Gesundheits-Apps

Viviane Scherenberg

(letzte Aktualisierung am 28.01.2022)

Zitierhinweis: Scherenberg, V. (2022). Gesundheits-Apps. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i158-1.0

Zusammenfassung

Gesundheits-Apps können – je nach Anwendungsfeld − in Gesundheitsförderungs-, Präventions- und Medizin-Apps unterteilt werden. Eine weitere Differenzierung ergibt sich dahingehend, ob diese von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanziert („App auf Rezept“) oder welche Methoden (z. B. Dokumentation) innerhalb der App angewendet werden (z. B. Tracking-Apps). Die Qualitätssicherung und -transparenz kann angesichts der zunehmenden Verbreitung von Gesundheits-Apps durch unterschiedliche Maßnahmen (Gütesiegel, Nachweispflicht des gesundheitlichen Nutzens etc.) erhöht werden.

Schlagworte

Gesundheits-Apps, Präventions-Apps, Medizin-Apps, digitale Gesundheitsanwendungen, ePublic Health


Die Nachfrage nach Gesundheits-Apps steigt mit zunehmender Marktverbreitung und Akzeptanz digitaler Medien sowohl auf Seiten der Nutzerinnen und Nutzer als auch auf Seiten der Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen. Schon heute sind Gesundheits-Apps aus dem Repertoire der (digitalen) Prävention und Gesundheitsförderung (bzw. ePublic Health) (Digitalisierung in der Prävention und Gesundheitsförderung) nicht mehr wegzudenken. Dabei wird der Begriff „Gesundheits-Apps“ häufig allumfassend genutzt.

Nicht nur aus (zulassungs-)rechtlichen Gründen ist eine stärkere Differenzierung notwendig, denn Gesundheits-Apps unterscheiden sich stark hinsichtlich ihrer Anwendungsfelder und den eingesetzten Instrumentarien. Gesundheits-Apps können grob differenziert werden in Gesundheitsförderungs-Apps, Präventions-Apps und Medizin-Apps, die der Unterstützung einer Krankheitsbehandlung dienen. Unter Präventions-Apps können hingegen Apps subsumiert werden, die sowohl auf kollektiver Ebene der Kontrolle und Eindämmung eines Infektionsgeschehens dienen (z. B. Corona-Warn-Apps) als auch auf individueller Ebene Krankheiten verhindern sollen (z. B. Bewegungs-Apps). Gesundheitsförderungs-Apps wiederum stellen auf die Stärkung der Gesundheitsressourcen und -potenziale von Menschen ab (z. B. Apps zur Steigerung von Lebenskompetenzen).

Wie bei klassischen Präventionsinterventionen ist eine Unterscheidung zwischen Gesundheitsförderung und Prävention auch bei digitalen Präventionsinterventionen in der Praxis kaum möglich, da es sich um komplementäre Strategien zur Erhaltung der Gesundheit handelt, die sich ergänzen. Zusammengefasst werden Gesundheits-Apps sowohl nach dem Anwendungsfeld als auch danach, ob und welche spezifischen Prüfverfahren digitale Gesundheitsanwendungen und damit Gesundheits-Apps vor Markteintritt bzw. als Grundlage der Kostenübernahme durchlaufen müssen. Auf diese rechtlichen und qualitätsbezogenen Aspekte sowie die Anwendungsfelder der unterschiedlichen Gesundheits-Apps wird dieser Beitrag näher eingehen.

Emoticon

Emoticons (z. B. Smileys) werden verwendet, um emotionale Gefühlszustände im digitalen Raum darzustellen.

Hearables

Hearables sind Ohrhörer, die zum Aktivitätstracking, zur mobilen Kommunikation etc. via Bluetooth-Technologie mit dem Smartphone verbunden sind.

Lifelogging

Lifelogging stellt die Lebensprotokollierung und digitale Selbstvermessung von eigenen Daten oder Daten Dritter des alltäglichen Lebens dar.

Mood-Tracking

Mood-Tracking bezeichnet die digitale Aufzeichnung emotionaler Gefühlszustände.

Self-Tracking

Self-Tracking oder Selbstdokumentation stellt die Protokollierung eigener z. B. verhaltensbezogener Daten dar.

Wearables

Als Wearables werden elektronische Geräte (z. B. Fitness-Tracker) bezeichnet, die via Bluetooth-Technologie mit Apps verbunden sind.

Web-App

Eine Web-App ist eine Applikation, die plattformunabhängig von jedem Smartphone, Tablet, Laptop etc. über einen Browser genutzt werden kann.

Textbox: Glossar

 

Präventive Anwendungsfelder

Gesundheits-Apps können sowohl universell, selektiv als auch indiziert ausgerichtet werden. Entsprechend können sich Gesundheits-Apps vorbeugend und kompetenzstärkend an Menschen ohne Risikofaktoren (Primärprävention, Gesundheitsförderung) oder an Hochrisikogruppen (schwere COPD, Diabetes mellitus, Krebserkrankungen etc.) richten, bei denen gesundheitliche Risikofaktoren vorliegen (Sekundärprävention) oder sich bereits eine Erkrankung manifestiert hat (Tertiärprävention) (Prävention und Krankheitsprävention) (Leppin, 2004, S. 32; Walter, Schwartz, Robra & Schmidt, 2008, S. 199).

Gesundheits-Apps, die auf eine „High-Risk“-Strategie (bzw. Hochrisikopersonenstrategie) ausgerichtet sind und auf die spezifischen Bedürfnisse, Ängste und Hoffnungen von Risikozielgruppen eingehen, sind vorsorgend, frühbehandelnd und schadensminimierend (bzw. rückfallpräventiv). Solche Apps zielen beispielsweise auf die Steigerung der Compliance und die Befähigung des Krankheits- bzw. Selbstmanagements ab (Schay & Sichau, 2013, S. 44).

Das „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“ (kurz digitales Versorgungsgesetz, DVG) und die damit verbundene Einführung des DiGA-Verzeichnisses (https://diga.bfarm.de) hat zu einem Innovations- und Entwicklungsschub von Gesundheits-Apps beigetragen. In das DiGA-Verzeichnis aufgenommen werden alle digitalen Gesundheitsanwendungen (sogenannte DiGAs), die durch eine herstellerunabhängige Institution (bzw. Universität, Forschungsinstitut) einen positiven Versorgungseffekt nachweisen können. Gesundheits-Apps können für 12 Monate auf Probe aufgenommen werden, wenn angesichts eingereichter Erprobungsergebnisse eine spätere Nachweisführung als wahrscheinlich angenommen wird (BMG, 2019, S. 15).

Sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dürfen eine im DiGA-Verzeichnis aufgenommene digitale Gesundheitsanwendung (sogenannte „Apps auf Rezept“) verordnen. Zudem ist es gesetzlich Versicherten möglich, bei Vorlage des Nachweises einer Indikation eine DiGA ohne ärztliche Verordnung zu erhalten. Die Kosten für DiGAs tragen die gesetzlichen Krankenkassen. In das DiGA-Verzeichnis aufgenommen werden können sowohl Präventions-Apps als auch Medizin-Apps mit CE-Kennzeichnung.

Medizinische Apps

Medizin-Apps mit CE-Kennzeichnung müssen „grundlegende Anforderungen“ nach 93/42/EWG erfüllen und ein Konformitätsbewertungsverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) durchlaufen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die CE-Kennzeichnung nicht mit einer Nutzenevaluation verbunden ist (Gießelmann, 2018, S. A538), da das Konformitätsbewertungsverfahren als Voraussetzung für das Aufbringen des CE-Kennzeichens auf der Basis von Selbstangaben (App-Beschreibung, Beschreibung innerhalb der App) erfolgt. Bestandteil der Prüfung sind Aspekte, die sich auf die Sicherheit, die Funktionstauglichkeit, die Qualität, die Datensicherheit und den Datenschutz des jeweiligen Medizinprodukts beziehen. Zur Erleichterung der Unterscheidung von Medizin-Apps und Gesundheitsförderungs- bzw. Präventions-Apps hat das BfArM die „Orientierungshilfe Medical Apps“ für App-Anbieter entwickelt, die eine genauere Einschätzung der möglichen medizinischen Zweckbestimmung ermöglicht (BfArM, 2019). Medizinprodukte und damit Medizin-Apps müssen laut § 3 (1) MPG (Medizinprodukte-Gesetz) einen der folgenden Zwecke erfüllen:

  • Erkennen, Verhüten, Überwachen, Behandeln oder Lindern von Krankheiten.
  • Erkennen, Überwachen, Behandeln, Lindern oder Kompensieren von Verletzungen oder Behinderungen.
  • Untersuchung, Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs.
  • Empfängnisregelung.

Die aufgelisteten medizinischen Zweckbestimmungen verdeutlichen, dass die Grenzen zwischen Apps zur Tertiärprävention (z. B. chronischen Erkrankungen) und Medizin-Apps oft fließend sind. Werden die Funktionen der App mit den Begriffen „alarmieren“, „analysieren“, „berechnen“, „detektieren“, „diagnostizieren“, „interpretieren“, „konvertieren“, „messen“, „steuern“, „überwachen“ oder „verstärken“ beschrieben, so werden sie eher Medizin-Apps zugeordnet (BfArM, 2019).

Gemäß der europäischen Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation, kurz MDR) stellen Apps ohne medizinische Zweckbestimmung Präventions-Apps Apps dar, „die für Zwecke in den Bereichen Lebensstil und Wohlbefinden eingesetzt“ werden (MDR, Vorwort, S. 19). Damit Gesundheits-Apps, unabhängig ob Präventions- und Medizin-Apps (z. B. zur Tertiärprävention), ihren jeweiligen Zweck erfüllen können, werden unterschiedliche Methoden eingesetzt, die in der Tabelle 1 exemplarisch aufgelistet sind.

Ziel

Methodische Beispiele

Information und Aufklärung

 
  • Informationen zum Thema Bewegung, Ernährung, AIDS etc.
  • Individuelle Arzt-Patienten-Gespräche und -Chats zum Thema Rauchen
 

Beratung

 
  • Digitale Drogen- und Suchtberatung
  • Digitale Beratung von Personen in Krisensituationen
 

Verhaltens- und
Selbstmanagementtraining

 
  • Stressbewältigungsprogramme, schulische Kompetenzförderungsprogramme (Umgang mit Cybermobbing etc.), Online-Sportkurse per Video
  • Patientenschulungen (Diabetes etc.)
 

Dokumentation

 
  • Automatische Quantifizierung von Schritten, Blutdruck etc.
  • Digitale Tagebücher
 

Motivation

 
  • Digitale Challenges
  • Auszeichnungen
 

Erinnerung

 
  • Vorsorge-Planer
  • Erinnerungsbotschaften zur Verhaltensermutigung (z. B. Push-Nachrichten)
 

Tab. 1: Methoden der digitalen Prävention (eigene Darstellung in Anlehnung an Leppin, 2010, S. 40)

 

Self-Tracking als wesentlicher Bestandteil von Gesundheits-Apps

Insbesondere die Dokumentation von menschlichen Verhaltensweisen mithilfe von Gesundheits-Apps hat eine besondere Bedeutung. Dabei wird die digitale Form der Aufzeichnung und Analyse von menschlichem Verhalten unter den Begriffen „Self-Tracking“, „Quantified Self“ und „Lifelogging“ (zu deutsch: „Lebensprotokollierung“) zusammengefasst (Selke, 2016, S. 1). Diese Methode zur Selbstreflektion ist nicht neu. Neu ist, dass Apps und Wearables (z. B. Fitness-Tracker) Verhaltensweisen automatisiert und permanent aufzeichnen, während verhaltensbezogene Daten in der Vergangenheit händisch bzw. manuell (z. B. Tagebücher, Protokolle) erhoben wurden. Dabei zielen sogenannte Tracking-Apps durch die systematische Datendokumentation und -analyse darauf ab, Nutzerinnen und Nutzer zu informieren und ihnen ermutigende Anreize zur gesundheitlichen Verhaltensänderung (z. B. mithilfe von Push-Nachrichten) zu geben.

Die Erhebung der Daten beschränkt sich dabei nicht nur auf Verhaltensweisen der direkten Nutzerinnen und Nutzer (z. B. Bewegungs-, Schlaf- oder Essverhalten), sondern auch auf Verhaltensweisen Dritter (z. B. Apps für Eltern zur Schreianalyse von Säuglingen). Beziehen können sich die Verhaltensweisen auf emotionale und körperliche Zustände, Körperleistungen sowie reine Verhaltensweisen (z. B. Trainings).

Wie Tabelle 2 verdeutlicht, kann beim Tracking unterschieden werden zwischen 1.) der manuellen Erfassung von Daten, Bildern und Texten („Active Tracking“) und 2.) der automatischen Erfassung von Zuständen, Daten oder der manuellen Erfassung von Verhaltensweisen („Passive Tracking“) (Bode & Kristensen, 2015, S. 121).

Dimensionen

Automatische Aufzeichnung von Daten
(= Passiv Tracking)

Manuelle Aufzeichnung von Daten
(= Active Tracking)

Emotionale Zustände

Objektiver Stresslevel, Atemmuster etc.

Subjektiv wahrgenommener Stress, Gefühle, Emotionen, Stimmungen, Gewohnheiten etc.

Körperliche Zustände

Herzfrequenz, Blutdruck, Blutzucker, Sauerstoffaufnahme (VO2), Schlafdauer und -phasen, Kalorienverbrauch, Gewicht, BMI, Fettanteil, Körperhaltung etc.

Kopfschmerzen, Migräne-/Allergieanfälle, subjektive Schlafqualität, Taillenumfang, Menstruationszyklus, Stuhlgang etc.

Körper-leistungen

Schritte, Dauer und Strecke von Lauf- und Fahrradrouten, durchgeführte Fitness-Übungen, Fitnessalter etc.

Subjektive Selbsteinschätzung der körperlichen Leistung(ssteigerung)/Produktivität etc.

Verhaltens-weisen

Bewegungsverhalten (Schwimmen, Laufen, Gehen etc.), Smartphone-Nutzung etc.

Ernährungs-, Trink- und Rauchverhalten, Alkoholkonsum, Medikamenteneinnahme etc.

Tab. 2: Beispiele für Self-Tracking (Scherenberg, 2019a, S. 477)

 

Die spezifische Erfassung von emotionalen Zuständen und Stimmungen z. B. mithilfe von Wertungen auf Stimmungsskalen oder Emoticons wird unter dem Begriff „Mood-Tracking“ subsumiert (Pritz, 2016, S. 132f.). Dabei beschränken sich die digitalen Stimmungsbarometer nicht nur auf das Sichtbarmachen aktueller emotionaler Stimmungen, sondern sie ermöglichen auch eine grafische Darstellung von Stimmungsveränderungen im Zeitverlauf.

Genutzt wird Mood-Tracking, um Zusammenhänge zwischen Stress und Gesundheit zu reflektieren (Fröhlich, 2019, S. 220) und so durch Verhaltensänderungen Stress zu reduzieren (Stress und Stressbewältigung). Dabei wird das Stresslevel subjektiv mithilfe der manuellen und temporären Eingabe von emotionellen Gefühlslagen oder objektiv mittels automatischer und permanenter Messungen (Herzfrequenzrate etc.) durch Smartphones und Wearables vorgenommen (Scherenberg & Erhart, 2020, S. 262 f.).

Dabei kann Self-Tracking via Wearables (z. B. Fitnessarmbänder, Blutzuckermessgeräte, digitale Körperanalysewaagen und Zahnbürsten) oder Hearables (z. B. Kopfhörer mit Pulsmessung) sowohl einen positiven als auch einen negativen Einfluss auf die Körperwahrnehmung ausüben. Während für Befürworter die Körperwahrnehmung geschärft wird (Pritz, 2016, S. 143), bezweifeln Kritiker, dass eine reine Interpretation wiederkehrender Datenmuster die Körperwahrnehmung tatsächlich beeinflussen kann (Feuchter, 2015, S. 244).

Qualitätssicherung von Gesundheits-Apps

Werden Gesundheits-Apps entwickelt, müssen gesundheitliche, didaktische sowie technische Aspekte berücksichtigt werden. Um zu ergründen, welcher gesundheitliche Nutzen von ihnen ausgehen kann, bedarf es der Betrachtung der Qualitätsdimensionen (Kontext-, Input-, Durchführungs- und Ergebnisqualität) (Ehlers, 2011, S. 74 ff.) und damit der Ursachen-Wirkungs-Kette. Der Erfolg von Gesundheits-Apps wird durch die „Ergebnisqualität“ und damit nach den Wirkungen und der Wirksamkeit sichtbar, die durch entsprechende Evaluationen zu erheben sind.

Tabelle 3 verdeutlicht die Abhängigkeit und Bedeutung der einzelnen Qualitätsdimensionen, die vor, während und nach einer Intervention vom App-Anbieter sichergestellt werden sollten. Dies ist von Bedeutung, da bei (digitalen) Präventionsprojekten oft interventionstheoretische Grundlagen (z. B. gesundheitspsychologische Modelle zur Verhaltensänderung und Rückfallprophylaxe, medizinische Leitlinien) unzureichend berücksichtigt werden und so anvisierte Qualitätsziele (Output, Outcome etc.) nicht erreicht werden (Dadaczynski, Baumgarten & Hartmann, 2016, S. 218). Die Berücksichtigung der einzelnen Qualitätsdimensionen ist sowohl für die Entwicklung als auch für die Evaluation von Gesundheits-Apps entscheidend.

Qualitätsdimension und Beispiele

Kontext- und Inputqualität: Welche organisatorischen und programmbezogenen Voraussetzungen müssen geschaffen bzw. welche Ressourcen bereitgestellt/berücksichtigt werden, damit die Gesundheits-App unmittelbar/langfristig Wirkungen erzeugt?

 

Beispiele:

 
  • Entwicklung durch ein qualifiziertes Expertenteam (Informatik, Prävention etc.)
  • Berücksichtigung der technischen Ausstattung der Nutzerinnen und Nutzer
  • Berücksichtigung von Bedürfnissen (z. B. Integration Risikogruppen)
 

Prozess- und Durchführungsqualität: Wie muss die Gesundheits-Apps beschaffen sein, um unmittelbar/langfristig Wirkungen bei den Nutzerinnen und Nutzern zu erzeugen?

 

Beispiele:

 
  • Form und Art der vermittelten (relevanten) Inhalte (z. B. Videos, Podcast)
  • Integration von didaktischen Methoden (Lernkonzept)
  • Integration von Motivationskomponenten
 

Ergebnisqualität: Welche Wirkungen hat die Gesundheits-App auf die Nutzerinnen und Nutzer und wie hoch ist die Wirksamkeit der Gesundheits-App?

Qutcomequalität: Welche unmittelbaren Ergebnisse hat die Gesundheits-App auf die Nutzerinnen und Nutzer?

 

Beispiele:

 
  • Erreichungsgrad der potenziellen Zielgruppe
  • Persönlicher Nutzengrad/Akzeptanz der Gesundheits-App
  • Nutzung der Gesundheits-App
 

Outputqualität: Welche langfristige Wirkung übt die Gesundheits-App auf die Nutzerinnen und Nutzer aus?

 

Beispiele:

 
  • Wirkung auf das Wissen/die Einstellung der Nutzerinnen und Nutzer
  • Wirkung auf das Gesundheitsverhalten
  • Wirkung auf den Gesundheitszustand
 

Tab. 3: Qualitätsdimensionen von Präventionsinterventionen (Scherenberg, 2015, S. 146, in Anlehnung an Ehlers, 2011, S. 74 ff.)

 

Die Qualitätssicherung stellt bei Gesundheits-Apps eine besondere Herausforderung dar. Bereits 2016 wies die WHO in ihrem Survey „Global diffusion of eHealth“ darauf hin, dass nur 25 Länder über eine zentrale Stelle verfügen, die für die regulatorische Überwachung mobiler Gesundheitsanwendungen in Bezug auf deren Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit zuständig sind (WHO, 2016, S. 42).

Eine zusätzliche Sicherheit sollte die Einführung der EU-Medizinprodukte-Klassifizierung aus dem Jahr 2020 bringen, mit der die Risikoklassen der CE-Kennzeichnung verschärft wurden. Seither fallen Gesundheits-Apps, die Prognosen (z. B. Eisprung- und Zykluskalender-Apps) abgeben, ebenfalls unter das Medizinproduktegesetz (MPG) (Europäisches Parlament & Europäischer Rat, 2017).

Die Unübersichtlichkeit des Marktes stellt für Nutzerinnen und Nutzer indes eine große Herausforderung dar, die mit Hilfe einer höheren Qualitätstransparenz aufgefangen werden soll.

Qualitätstransparenz von Gesundheits-Apps

Qualitätstransparenz kann sich sowohl auf die Transparenz einer zugrundeliegenden Evidenz (z. B. allgemein oder spezifisch bezogen auf die Gesundheits-App durchgeführte empirische Nutzenweise) als auch auf die Sichtbarmachung extern durchgeführter Prüfverfahren beziehen. Eine solche Qualitätstransparenz stellt eine wichtige Voraussetzung dafür dar, ob Gesundheits-Apps von Nutzerinnen und Nutzern sowie Multiplikatoren und Multiplikatorinnen (z. B. Ärztinnen und Ärzte) akzeptiert, nachgefragt und genutzt werden.

Mit der zunehmenden Verbreitung von Gesundheits-Apps steigt die Forderung nach Evidenznachweisen. Doch die Qualitätstransparenz ist vor einige Hürden gestellt, da Gesundheits-Apps sowohl von national als auch international agierenden Institutionen entwickelt und in App-Stores weltweit zur Verfügung gestellt werden.

Ein Mittel, mit dem versucht wird, die Qualitätssicherung und Qualitätstransparenz zu erhöhen, sind Qualitätskennzeichnungen. Dabei können diese grob in drei Gruppen Gütesiegel, Prüfkennzeichnungen und Test-Labels unterteilt werden. Einen exemplarischen Überblick über die Vielzahl existierender Qualitätskennzeichnungen für Gesundheits-Apps nationaler und internationaler Interessenverbände, medizinischer Fachgesellschaften oder privatwirtschaftlicher Institutionen zeigt Tabelle 4. Hier wird deutlich, dass verschiedene Qualitätsziele verfolgt werden bzw. ihnen unterschiedliche Prüfkriterien zugrunde liegen.

Fokus Prüfgegenstand

Label-Art: Gütesiegel

Datenschutz und Datensicherheit

Apps: ePrivacyApp-Siegel (ePrivacy GmbH, Hamburg), Trusted-Apps-Siegel (mediaTest digital GmbH und TÜV Nord GmbH), Quality-App (mediaTest digital), EuroPriSe-Seal (EuroPriSe GmbH, Bonn), Secure-App-Siegel (Weka Media Publishing GmbH), CheckYourApp (MIASEC GmbH)
Zielgruppenspezifische Apps: kidsSAFE Seal (Samet Privacy, LLC)

Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit

Apps: Geprüfte App (TÜV Saarland), Software-Prüfzeichen (TÜV SÜD)

Qualitätsbezogene Transparenzkriterien (Impressum) und inhaltliche Aspekte

Gesundheits-Apps: HealthOn-Siegel (sanawork GmbH), AppSaludable Quality Seal (Andalusian Agency for Healthcare Quality), Certifée mHealth Quality (DMD Santé Paris)
Spezifische Gesundheits-Apps: Diabetes-Apps: DiaDigital-Siegel (diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe), Medizin-Apps: Qualitätsprodukt-Internetmedizin (Bundesverband Internetmedizin)
Gesundheitsbezogene Web-Seiten bzw. Web-Apps: HON-Siegel (Stiftung Health On the Net), afgis-Siegel (Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem; afgis) e.V.), Geprüfte Website (Stiftung Gesundheit)

Fokus Prüfgegenstand

Label-Art: Test-Label

Funktionalität, Benutzer-freundlichkeit, Datenschutz, inhaltliche Aspekte

Apps: Mobil sicher (iRights e.V.) (Fokus: Datenschutz/-sicherheit)
Spezifische Gesundheits-Apps: test-Qualitätsurteil (Stiftung Warentest, z. B. Menstruations-Apps)

Fokus Prüfgegenstand

Label-Art: Prüfberichte

Gesetzliche Mindestanforderungen

Medizin-Apps: CE-Kennzeichnung (Bundesinstitut für Risikobewertung für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM, Paul-Ehrlich-Institut)
App auf Rezept: Prüfverfahren des BfArM gemäß § 139e Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) (DiGA-Verzeichnis)

Tab. 4: Qualitätskennzeichnungen für Gesundheits-Apps (Scherenberg, 2019b, S. 226)

 

Damit von qualitätsbezogenen Kennzeichnungen grundsätzlich Signalwirkungen ausgehen können, müssen sie von Anbietern genutzt und bekannt gemacht werden. Doch gerade hier scheint es Nachholbedarf zu geben: Nur 0,5 % (n=41) von mehr als 8.700 deutschsprachigen Apps (Kategorie: „Gesundheit und Fitness“ und „Medizin“) weisen laut einer nationalen Studie auf bestehende Kennzeichnungen hin, obwohl laut Siegelanbieter und den CE-Prüfstellen mindestens 100 Apps über ein Siegel (z. B. „HealthOn“-Siegel, „DiaDigital“-Siegel, „ePrivacy“-App-Siegel, „Trusted-App“-Siegel) oder eine CE-Kennzeichnung verfügten (Albrecht, Hillebrand & von Jan, 2018, S. 5). Negative Signalwirkungen können von Qualitätskennzeichnungen dann ausgehen, wenn potenzielle Nutzerinnen und Nutzer automatisch von einer hohen gesundheitsförderlich ausgehen, obwohl von Qualitätskennzeichnungen nicht per sé eine hohe Wirksamkeit abgeleitet werden kann.

Kritische Betrachtung und Fazit

Erstmals seit der Zulassung und Erstattungsfähigkeit von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) ist auch bei Gesundheits-Apps ein Nutzennachweis zu erbringen, um den (wahrscheinlichen) positiven Versorgungseffekt nachzuweisen (BMG, 2019, S. 15). Zukünftig wird eine Wirksamkeitskontrolle dadurch erschwert, dass die digitalen Welten zunehmend miteinander verschmelzen. Denn Gesundheits-Apps können auch als Web-App konzipiert werden, über jeden Internet-Browser zugänglich sein und z. B. mit anderen digitalen Geräten (z. B. Sprachassistenten, wie Fitbit bei Alexa) verknüpft werden. Angesichts der zunehmenden Komplexität digitaler Gesundheitsanwendungen wird es zudem immer schwieriger, Prüfkriterien zu definieren und die Wirkungen und Wirksamkeit der einzelnen Bestandteile zu überprüfen.

Eine weitere Herausforderung ist damit verbunden, dass Menschen mit niedrigem sozialem Status Gesundheits-Apps weniger nutzen (Präventionsparadox) und damit weniger stark vom digitalen Wandel profitieren („digital health divide“). DiGAs können sich positiv auf die gesundheitliche Chancengleichheit (Gesundheitliche Chancengleichheit) auswirken, allerdings ist die Schaffung von Vertrauen und Glaubwürdigkeit in Gesundheits-Apps daran geknüpft, die Transparenz der Qualität (z. B. durch Evaluationen, Qualitätssiegel, wissenschaftliche Expertise) zu steigern.

Literatur:

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Internetadressen:

Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem: www.afgis.de

AppChecker von iRights e. V.: www.appcheck.mobilsicher.de

AppSaludable Quality Seal: www.calidadappsalud.com

Corona-Warn-App: www.coronawarn.app

DiDigital (Diabetes-Apps-Siegel): www.diabetesde.org/diadigital

Digitale Gesundheitsanwendungen/DIGA-Verzeichnis: https://diga.bfarm.de

HON-Siegel: www.hon.ch

Quantified Self: www.quantifiedself.com

Verweise:

Digitalisierung in Prävention und Gesundheitsförderung, Evaluation, Prävention und Krankheitsprävention, Präventionsparadox, Stress und Stressbewältigung