dem Protestantismus und begab sich, nachdem er katholisch geworden, in den geistlichen Stand.
Im J. 1812 wurde Dr. Friederich Schlosser katholisch.
Denselben Schritt that im nämlichen Jahre Dr. Karl Biester, ein Sohn des bekannten gleichnamigen Autors.
Im J. 1814 ließ sich auch der geistreiche Gerichtsrath Dr. Christian Schlosser, dem bereits erwähnten Beispiele seines Bruders folgend, in den Schooß der katholischen Kirche aufnehmen sammt seiner frommen Gemahlinn, gebornen Dufay.
Im J. 1815 wurde in Amerika der protestantische Prediger Thewly katholisch.
Ein anderer protestantischer Prediger in Amerika, von der Episcopalkirche, Virgil Barber, trat in demselben Jahre mit seiner ganzen Familie zur katholischen Kirche über.
Sein alter Vater, gleichfalls Prediger Barber, nahm auch noch den katholischen Glauben an.
Diesen Beispielen schloß sich noch ein anderer gelehrter Amerikaner, der Professor Fronsides an.
In Deutschland entsagte der Prediger Volz von Karlsruhe dem Protestantismus.
Denselben Schritt that Herr Glory, der sich nach seinem Uebertritt in den geistlichen Stand begab, und vor einigen Jahren als Bischof starb.
Auch Hr. von Klinkowström, Direktor einer Erziehungsanstalt, ward katholisch.
Denselben Schritt that der gefeierte Künstler Overbeck.
So auch der gleichfalls rühmlichst bekannte Direktor W. Schadow.
Desgleichen der im Kupferstechen ausgezeichnete Künstler Ruscheweih aus Mecklenburg.
Im J. 1817 ließ sich Friederich, nachmals regierender Herzog von Sachsen-Gotha, in die Gemeinschaft der kathol. Kirche aufnehmen.
Im J. 1818 gab dasselbe Beispiel Friederich Adolph, Herzog von Mecklenburg-Schwerin.
|Sp. 0929| Dieß that ferner der ausgezeichnete Diplomat und kön. sächs. Minister Graf von Senft-Pilsach.
Auch der Diplomatiker Ritter von Hermansen ward derselben Gnade theilhaftig.
Graf von Hochberg verließ den Protestantismus und ward als Katholik barmherziger Bruder.
In Weimar ging der Präsident von Schardt zur kathol. Kirche über.
Dasselbe Beispiel gab der wackere Friederich Müller, Prof. an der Kunstakademie in Cassel.
Ebenso Professor Karl Vogel in Dresden.
Dasselbe thaten Karl und Eduard von Schnorr.
So auch die beiden Goßler, von denen der eine sich in den Franziskanerorden begab.
Im J. 1821 ließ sich der berühmte Gelehrte Karl Ludwig von Haller, Mitglied des großen Raths zu Bern, in den Schooß der katholischen Kirche aufnehmen.
Der Prof. der Philosophie Dr. Burk. Freudenfeld an der Universität Bonn, verließ gleichfalls den Protestantismus und huldigte dem System des Katholizismus.
In Holland nahm der gelehrte, vielseitig gebildete Notar J. G. le Sage ten Broek die katholische Religion an, um die er sich durch Herausgabe zweier religiösen Zeitschriften in holländischer Sprache fortwährend Verdienste erwirbt.
Am 1. Sept. 1823 legte zu Paris der Consistorialpräsident und reformirte Prediger Latour, von Bordes, das katholische Glaubensbekenntniß ab.
Bald darauf trat auch der geistreiche protestantische Prediger Laval zu Condé-sur-Noir, zur katholischen Kirche über.
Im nämlichen Jahre convertirte der Prof. C. W. Köhler zu Neustadt an der Aisch, welches schon vorher zwei seiner Brüder gethan hatten, wovon der eine Dr. der Medizin und ein tiefdenkender und tüchtiger Arzt zu Würzburg, der andere Geistlicher in der nämlichen Diözese ist.
Im J. 1820 wurde der geistreiche kön. preuß. Regierungs-Assessor Karl Burchard katholisch.
Im J. 1821 folgten diesem Beispiele der nicht minder talentvolle Regierungs-Accessist Seydell, und der Regierungs-Assessor Breving, welche beide dann in den geistlichen Stand traten.
So traten auch Herr Ohlssen, Candidat der protestantischen Theologie und Ferd. Neumann Sohn eines protestantischen Predigers, und M. Karl Eduard Goldmann zum kathol. Kirche über.
Im J. 1824 wurde der Prof. Dr. Durst zu Düsseldorf katholisch.
(Schluß folgt.)
Australien.
Sandwich Inseln.
— † — Die französische Staats-Corvette la Bonite, Kapitän Vaillant, kam am 8. Oktober v. J. auf den Sandwich-Inseln an. Sie scheint den Auftrag gehabt zu haben, den französischen Handel in diesen Gewässern zu beschützen und über die, 1831 und 1832, französischen Missionaren widerfahrene Behandlung Klage zu führen. Dieselben waren unter Leitung des Abbé Bachelot 1827 daselbst eingetroffen. Ihre Ankunft mißfiel den Protestanten, welche bereits auf den Inseln Fuß gefaßt hatten und wovon einer großen Einfluß auf die Königinn hatte. Dessenungeachtet wurden sie Anfangs gar nicht beunruhigt, sie unterrichteten und tauften mehrere Individuen, aber bald wurde es anders; man verbot den Insulanern, ihren Unterricht zu besuchen und warf Einige der neuen Christen in Fesseln, oder verbannte sie. Den Missionarien deutete man an, die Insel zu verlassen und da sie dem Folge zu leisten sich weigerten, deportirte man sie nach Kalifornien, wo sie anscheinlich sich gegenwärtig noch befinden. — Eine solche Behandlung inoffensiver Franzosen, auf Anstiften amerikanischer Methodisten mußte die Aufmerksam- |Sp. 0930| keit der Regierung auf sich ziehen. Hr. Vaillant beschwerte sich darüber bei König Tamehamea, der ihn mit seiner einflußreichen jungen Schwester Kinäu am 12. Okt an Bord besuchte. Der junge Fürst entschuldigte sich mit seiner Unwissenheit solcher Behandlung, versprach, mit denen die Sandwich-Inseln bewohnenden Franzosen es anders zu halten, ihre Personen und Eigenthum zu schützen. Wir vermuthen, Hr. Vaillant werde sich mit so allgemeinen Versprechungen nicht begnügt, sondern auch die Zurücknahme der gegen die Missionarien genommenen brutalen Maßregeln verlangt haben.
(Ami de la Rel.)
Tonga-Inseln.
— † — Wallis. Hr. Bernard ehemaliger Schiffslieutenant des Schooners Selma, der im Hafen von New-Bedford in den Vereinigten Staaten von Nordamerika am Bord des Parachute angekommen ist, hat einen umständlichen Bericht über die Niedermetzelung von 70 Missionarien auf der Süd-Insel auf Wallis erstattet. Es scheint darnach, als wenn die englischen Missionare auf der Insel Keppel den Plan gemacht hatten, das Christenthum auf Wallis durch Eingeborene einzuführen, indem diese eine günstigere Aufnahme finden würden, als die Fremden. Aber kaum waren jene 70 Unglücklichen gelandet, als sie auf die schauderhafteste Weise niedergemacht wurden.
(Morning–Herald)
England.
— † —
London. Folgender schöne Zug der englischen Regierung wurde dem untenbenannten französischen Blatte vor einigen Tagen berichtet:
,,In Frankreich weiß man nicht — heißt es — daß zu London noch etwa 100 alte französische Offiziere und Priester existiren, die letzten Ueberbleibsel der revolutionären Proscription. Diese Trümmer einer unerschütterlichen Treue hielten selbst seit der Restauration die Revolution nicht in dem Maße erstickt, daß sie nicht dereinst sollte wieder erwachen können. Diese Greise, deren keiner wohl unter 70 Jahren zählt, haben nie das Verlangen geäußert, nach Frankreich zurückzukehren, das sie verjagt hatte; sie haben unter sich ein Vaterland sich zu bilden gesucht und verbunden durch das feste Band ihres Glaubens leben sie rings um die kleine kathol. KapelleDiese Kapelle liegt Little Georges Street Portman-Square.
Georg III. um das Jahr 1798 in lobenswerthem Duldungsgeiste den französischen Ausgewanderten bewilligte.
Diese Kapelle war lange Zeit die Parochialkirche der königl. Familie und in ihr hat man um den Katafalk Ludwig XVI., Marien-Antoinetten's und des Herzogs von Enghien, Ludwig XVIII., den Grafen von Artois mit seinen Söhnen, die Herzoginn von Angoulème, die beiden letzten Condés und den Herzog von Orleans, jetzigen König der Franzosen, ihre Andacht verrichten sehen.
Sie wurde während der Restauration auf Kosten Ludwig's XVIII. ausgestattet. Er und sein Bruder, nachmals Karl X., bezahlten nicht allein die Unterhaltungskosten für das Gebäude, sondern auch Pensionen an alle Franzosen, die nicht nach Frankreich zurückkehren wollten. In den erstern Jahren der Restauration belief sich die Summe der Pensionen auf 600,000 Franken, verminderte sich indessen jährlich durch Sterbefälle und gegenwärtig sind die Reihen dieser Getreuen dergestalt gelichtet, daß die Pensionen sich nur noch auf 100,000 Fr. belaufen. Seit einigen Jahren wurden sie nicht mehr bezahlt und die Revolution weiß wohl warum. Nun haben die armen Pensionäre der französischen Civilliste, alle ihre Hilfsquellen ausgeschöpft; ihr Zustand ist so betrübend, daß schon die englische Regierung Schritte bei der neuen Civilliste gethan hat, damit sie diesen Unglücklichen zu Hilfe käme, die doch so lange die Gefährten des Herzogs von Orleans im Exile waren; allein diese Schritte sind vergeblich gewesen. Endlich hat das englische Ministerium, das nicht wollte, daß Franzosen auf brittischem Grund und Boden vor Hunger und Elend umkommen sollten, 4000 Pf. St. (100,000 Fr.) auf das Budget setzen lassen, um diesen Schlachtopfern bürgerlicher Entzweiungen Brod zu geben.
(La Quotidienne)
— den 15. Mai. Unter die englischen Bischöfe scheint eine große Sterblichkeit gekommen zu seyn: auch Dr. Marsh der |Sp. 0931| Bischof von Peterborough, liegt jetzt am Tode. Die Regierung verstärkt sich durch die neuen Stellenbesetzungen, und verfügt bereits über neun Stimmen der Bischofsbank im Ober-Hause. Solche unerwartete Glücksfälle (windfalls) für die jetzigen Minister, meynt der Spectator, müßten die Tories um so mehr wünschen lassen, bald wieder in den Besitz der Macht zu gelangen.
— Das hochkirchliche Bisthum Norwich ist an den ehrwürdigen E. Stanley, den Verfasser einer sehr vernünftlichen Flugschrift über Irland, worin er darauf dringt, daß den Forderungen des irischen Volks Recht widerfahre, übertragen worden.
(Allg. Ztg.)
— Aus dem Berichte der englischen Bibelgesellschaft geht hervor, daß die Beiträge (Subscriptionen) für dieselbe im verflossenen Jahre die große Summe von 208,700 Pf. St. (1,304,400 fl.) betrugen, also 21,000 Pfd. mehr, als im Jahr 1835.
— In der am 24. geschlossenen Jahres-Conferenz der ursprünglichen Methodisten wurde berichtet, daß diese Sekte gegenwärtig 65,277 Mitglieder, 460 reisende und 5343 Lokal-Prediger hat und 923 Kapellen besitzt.
(Schwäb. M.)
— Zu den neuesten Erscheinungen der Zeit gehört eine vollständige Uebersetzung der anglikanischen Agende in die hebräische Sprache, welche von der Londoner Gesellschaft für die Bekehrung der Juden veranstaltet und herausgegeben worden ist. Ein solches Werk dürfte bei manchem frommgläubigen Juden, wenn er in dem Ritual einer der bedeutendsten christlichen Kirchen so viele Stellen aus dem alten Testamente, und zwar in der beliebten „heiligen Sprache“ erkennt, eine Ahnung erwecken, daß das Christenthum in der That nichts Anderes ist, als eine göttliche Fortentwickelung des Judenthums, und ihn geneigter machen, in unseren heiligen Büchern zu forschen. Besonders dürfte dieses unter den morgenländischen Israeliten der Fall seyn, unter welchen das Hebräische, obgleich durch andere semitische Mundarten zerfetzt, noch Volkssprache ist. Die Gesellschaft läßt in ihrer Kapelle von den Bekehrten, welche unter ihrer Leitung stehen, einmal des Sonntags den christlichen Gottesdienst in hebräischer Sprache (obgleich mit englischer Predigt) halten! Dabei werden hebräische Uebersetzungen von englischen und deutschen Liedern (auch „Eine feste Burg ist unser Gott“) gesungen, welche mit ihren Reimen einem, welcher die Psalmen in der Ursprache versteht, etwas ungereimt vorkommen. Dieses Einimpfen eines todten Zweiges in den lebendigen Baum des Christenthums, diese Einführung einer todten Sprache beim protestantischen Gottesdienste zu einer Zeit, wo denkende Juden und Katholiken so vielfach streben, in dem ihrigen statt des Hebräischen und Lateinischen die Landessprache einführen zu dürfen, scheint mir eine merkwürdige Grille. Die Gesellschaft, welche sich berufen fühlt, nicht nur die Juden zum Christenthum zu führen, sondern auch, um es Gott zu erleichtern, seine Prophezeihungen hinsichtlich dieses merkwürdigen Volkes zu erfüllen, dieselben, nachdem sie die Taufe empfangen, als Volk gesondert zu erhalten, meynt hierin das beste und würdigste Bindemittel entdeckt zu haben. So viel mich indessen meine Erfahrung lehrt, sind die meisten Juden, welche das Christenthum ergreifen, herzlich froh, das Fremdengepräge ablegen, und sich in die Masse ihrer Landsleute, oder doch in die der großen christlichen Weltbürgerschaft verlieren zu können.
(Ffrt. J.)
— den 25. Juni. Am Sonntag, den 11. Juni (Issrachag Schebuoth) fand hier das gewöhnliche public dinner des jüdischen Hospitiums Newch-Zedek unter Vorsitz des Rabbiners Dr. Herschel statt. Unter den Stewards befanden sich die Herren Dan. O'Connell und Joseph Hume. — Am 24. wurde der durch seine Mildthätigkeit ausgezeichnete isr. Kaufmann Moses Montefiore von der Londoner Bürgerschaft aus ihrer Mitte für das nächste Jahr zum Sherif von London und Middlessex erwählt. Es ist dieß also der zweite jüdische Sherif, den sich die City in einem Zeitraum von 2 Jahren gegeben, ein hinlänglicher Beweis, daß sie mit der ersten Wahl sehr zufrieden war; und zwar beides sehr religiöse Männer, die sich durchaus nicht geniren, z. B. am Sonnabend zu Fuß in die Sitzung zu kommen. Ueberhaupt sind die englischen Juden eben so weit entfernt, ihre Religionsgebräuche um der äußern Annäherung willen zu verläugnen, als die englischen Christen es sind, dergleichen von ihnen zu erwarten oder zu verlangen. So z.B. hält die mechanics-institution in Manchester, eine sehr ausgedehnte Anstalt zur Beförderung allgemeiner Bil- |Sp. 0932| dung unter den Handwerkern und Fabrikarbeitern, gegenwärtig keine Sitzung am Sonnabend, weil ihr vor Kurzem erwählter Präsident, der Dr. Franklin, an diesem Tage nicht schreibt. Montefiore hat vor 1 1/2 Jahren dem König der Belgier ein sehr elegantes Dejeuner in seiner sehr kostbaren Lauberhütte gegeben. Ebenso sind die bei den jüdischen Stiftungen vorkommenden öffentlichen Mahlzeiten nie anders als koschar gekocht, und werden unter dem Vorsitze von Rabbinen mit den hebräischen Gebeten sehr nachdrücklich und mit bedecktem Kopfe von der ganzen Gesellschaft eingeleitet und geschlossen, ohne daß es den zahlreich anwesenden sehr vornehmen Christen (Prinzen, Lords, Parlamentsmitgliedern u. s. w.), die auch zu diesen Anstalten beisteuern, einfällt, dieß im Geringsten unbrittisch oder unaufgeklärt zu finden, und allenfalls mit achselzuckender Herablassung zu bemitleiden. Diese Erscheinung wurzelt aber lediglich darin, daß den freien Engländern ihre Freiheit nichts Sauererworbenes, nichts von tausend Argwohnen Belauertes, sondern der zärtliche Zustand ist, den sie Andern eben so wenig mißgönnen, wie ein Gesunder dem andern sein Wohlbefinden.
(Allg. Ztg. des Judenth.)
— Englische Blätter vom 7. Juni schreiben: Der protestantische Verein legte bei seiner letzten Versammlung in der Exeterhalle offen seine Absichten an den Tag, indem er beschloß, in einer Bittschrift an das Parlament zu verlangen, daß die Katholiken, indem sie durch Einmischung in die Angelegenheiten der Hochkirche ihren Eid verletzt, alle durch die Emanzipations-Akte ihnen übertragenen Rechte und insbesondere den Zutritt in's Parlament verwirkt haben. Den Vorsitz in diesem Zeloten-Klubb führte ein Kapitän Namens Gordon; kein Parlamentsglied, oder sonst bedeutender Mann, nicht einmal einer der sonstigen Hauptschreier dieses Vereins, wie Mac-Ghee oder O'Sullivan war zugegen.
(Schwäb. Merk.)
— † — Liverpool. Die Katholiken von New-Castle ist es gelungen, eine neue Kapelle in der Nähe der Stadt zu erbauen. Hauptsächlich verdankt man sie der Großmuth des Herrn Lawson zu Borough-Hall. Hr. Dr. Briggs, Apostolischer Vikar des Nord-Distrikts, wohnte der Eröffnung mit einer großen Anzahl Priester bei, auch wurde bei dieser Gelegenheit eine Prozession gehalten. Frau Douthwaite schenkte einen goldenen Kelch, wie man sagt, als Ergebniß einer Subscription von Katholiken und Protestanten. Graf Devan und Lord Courtney haben sich durch ihm Beiträge ausgezeichnet, die sich auf 600 Pf. St. beliefen.
Man hat in andern Gegenden ähnliche Anstrengungen gemacht. Zu Grosvenor-Road, Tunbridge-Wells, wurde neulich ein großes Grundstück gekauft, um eine Kapelle zu bauen, wozu das Fundament bereits gelegt wird.
Die alte Kapelle zu Hereford, Broadstreet, ist abgebrochen worden, um eine geräumige und schönere zu bauen, die vermuthlich mehrere tausend Pfund Sterling kosten wird. Vor ein oder zwei Jahren wurde zu Werbly eine schöne Kapelle eröffnet. Der Großsherif der Grafschaft Herford und eine der Magistrathspersonen sind katholisch.
Die Katholiken zu Wigton in Grafschaft Cuperland besaßen keine Kapelle und mußten ihren Gottesdienst in einem elenden Gemache halten, das eher geeignet war, die Andacht zu ersticken, als sie zu erwecken. Ihr Pfarrer Dowdell hat es dann unternommen, eine Kirche zu bauen. Er hat ein kleines Grundstück gekauft und da seine Gemeinde arm ist, so hat er einen Aufruf an die Mildthätigkeit der englischen Katholiken ergehen lassen. Der Eifer des weisen Missionars und die Geschenke, welche er empfangen, haben ihn in den Stand gesetzt, die Kapelle aufzuführen, und sie ist Donnerstag den 1. Juni eröffnet worden. Sie ist in gothischen Geschmack, sehr nett ausgeführt. Für die Katholiken am Orte ist sie ein Gegenstand großer Freude.
(Ami de la Religion)
Oxford. Dr. Gilbert zu Oxford hat das Verbot zurückgenommen, das den Studenten seines Collegiums den Besuch der Vorlesungen des (von der zelotischen Kirchenpartei als heterodox verschrieenen) Dr. Hampden untersagte. Er entschloß sich zu diesem schweren Schritt, nachdem die Bischöfe von Salisbury und Liechfield mehreren Candidaten der Theologie die Ordination versagt hatten, weil sie von dem Professor Regius de Gottesgelehrtheit (Dr. Hampden) keine Zeugnisse vorlegen konnten.
(Allg.Ztg.)
|Sp. 0933| Irland.
Dublin, den 10. Juni. Von London schreibt man unter dem 31. Mai: Der protestantische Verein hat letzten Sonnabend seine Versammlung gehabt, und sich durch die Beredsamkeit eines M'Ghee und O'SuIlivan (irischer Protest. Geistlichen) bereden lassen, daß die Katholiken eine Race eingefleischter Teufel, ohne Gott, ohne Treue und Glauben seyen, welche nur für den Augenblick die Maske der Gutmüthigkeit angenommen, aber im Stillen eifrig auf den sehnsüchtig erwarteten Augenblick hinarbeiten, wo sie uns arme Protestanten nach Herzenslust braten können! Was einen tröstet bei dieser dummdreisten Gaukelei (denn die boshafte Posse beginnt und schließt immer mit Gebet und Gesang), ist der Umstand, daß nicht ein einziger Mann, der auch nur auf's entfernteste auf den Namen eines Staatsmannes Anspruch macht, daran Theil nahm, und der kurze Bericht von einer halben Spalte, welchen selbst die Times und Herald von dem Stunden langen Salbadern geben, beweist, daß alle denkenden Männer dieses Thun und Treiben verachten. Auch bestand die Versammlung vorzüglich aus Weibern, wahrscheinlich denselben armen Puppen, die man den ganzen Maimonat hindurch, statt sich in Gottes Natur zu erholen, täglich in religiösen Versammlungen schwitzen sieht — Geschöpfen, bei denen die Religion eine Art von geistiger Trunkenheit zu seyn scheint, die, da sie über Nacht verraucht und sie am Morgen flau läßt, täglich erneuert werden muß, und welche nichts mehr entzückt, als eine beredsame Erzählung von Gräueln, wobei sie pharisäisch seufzen und Gott danken können, daß sie besser sind, als so viele ihrer Nebenmenschen.
(Allg. Ztg.)
— Der wohlbekannte irische Priester Delany, welcher ein gewaltiger Zelot für den protestantischen Glauben, zu dem er übergetreten war, hat seinen Sinn abermals geändert, und ist wieder in den Schooß der römischen Kirche zurückgekehrt: seinem Bekenntniß zufolge hatten ihn schnöde weltliche Vortheilsrücksichten zu jenem, von ihm schwer bereuten, Uebertritt bewogen.
(N. Würzb. Ztg.)
— † — den 5. Juli. Am Donnerstag, 30. Juni, wurde hier die neue kathol. St. Paulskirche feierlich eingeweiht. Lange vor Anfang der Ceremonie hatte eine zahlreiche Menge aus allen Ständen alle Theile des schönen Gebäudes eingenommen. Der Herr Erzbischof Murray leitete die Feierlichkeit im Gefolge einer zahlreichen Geistlichkeit. Der Weihe folgte eine musikalische Messe, welche die Anwesenden mit großer Andacht anhörten. Der Feierlichkeit wohnten auch viele Protestanten bei, und was am merkwürdigsten ist, das Eisengitter des Chors, die Pfeiler und Balkons der Gallerie, so wie mehrere andere Verzierungen verdankt man der Freigebigkeit einiger derselben, die ihrerseits zur Ausstattung dieses prachtvollen Gebäudes haben beitragen wollen.
(Univers)
— † — Vor einigen Tagen legte Hr. Nolan, Bischof von Kitdare und Leighlin, den Grundstein zu dem Kloster Mercy. Er war in seiner Pontifical-Kleidung und von einer zahlreichen Geistlichkeit umgeben. Man spricht viel von der Pracht des neuen Gebäudes, an welchem rasch fortgearbeitet wird.
(Univers)
— † — Glenade. Ein irländischer Protestant Namens Magarragthy von Glenade in der Grafschaft Sligo, ist im vergangenen Monat Aprill von der Kapelle von Glenade zum katholischen Glauben übergetreten und hat seine Irrthümer in die Hände des Kirchspiel-Priesters (so nennt man in Irland die Pfarrer) Lacy abgeschworen. In der Grafschaft Sligo ist dieß seit dem Monat März das vierte Beispiel von Bekehrung.
— Zu derselben Zeit übergab der achtbare Hr. Robert La Touche, der zu Dublin wohnt, dem Pfarrer von Glenade die Summe von 20 Pf. St. und ein hübsches Lokal, um in Glenade eine Schule anzulegen.
(Univers)
— † — Belfast. Die Unteroffiziere und Soldaten des 51. hier in Garnison stehenden Regimentes haben an den Dr. Denvir, Bischof von Down und Connor, der seine Residenz hieselbst hat, in dem Augenblicke ihres Abmarsches ein Danksagungsschreiben für die von ihm und seiner Geistlichkeit geleisteten sowohl geistlichen als leiblichen Dienste während ihres hiesigen Cantonnements gerichtet. Zugleich haben sie ihm 10 Pf. St. (250 Fr.) zu ihm passend scheinender Verwendung übersendet. Der ehrw. |Sp. 0934| Bischof dankte ihnen in einem liebevollen Schreiben, worin er sie besonders wegen ihres guten Betragens belobt, und seine guten Wünsche für sie in jeder Lage ihres Lebens und an jedem Orte, wo sie sich befinden mögen, ausspricht.
(A. d. l. R.)
Limerick. Der bekannte anglikanische Bischof von Limerick in Irland, Dr. Jebb (gest. 1833), hatte als Archidiakonus zu Abington viel Gelegenheit gehabt, den Stand der kath. Kirche, welcher die große Mehrheit der Einwohner des Bezirkes angehört, zu beobachten. In einem Briefe an den berühmten Southey legt er folgendes Zeugniß ab: Es steht allerdings in manchem übel; jedoch Religion ist da, und zwar viel Religion. Diese Katholiken zeigen eine Unterwerfung unter den Willen Gottes, als unter seinen Willen, die ich gleich stark und gleich erweckbar unter Protestanten niederen Standes nie angetroffen habe. Sie erdulden nicht nur Krankheiten, sondern Mangel und Hunger mit Ergebung, als Prüfungen, die ihnen der Allmächtige auflege, und schreien nicht darüber, als über eine Kränkung, die ihnen durch die Ungerechtigkeit von Menschen widerfahre.“
(K. K.Z.)
— † — In den ersten Tagen des Mai brachte Herr Murphey, Bischof von Cork, drei Nonnen aus dem Kloster zur Erscheinung des h. Geistes in Cork, hieher, um ein Erziehungshaus für die Jugend zu gründen. Zu diesem Zweck ist ein weitläufiges Gebäude mit einem großen Schulsaale eingerichtet, worin man bis fünfhundert Kinder aufnehmen zu können hofft.
(Ami de la Religion)
(Schluß.)
Ich übergehe wegen Kürze, was dieser Hof seitdem gethan hat, um diesen politischen Fehler wieder gut zu machen, und bald durch Gewalt, bald durch Ueberredung, bald durch eingeleitete friedliche Versuche die Protestanten zur Anerkennung des kirchlichen Oberhauptes zurückzuführen. Zu bemerken ist nur noch hierbei, daß in dem auf den 30jährigen Religionskrieg erfolgten Friedensschlusse die Hoffnung einer Wiedervereinigung dadurch nochmals ausgesprochen wurde, daß die bischöfl. Gewalt über die Protest. Gemeinden ihres Sprengels bis dahin nur für suspendirt angesehen werden sollte.
Besonders beachtungswerth ist hierbei noch, was nach beglaubigten öffentlichen Nachrichten
Kritische Predigerbibliothek von Dr. Röhr, Band 15, Heft 3.
in jüngster Zeit gethan hat, eine Wiedervereinigung beider Kirchen zu bewerkstelligen. Er soll nämlich sich gegen die protest. Fürsten anerboten haben, die protest. Kirche, eben so wie zum Theil mit der griechischen Kirche geschah — die deshalb die unirte heißt — wieder als einen integrirenden, seiner Oberaufsicht und Leitung unterworfenen Theil der katholischen Kirche, unter dem Zugeständnisse des Kelches und der Priesterehe, jedoch nur unter der Bedingung anzuerkennen, daß diese strenge an die Augsburger Konfession gebunden werde. Von dem Könige in Schweden ist es nach jener Nachricht gewiß, daß dieser Antrag abgelehnt wurde. Aus dem Umstand, daß in einigen deutschen Staaten die Geistlichen wieder zur strengen Beobachtung der in den symbolischen Büchern enthaltenen Lehre angehalten werden, möchte ich nicht schließen, daß er daselbst eine bessere Aufnahme gefunden habe. Es ist schwer zu glauben, daß die protest. Kirche je von ihrem Lebensgrundsatze, der freien Verkündigung des Evangeliums, abzubringen seyn dürfte. Wenigstens würde eine solche Zumuthung nicht ohne große Bewegung der Gemüther durchzusetzen seyn, und die Poli-tik gebietet, jene Anreizung zu derselben in unsern Tagen möglichst entfernt zu halten. Ist jene Nachricht so grundhaltig, wie |Sp. 0935| man annehmen darf, so würde für die Möglichkeit einer Wiedervereinigung schon Vieles gewonnen seyn. Von päpstl. Seite wäre die Willfährigkeit bereits ausgesprochen. Es müßte Rom durch Unterhandlungen noch dahin gebracht werden, darin einzuwilligen, daß die Geistlichen verpflichtet würden, sich strenge an die Lehre des Evangeliums, statt der Augsburger Konfession, zu halten, womit sowohl diese als die protest. Laien zufrieden seyn würden. Es bliebe dann nichts weiter zu thun übrig, als daß die Fürsten über die protest. Gemeinden ihrer Länder Bischöfe aufstellten, und diesen die bis jetzt an sich gezogene oberste kirchliche Gewalt übergäben. Ob aber die Fürsten hierzu geneigt seyn möchten, dürfte mit Grund sehr zu bezweifeln seyn.
Ich komme nun auf den zweiten möglichen Weg einer Wiedervereinigung beider Kirchen, den ich deßwegen den wissenschaftlichen nenne, weil sie von dem gemeinschaftlichen wissenschaftlichen Streben, die
Lehre Christi in ihrer vollen Reinheit und Heilsamkeit herzustellen, und in den Köpfen und Herzen der ganzen christlichen Welt geltend zu machen, einzig und allein bedingt wird. Ueber den Grundsatz, daß der Lehre Christi die höchste Autorität durchaus in jeder Kirche zukommen müsse, wofern sie mit Recht sich den Namen einer christlichen beilegen will, sind bereits alle einigJoh. 8,31; 1. Tim. 6,3-4.
einzig möglichen Wege, jenem der Wissenschaft durch Sprach- und richtige Auslegungskunde herzustellen, nur daß es auf dieser wissenschaftlichen Schifffahrt bisher an Entdeckung des dabei sicher leitenden Polarsternes gefehlt hat, was zu mancherlei Irrfahrten und eiteln Streitigkeiten über das rechte Fahrwasser führte. Doch auch dieser wäre, Gottlob! jetzt aufgefunden, und es handelt sich mithin nur davon, alle Steuermänner mit demselben näher bekannt zu machen.
Dieser Polarstern ist der eigentliche Zweck der Erscheinung Jesu auf Erden, und seiner unter uns errichteten Kirche, den er selbst mit vollster Bestimmtheit angegeben hat. Negativ ausgedrückt ging derselbe dahin, die Menschen von der Knechtschaft der Sünde, der Quelle ihres inneren und äußeren Elendes, wirklich zu erlösen, und dieser hohen Absicht wegen wird er Erlöser der Menschheit genanntMatth. 1,21; 18,11.
selig zu machen, und zwar schon in der jetzigen Welt; denn wer nicht auf derselben selig zu werden gelernt hat, der muß es erst in der künftigen lernen. Er wird deshalb auch Seligmacher gepriesen, und seine Kirche kann nur in soferne die alleinseligmachende heißen, als sie durch die uns von den Evangelisten und Aposteln überlieferten Lehren Christi die Menschen wirklich von der Knechtschaft der Sünde befreit, und zum Besitze der Seligkeit verhilft, welche eines Theiles in voller kindlicher Zufriedenheit mit Gottes so weiser Weltregierung und Anordnung aller unserer Schicksale, und anderntheils im Genusse der Zufriedenheit mit uns selbst besteht, die nur durch Veredlung unseres Willens oder treue Befolgung der moralischen Gesetze Gottes erworben werden kann. Da Christi Kirche demzufolge eine Veredlungs- und Beseligungsanstalt seyn soll, so verhält sich der Glaube an Jesum rein als Mittel zu diesem Zwecke. Hieraus folgen dann zwei Hauptregeln für alle Lehrer des Christenthums, erstlich die positive: immer mehr jene Lehren des Heilandes an das Tageslicht zu fördern, und unter den Menschen zu verbreiten, welchen die unwiderstehliche Kraft beiwohnt, diesen den größten Abscheu vor der Sünde, die größte Liebe zur Tugend und das kindlich freudigste Vertrauen zu Gott, unsern allgemeinen Vater und Erzieher für seine höhern Welten abzugewinnen. Die zweite negative Hauptregel lautet: Alle redlichen Lehrer beider Kirchen müssen sich brüderlich dahin vereinigen, unter ihren Glaubensgenossen die Unwissenheit und jene falschen Religionsbegriffe zu vertreiben, welchen allein die Schuld beizumessen ist, daß noch so viele Menschen, welche sich Christen nennen, offenbare Knechte der Sünde sind, dadurch des Ruhmes ermangeln, den sie bei Gott haben sollen und deshalb auch des |Sp. 0936| Besitzes eines seligen, mit Gott und sich selbst zufriedenen Gemüthes entbehren.
Wird dieser Geist zum herrschenden in allen unsern christlichen Versammlungen erhoben, so sind die beiden Konfessionen bereits innerlich einig geworden, und es wird für jeden nach Nahrung für religiöse und sittliche Erleuchtung verlangenden Christen völlig einerlei seyn, ob die von ihm besuchte Kirche katholisch oder protestantisch heißt.
Die Universal-Kirchenzeitung ist darum als eine freudige Zeiterscheinung von so vielen, und so auch von mir aufgenommen worden, weil ihr Motto „Wahrheit in Liebe“ und ihre dreifache Eintheilung die Hoffnung verbürgt, sie werde zu einem Organe dienen, eine solche religiöse Vereinigung der Gemüther der verschiedenen Kirchengenossen herbeizuführen, welche jeder anderen äußeren Vereinigung nothwendig voranzugehen hat. Welche Wahrheit könnte sie anders im Sinne haben, als jene, welche zur Erleuchtung und durch diese zur Veredlung und wahren Beseligung der Menschen führt. Kann ein so heiliges Werk anders als in brüderlicher Liebe begonnen und ausgeführt werden?
Was haben aber hierbei die israelitischen Glaubensgenossen zu schaffen? Längst sind die wahrhaft Gebildeten unter ihnen der mosaischen Bildungsanstalt entwachsen, welche (siehe meinen Moses und Christus) nur eine staatsbürgerliche war; längst schon durch eigenen Fleiß zur Erkenntniß jene alles Heil der Menschheit bedingenden Wahrheiten gelangt, deren Verbreitung der eigentliche Zweck des aus ihrem Volke hervorgegangenen Stifters des Christenthumes war; und ein Theil derselben, darf man ihnen zur Ehre nachsagen, ist manchem christlichen Lehrer hierin vorausgeeilt. Diese verdienten daher gar wohl von dieser neuen Kirchenzeitung eingeladen zu werden, auch ihrerseits Antheil an dem Nationalwerke zu nehmen, aus allen Deutschen durch Hilfe der Religion ein Volk zu bilden, welches in Hinsicht auf religiöse Erleuchtung und moralische Bildung unter allen Völkern als Muster voransteht, und nur auf diesem Wege, sowohl zum höchsten innerlichen, als auch zum höchsten äußerlichen, dem höchsten staatsbürgerlichen Wohlseyn gelangen kann.
O ich kann nicht die Feder aus der Hand legen, ohne allen mit mir hierin gleichgesinnten Männern, welcher Konfession sie auch angehören mögen, hiermit die Hand zu einem so schönen wissenschaftlichen Bunde mit einem von Liebe überwallenden Herzen darzureichen.
Der Katholizismus ist in letzter Reduction die Anerkennung der von Christo in seiner Kirche gesetzten Auctorität als solcher. Das Prinzip in seinem materialen Moment ist: Glaube, was die von Christus gestiftete Kirche als solche zu glauben vorstellt; dasselbe in seinem formalen Moment ist: Glaube, weil es die von Christus gestiftete Kirche als solche zu glauben vorstellt. Wie dieses Prinzip positiv und rational unerschütterlich feststeht, dem wahren Freiheitsprinzip nicht zuwider geht, ist anderwärts entwickelt worden.
Der Protestantismus ist in seiner Reinheit nicht mehr und nicht weniger, denn Negation der von Christo in seiner Kirche gesetzten Auctorität als solcher und die Aufstellung der abstrakten Individualität der Einzelnen als eigentlichen und einzigen Auctorität, welcher und wegen welcher in letzter Instanz geglaubt wird. Das protestantische Prinzip ist in seinem materialen Moment oder Theil: Ich glaube oder halte für wahr und gewiß, was meine individuelle Vernunft in und mit der |Sp. 0937| Schrift oder außer derselben anerkennt; und in seinem formalen Momente: Ich glaube oder halte es für wahr und gewiß, weil meine individuelle Vernunft es so erkennt. Wie dieses Prinzip nicht das der wahren Freiheit, und weder positiv noch rational aufrecht zu erhalten ist, haben wir früher gesehen, wo der Egoismus bekämpft, die Nothwendigkeit der Religion, Offenbarung, Kirche, Auctorität dargethan worden ist. Nur in Individuen kann, wie offenbar, dieses Prinzip zur reinen Aussprache und konsequenten Durchführung gelangen, und, je nachdem der abstrakte Verstand oder aber das abstrakte Gefühl als Brennpunkt der Individualität sich geltend macht, als förmlicher sogenannter Rationalismus oder aber als Mystizismus und Pietismus auftreten. Von den protestantischen Kirchengenossenschaften aber ist zu sagen, daß in ihnen weder das Prinzip der Auctorität, noch das oben bezeichnete der abstrakten individuellen Freiheit zur Durchführung gekommen ist, daß sie bloß katachrestisch ihren Namen tragen, wie durch Inconsequenz ihre Existenz begonnen haben und forterhalten. Denn läugnete man die Auctorität der Kirche, als man sich gegen dieselbe erhob, ihren Glauben und den Glauben an sie verwarf, so konnte man, dünkt mich, folgerecht nimmermehr thun, was die Reformatoren thaten, nimmermehr sich als Auctorität constituiren, Glaubensnormen und symbolische Schriften verfassen, und das feste Halten daran für nothwendig und alleinseligmachend ausgeben. Sollte die gläubige Unterwerfung unter die alte Auctorität der kathol. Kirche unvernünftig seyn, wie konnten einige von derselben ausgeschiedene Theologen für ihre besondere Auffassung des Christenthums, die von ihnen in Vereinigung mit der weltlichen Gewalt beliebten Dogmen, einen strengen Glaubensgehorsam in Anspruch nehmen, ihre Schriftauslegung für eine göttlich gewisse, canonische, den wahren Glauben und das Heil bedingende ausgeben? Auf der andern Seite ist leicht einzusehen, wie ohne solche bindende Glaubensnorm nur eine chaotische Verwirrung, eine geistige Wüste und Leere entstehen muß, für welche der Name Kirche nur eine Ironie, und deren Ende die volle Vernichtung alles wahrhaftigen, geistigen Lebens, der absolute Tod seyn würde.
Nach einer jetzt von Vielen, welche auf dem sogenannten höhern Standpunkt stehen, getheilten Ansicht, mußte es im Laufe der Zeit, in Folge der so weit gediehenen, und behufs der noch weiter zu fördernden Entwicklung des Menschengeschlechts und des Christenthums, zu einer vollen Ausbildung und selbstständigen Organisation des schon lange im Durchbruch begriffenen Freiheitsprinzips als Protestantismus kommen, und haben wir in ihm einerseits und dem Katholizismus andererseits die sich nothwendig setzenden, in ihrer Existenz und Fortbildung sich wechselseitig bedingenden Gegensätze, und die beiden Seiten und Momente des Einen, wahrhaftigen, geistigen und religiösen Lebens, womit dieses seine dialektische Bewegung zu seiner Vollendung in der Geschichte vollbringt. Allein hiergegen erlauben wir uns die Bemerkung, daß 1) wie schon früher erinnert und gezeigt worden ist; der Katholizismus neben und in seinem wahren Auctoritäts-Prinzip nothwendig auch schon das wahre Freiheitsprinzip und den Protestantismus im edlern Sinne des Wortes, die Förderung wahrer Entwickelung des Christenthums im Menschen und des Menschen im Christenthum, die Negation und Verwerfung wie der falschen Ruhe und Involution, so der falschen Bewegung und Evolution schon in sich enthält, daß 2) der aus der Kirche heraus- und gegen sie aufgetretene Protestantismus sich zum Katholizismus nicht wie ein einfacher, Entwicklung bedingender Gegensatz, sondern wie ein förmlicher, dessen vollkommene Vernichtung beabzweckender Widerspruch verhält, und durch seinen übereilten Austritt und feindseligen Auftritt sich um alle Macht des Lebens, es zu haben oder zu geben, gebracht hat. Uebrigens ist es schon viel, daß man der katholischen Kirche jetzt zugestehen will, daß die protestantische Kirche ihrer bedürfe, um zu seyn, wie umgekehrt auch die katholische Kirche der protestantischen bedürfen soll, um zu seyn; wozu jedoch bemerkt werden muß, daß das Positive der Negation nicht bedarf, wie letztere des Erstern, daß die katholische Kirche ihre volle Existenz und Bedeutung hatte, ehe es einen Protestantismus (im gemeinen Sinne des Wortes) gab, dieser aber, wenn es ihm per absurdam hypothesin gelänge, die Kirche zu vernichten, sich damit selbst vernichtet hätte, und wenn er noch fortbestehen wollte, gegen sich selbst protestiren, und so Negation der Negation, positiv werden, und |Sp. 0938| die Kirche repristiniren müßte, um dann mit seiner protestirenden Thätigkeit á la Sysiphus wieder von vorne zu beginnen.
Nach Schleiermacher läuft man in der protestantischen Kirche Gefahr, über ihrem festen Halten an Christo die Kirche zu verlieren, während die katholische Kirche Gefahr läuft, über der Kirche Christum einzubüßen. Allein in der katholischen Kirche kann, da sie nicht von Christo abstrakt genommen wird, dieser unmöglich verloren werden, in der protestantischen aber kann, da sie Christum zu sehr von der Kirche abstrahirt, diese allerdings leicht, und da Christus nur in seiner Kirche festgehalten wird, Christus selber leicht verloren werden, was auch a posteriori nicht schwer nachzuweisen wäre. Dadurch ist der Protestantismus, eben er, weil er nicht Christum mit all seinen Consequenzen, mit seiner großen bleibenden That der Institution und Constitution der Kirche annimmt.
Eine Rückkehr der protestantischen Confessionen zur katholischen Kirche muß immer als möglich geglaubt werden, da die Trennung in letzter Instanz auf einem Irrthum beruht, zu dessen klarer Einsicht man durch ernste Betrachtung am Ende gelangen muß, und als verhältnißmäßig sehr nahe gehofft werden, da das religiöse, näher: christliche Bewußtseyn wiederum so lebendig geworden ist, von allen Seiten an die Revision des Scheidungsprozesses mit solchem Ernste gegangen wird, die in den symbolischen Büchern der verschiedenen Confessionen niedergelegte Glaubenslehre neuerdings einer strengen, wissenschaftlichen Prüfung unterworfen worden ist. Für die Irenik, welche von aller Symbolik und Polemik als ihr letzter Zweck im Auge behalten werden muß, bleibt immer dieses von der höchsten Wichtigkeit, daß das protestantische Prinzip der abstrakten und unbedingten Denkfreiheit in sich selbst und mit jeder positiven Religion und Kirche nothwendig zerfällt, die Anerkennung des Auctoritätsprinzips aber den Katholizismus implizirt, dieser nur dessen Application und Explication ist; daß die protestantischen Kirchen nach ihrer wirklichen Verfassung dem Prinzip der Auctorität auch keineswegs entgangen, sondern nur einer falschen Anwendung desselben verfallen sind; daß sie die Freiheit, deren Schein sie außerhalb der Kirche suchen, nach ihrer vollen Wahrheit allein innerhalb derselben finden können; weiter dieses, daß so Manches, welchem zu entgehen sie die alte Kirche verließen, in ihrer neuen, nur in einer andern, schlimmern Form, wieder zum Vorschein kommt. So findet sich z. B. für das wahre opus operatum, welches ihnen in der katholischen Kirche ein Gräuel bedünkte, in ihrer Kirche das falsche, nämlich der Erlösung ohne Werke; für das wahre opus operanris welches sie aus der katholischen Kirche zu scheiden bewog, in ihrer Kirche das neue, falsche opus operantis, nämlich des subjektiven Glaubens, womit sie die Schrift deuten, ihre Dogmen wachen, und die Sakramente zu ihrer Wirksamkeit erheben sollen; zu welchen Sonderbarkeiten auch noch dieses kommt, daß die im Namen der Freiheit und Menschheit neu gegründeten Kirchen dem Menschen alle Freiheit und wahre Menschheit, als welche er durch die Erbsünde eingebüßt habe, abgesprochen haben; daß der bekannte Satz der neuern Philosophie, wonach jede Sache ihr Gegentheil an sich hat und in dasselbe umschlägt, in ihrer Kirche auf eine eigens Weise verwirklicht erscheint; da sie, wie gesagt, die Auctorität läugnet und ausübt, die Freiheit begründen will und in Abrede stellt, das Individuum für Alles, und seine Kraft für Nichts erklärt. Daß der Katholizismus eben nur der Offenbarungsglaube, das positive Christenthum mit seiner ganzen Consequenz ist, zwischen ihm und dem Naturalismus keine Wahl ist, hat neulich wiederum Gfrörer bekannt: „Der kath. Glauben ist, wenn man ihm sein erstes Axiom zugibt, das übrigens zuerst nicht Lutheraner, nicht Reformirte, selbst nicht einmal die Anhänger Socin's läugneten, so folgerichtig als die Bücher Euklid's.
... Die ganze römische Religion ist auf den
einen Satz einer übernatürlichen, für das ganze Menschengeschlecht berechneten Offenbarung begründet, die eben, weil sie alle, die gegenwärtigen wie die künftigen, Generationen umfaßt, nie unterbrochen seyn kann, da sonst das erhabene, von einem Gottmenschen gegründete und durch seinen Tod besiegelte Werk, durch Ueberantwortung an bloße Sterbliche, schnell allen Nachtheilen menschlicher Schwäche und Irrthümer ausgesetzt und dadurch vernichtet wäre, was gegen : die Voraussetzung ist. Diese Folgerungen aus dem obersten : Grundsatze sind unabweisbar, und es gibt keinen Artikel der katholischen Dogmatik, welcher nicht aus jenem Prinzipe auf das |Sp. 0939| Bündigste gerechtfertigt werden könnte“Kritische Geschichte des Urchristenthums. Ir Bd. Vorrede S. XV und XVII.
Trennungsfeste, welche noch immer gefeiert werden, nur mit der tiefsten tragischen Erschütterung betrachten können, wobei das Schauerlichste noch dieses ist, daß man selbst mit jenen zur Feier der Trennung sich vereint, welche in Folge derselben bereits allem Glauben an Christus entsagt, denselben als unerträglichen alten Aberglauben verworfen haben.
* Johann Heinrich Jung's, genannt Stilling, sämmtliche Schriften, zum erstenmal vollständig gesammelt und herausgegeben von Verwandten, Freunden und Verehrern des Verewigten, und mit einer Vorrede begleitet von Dr. J. A. Grollmann. Stuttgart, bei Fr. Henne, 1835. Erster Band: Stilling's Lebensgeschichte.
Beurtheilt von Candidat August Boden in Oldenburg.
(Schluß.)
Es klingt etwas wunderlich, wie der gute
Stilling erst im hohen Alter seine wahre (irdische) Bestimmung erkannt zu haben glaubt und S. 577 von „dem merkwürdigen Zeitpunkt“ redet, ,,in welchem Stilling, im drei und sechzigsten Jahre seines Alters, die Entscheidung seines Schicksals erfuhr.“ St. legt sein Amt in Marburg nieder, das ihm nicht länger zusagt, er gibt einen Gehalt von zwölfhundert Thalern im zwanzig Guldenfuß gegen 1200 Gulden Reichscourant auf, und zieht nach Heidelberg, um hier, gemäß der Erlaubniß des Churfürsten von Baden, ,,seinem Grundtrieb, für die Religion zu wirken“, ganz nachzugehen. „Stilling“, heißt es, „fand sich also hoch verpflichtet, dem Ruf zu folgen, denn daß er durch seine Augenkuren, und vorzüglich durch seine (relig.) Schriftstellerei, unendlich mehr Nutzen stiftet, als durch sein academ. Lehramt, das ist gar keinem Zweifel unterworfen, und eben jene Fächer machten seinen ganzen Beruf aus, wenn er die Baden'sche Vocation annahm; es war also durchaus Pflicht, den Ruf anzunehmen, vorzüglich da noch mit der Zeit Besoldungsvermehrung, und zwar von einem Herrn versprochen wurde, der gewiß hält, was er verspricht.“ Stilling bemerkt, „daß er durch die langwierige vieljährige Zucht der Gnade von allen Sophistereien gereinigt sey.“ Er gibt noch andere Gründe an, und fügt hinzu: „Diese Ueberzeugungen alle bestimmten Beide (St. und seine Frau) den Ruf in Gottes Namen anzunehmen; um jedoch alles zu thun, was gethan werden konnte, und sich vorwurfsfrei zu erhalten (St. hatte eine starke Familie, und vertauschte, wie schon angegeben, einen großen Gehalt gegen einen kleinen) schrieb Stilling an den Churfürsten von Baden, und bat, wo möglich, noch um eine Zulage an Naturalbesoldung.“ Alsdann heißt es: „Jetzt, lieben Leser! War |Sp. 0940| nun auch die große Frage über Stilling's eigentliche und endliche Bestimmung entschieden, und der zweite größte Knoten seiner wunderbaren Fügung gelös't — jetzt kann man nicht mehr sagen, sein Glauben und sein Vertrau'n auf Jesum Christum und seine (Jesu Christi) Weltregierung sey Schwärmerei und Aberglauben.“ „Im Gegentheil“, fährt St. fort, „der Erlöser hat sich selbst und den Glauben seines Knechts herrlich und augenscheinlich legitimirt, und zum Beweis, daß ihm Stilling's Entschluß wohlgefällig sey, gab er ihm noch folgendes herrliche Zeichen seines gnädigen Beifalls. Mehr als 50 Meilen von Marburg entfernt lebt eine Dame, die von Stilling's gegenwärtiger Lage und Bedürfnissen nicht das Allergeringste wußte, der er aber durch seine Schriften bekannt war; diese fühlt sich in ihrem Gemüth angeregt, Stillingen 20 Louisd'or zu schicken. Sie folgte dieser Anregung einfältig und im Glauben, packte die 20 Louisd'or ein und schrieb dann dabei: sie habe einen Trieb in sich gespürt, ihm das Geld zu schicken, er werde nun wohl wissen, es zu gebrauchen, und wozu es dienen solle“ u. s. w. Die Dame hatte wohl gehofft, daß ihr Geld, wenn sie es einem solchen Gottesmanne schickte, Gott wohlgefälliger verwendet würde, als durch sie selbst; ohne Zweifel hatte sie sich nicht vorgestellt, daß ein so gut besoldeter Professor, wie Stilling, das Geld in seine eigene Tasche stecken würde. Er ruft aber ohne Bedenken und Scrupel aus: „Guter Gott! welch' eine Führung, wenn man sie mit ungetrübtem Auge und unparteiisch betrachtet! Hätte Einer von allen bisherigen Zügen der Vorsehung gefehlt, so wäre es nicht möglich gewesen, diese Vocation anzunehmen.— Gelobt sey der Herr! Er ist noch der alte Bibelgott — Ja! Es heißt mit Recht: Ich bin, der ich war und seyn werde, immer der Nämliche; Jesus Christus gestern, heute und derselbe in Ewigkeit.“ S. 584 heißt es: „Wenn meine Geschichte in ihrem ganzen Umfang wahr ist, so entstehen Resultate daraus, die sich wohl die wenigsten Leser vorstellen, die mehrsten aber nicht von Ferne ahnen können.“ Sonderbare Resultate, die die Mehrsten nicht von Ferne ahnen können! Gleichwohl will er „diese Folgerungen mit vernunftmäßiger logischer Richtigkeit entwickeln und darstellen.“ Stilling ist nun in seiner Logik, wie in seinem Leben, ein Auserwählter Gottes, und also fehlt es ihm allerdings nicht an Folgerichtigkeit. „Ob ich“, sagt Stilling u. a., „auch nur auf die entfernteste Art zu irgend Einem meiner entscheidenden Schicksale auch nur das Geringste planmäßig beigetragen habe? das ist eine Frage, worauf hier Alles ankommt, denn, kann ich beweisen, daß das nicht der Fall ist, so entstehen Folgen daraus, die in's Große und Ganze gehen, und von der äußersten Wichtigkeit für unsere Zeitgenossen sind.“ Welche, wenn auch fromme, Anmaßung! „Folgt nun nicht aus dem Allen“, heißt es S. 600, „daß mein religiöses Lehrsystem, welches kein anderes ist, als dasjenige, welches Christus und seine Apostel, und nachher alle rechtgläubigen Kirchenväter alle Jahrhunderte hindurch gelehrt haben, wahr, und abermals durch meine Führung legitimirt worden sey?“ „Indessen“, heißt es S. 601, „bin ich mir vor Gott mit der vollkommensten Aufrichtigkeit bewußt, daß keine meiner religiösen Ideen durch mühsames Nachdenken entstanden e.t.c.“ S. 202 kommen zwei Bemerkungen vor, die eine heißt: „Die Sittenlehre Christi sey schon in allen ihren Punkten im A. T. enthalten, und sogar von Heiden fast vollkommen gelehrt worden.“ Er setzt hinzu: sie sey (auch bei den Heiden?) eine natürliche Folge des Erlösungsgeschäfts, aber ohne dieses nicht Gottgefällig auszuüben möglich. Er mußte nach dem Vorhergegangenen vielmehr sagen: Sie (die Sittenlehre Christi) sey zwar keine Folge des Erlösungsgeschäfts, aber ohne dieses nicht Gottgefällig auszuüben möglich. Die zweite Bemerkung ist: „Gott will und muß in Jesu Christo, in seinem Namen, das ist: in seiner Person, angebetet werden. Gott außer Christo ist ein metaphysisches Unding, das sich die kühne Vernunft von der Idee eines höchst vollkommenen Menschen abstrahirt hat.“ Was das Letzte betrifft, so könnte man gerade Jung-Stilling, unter dem Schutz der neuen Theologie, einen Gott vorwerfen, den sich seine kühne Vernunft von der Idee eines höchst vollkommenen Menschen abstrahirt habe.Druckfehler: In der vorigen Nummer fehlen in dieser Rezension oft die Anführungszeichen, so daß die Worte des Rezensenten mit den Worten des beurtheilten Buchs vermischt erscheinen.
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Israelitische Abteilung.
שוּרַם הַדִּין Schurath haddin, oder Anweisung zur Regulirung des israelitisch religiösen Lebens durch die Scheidung der talmudischen Interpretation von den talmudischen Erschwerungen. Von Dr. M. Creizenach. Frankfurt bei Andreä. 1837.
Dieses Werk bildet den zweiten Theil zu des Verfassers 1833 unter dem Titel:
שֻלְחָן עָרוּךּ Schulchan aruch, oder encyclopädische Darstellung des mosaischen Gesetzes, wie es durch die rabbinischen Satzungen sich ausgebildet hat, mit Hinweisung auf die Reformen, welche durch die Zeit nützlich und möglich geworden sind. Zweiter Theil, welcher zeigt, wie durch Beibehaltung der talmudischen Erschwerungen der Streit zwischen der Lehre und dem Leben sich ausgleichen läßt, und mit dem besondern Titel Tarjag erschienenen Werke. Von Dr. M. Creizenach.
Wir begnügen uns, da das Verhältniß des Hrn. Verf. zu der Redaction der isr. Abtheilung und zu unserm Blatte überhaupt keine völlig unbefangene Beurtheilung gestattet, auf diese Schrift hier aufmerksam zu machen, und deren Standpunkt mit des Hrn. Verf. eigenen Worten aus der Vorrede genügend zu bezeichnen.
Es soll den isr. Gemeinden gezeigt werden, auf welche Weise es immer noch möglich ist, die Religion aus der dringenden Gefahr zu retten, in welche sie durch die beklagenswerthesten Verirrungen gerathen ist. Es werde hier kein besonderer Stand, keine besondere Klasse des Volkes angeklagt — wir haben alle gefehlt. Rabbinen, Gemeindevorsteher, Vokslehrer, Schriftsteller, alle haben wir aus übermäßiger Aengstlichkeit, oder aus Kaltsinn, oder aus zu weit getriebenem Rationalismus, oder weil wir die Zeit und ihre Zeichen nicht verstanden haben, es mit unsrer Religion dahin kommen lassen, daß sie mit dem Leben in einem feindseligen Zwiespalt steht, und gerade dem lebenskräftigsten Theil ihrer Bekenner, der Jugend, den Gelehrten, den gebildeten Geschäftsmännern nur durch die Leiden fühlbar wird, die sie ihnen zuzieht, und die Kämpfe, in welche sie verwickelt. In diesem Zustand kann die Religion den Seelen keinen Frieden geben, weil die Meisten in der Vorstellung leben, daß sie mit ihr gebrochen haben, sie kann den Sitten der aufblühenden Jugend nicht zur Stütze dienen, weil die Jugend, durch Beispiel und den Drang des Lebens, die verderbliche Fertigkeit erhält, sich über ihre Forderungen keck wegzusetzen; sie kann dem Familienleben keine Weihe und keine Innigkeit verleihen, weil der Enkel bespöttelt, was die Großeltern mit Andacht und Ehrfurcht ausüben; sie beruhigt die Eltern nicht über das ewige Heil ihrer Kinder, weil die Anstalten zur religiösen Erziehung, der öffentliche Gottesdienst und die Schulen, der Form und den ertheilten Anregungen nach, mit dem häuslichen Leben oft einen grellen Contrast bilden. Rabbinen und Lehrer müssen, wenn sie ihr Interesse wahren und den Forderungen nachgeben wollen, welche eine falsche Klugheit an sie richtet, entweder in einem doppelten Sinne heucheln, oder eine feige und thatlose Neutralität behaupten, die ihnen ihr hoher Beruf untersagt.
Wohin aber die Vernunft den nicht theologisch-gebildeten Israeliten führe, wenn er ohne weitere Belehrung, über den heutigen Zustand unsrer Religionsformen mit einigem Ernste nachdenkt, dieß hat uns die Erfahrung bereits gelehrt. Man nimmt deutlich wahr, daß die zahllosen Verpflichtungen, welche dem Israeliten auferlegt werden, nicht alle aus Gottes Wort sich herleiten lassen, und daß im Lauf der Zeiten viele Menschen sich eine ihnen nicht gebührende Herrschaft über die Gewissen der Glaubensbekenner angemaßt haben. Man möchte gern dem göttlichen Gebote mit Treue und Gehorsam nachleben, alle Menschensatzungen aber einer erlaubten und sogar pflichtmäßigen Prüfung unterwerfen; man fühlt sich aber durch die großen Schwierigkeiten entmuthigt, welche mit einem solchen Geschäfte verbunden sind. |Sp. 0942| Wie ist es demjenigen, der sich nicht das Studium des Gesetzes zum Lebensberuf gemacht hat, nur im Entfernsten möglich, bei jedem einzelnen Gebote zu unterscheiden, was Gott verordnet hat, und was Menschen hinzugefügt haben?
Der reine Mosaismus aber bietet in allen seinen Theilen keinen sichern Haltpunkt dar, weil er zu keiner Zeit in Ausübung gewesen ist. Gestehen wir es, daß in der eigentlichen Interpretation der Gesetze der Talmud allein dem orthodoxen Israeliten als Führer dienen kann. Daß er in seiner freien Exegese, so wie in seinen moralischen, philosophischen, historischen und naturwissenschaftlichen Aeußerungen nichts enthalte, was den Geist und Willen des Israeliten bindet, haben schon die berühmtesten Schriftgelehrten der frühem Jahrhunderte anerkannt; im Ritualfache hingegen kann man auf keine Weise leichter eine Gränze ziehen zwischen dem, was beizubehalten, und dem, was aufzugeben ist, als wenn man die im Talmud allgemein als richtig anerkannten Interpretationen zur Basis nimmt; die Erschwerungen aber, welche der Talmud eingeführt hat, nur dann beobachtet, wenn sie im Leben nicht allzu lästig und dem Israeliten in der Ausübung der verschiedenen Berufs- und Erwerbszweige nicht hinderlich sind. Diese Gränzlinie scheint geeignet zu seyn, das Gewissen aller orthodoxen Israeliten, die nicht jedem freien Gebrauch ihrer eignen Geisteskräfte entsagt haben, vollkommen zu befriedigen, und daß sie gar viele Verfügungen ausscheidet, welche das religiöse Leben des Israeliten hart erschweren, wird sich in dieser Schrift zeigen, die keinen andern Zweck hat, als diese Gränzlinie für alle in unsern Zeiten noch anwendbare Gebote und Verbote anzugeben, und so eine nöthige Ergänzung zum Thariag bildet, in welchem die talmudische Interpretation der freien Auslegung gegenübergestellt wurde.
Anzeigen.
(54) So eben ist erschienen und an alle verehrlichen Abnehmer des 1. und 2. Bandes unberechnet versandt:
Pilgerreise nach Jerusalem und auf den Berg Sinai, in den Jahren 1831, 1832 und 1833; unternommen von dem ehrwürdigen Vater Maria Joseph von Geramb, vom Orden der Trappisten. Aus dem Französischen, im Einverständnisse mit dem Verfasser. Dritter und letzter Theil. Mit der Reisekarte von Syrien und Aegypten. Gr. 12. In Umschlag broschirt.
Preis aller drei Theile mit 3 Abbildungen und einer Karte 3 fl. 12 kr. rheinisch oder 2 Thaler preußisch.
So ist nun dieses vortreffliche Werk in dieser vollständigen, schönen, wohlfeilen Uebersetzung zum Eingenthume Deutschlands gemacht, zur Freude aller der Guten, denen christlich-erbauende und zugleich belehrende Lektüre Bedürfniß ist. Es ist zu einem wahren Familienbuche geeignet, welches in den Stunden der Ruhe und Erholung an Sonn- und Feiertagen vorgelese zu werden verdient, und gleichsam eine Erläuterung der biblischen Geschichte bildet, die Alter und Jugend fesseln und erbauen wird.
Alle drei Bände sind fortwährend in allen guten Buchhandlungen zu haben.
Augsburg, den 24 Juni 1837.
K. Kollmmann'sche Buchhandlung.
Buchhandlung: F. Varrentrapp. – Herausgeber: Dr. J. V. Hoeninghaus. — Druckerei: Heller und Rohm. Maschinendruck