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Schlaginstrumente
(I) Triviale Bezeichnung (in der Musikersprache oft „Schlagwerk“) für eine große und sehr heterogene Gruppe von Musikinstrumenten mit bestimmter und unbestimmter Tonhöhe, nämlich Ton-, Klang- und Effektinstrumente aus (wenigstens mit) Fell, Metall, Holz, Stein, Glas. Sie werden allerdings nicht nur mit entsprechenden Schlägeltechniken geschlagen, sondern auch geschüttelt, gezogen, geblasen oder gestrichen. Gemäß der wissenschaftlichen Systematik nach Sachs/Hornbostel gehören Membranophone, Metallidiophone und Holzidiophone zu den Sch.n, hinsichtlich ihrer Rolle in der geschichtlichen und stilistischen Entwicklung des Musikgeschehens sind Sch. der E- und U-Musik zu unterscheiden. Instrumentarium, Literatur, Notation, Schlägel- bzw. Besen- und Bogenverwendung, Aufstellung und Anordnung der Sch.n-Gruppen in der musikalischen Produktion, Reproduktion und Rezeption sind jeweils gewissen Traditionen unterworfen. Den entsprechend vielseitigen praxisorientierten Ausbildungselementen versuchen die heutigen Ausbildungsstätten (Musikausbildung, Musikunterricht, Musikschulwesen) gerecht zu werden; die größte Tradition weist die „Wiener Schlagwerkschule“ der heutigen Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst auf.

Eine zentrale Aufgabe der Sch. richtet sich auf das Element des Rhythmus in der Musik, sie geht jedoch darin auch in der europäischen Kunstmusik keineswegs auf. Im Gegensatz zu bestimmten anderen Instrumenten (z. B. Violine) ist weder ihre Entwicklung, noch die ihrer Notierung (Notation) abgeschlossen (2005).

Das Instrumentarium umfasst im wesentlichen drei Gruppen von Sch.n (Membranophone: Pauken oder Timpani, Kleine und Große Trommel, Rührtrommel, Tom-Tom, Timbales, Bongos, Kongas, Rahmentrommel [Handtrommel], Tamburin [Schellentrommel], Drum-set [Kombination mit Becken]; Metallidiophone: Becken, Chinesische Becken, Antike Zimbeln, Nietenbecken, Hi-hat-Maschine, Tam-Tam, Gong, Schellen, Kuhglocke [Cow-bells], Herdenglocken, Glocken [Kirchenglocken], Glockenspiel, Vibraphon, Donnerblech, Röhrenglocken, Triangel, Flexaton, Amboss; Holzidiophone: Xylophon, Marimbaphon, Claves [Schlagstäbe], Peitsche, Kastagnetten, Ratsche [Lärminstrumente], Chinesischer Holzblock, Tempelblocks, Guiro, Schlitztrommel, Maracas, Cabaza, Pendelrassel [wood wind chimes]) sowie weitere Zusatz- oder Effektinstrumente (Glass wind chimes, Ketten, Lithophon [Steinspiel], Sandblock, Schellenbaum, Sistrum [Metallrassel], Stringdrum [lionroar, Löwengebrüll], Tabla [arabische Einfelltrommel], Vogelpfeife, Kuckuck, Bambusrassel, Bottle [Flasche], Catena [Kette], Pfeife, Waldteufel, Fingerbecken, Flemmingmaschine, Windmaschine, Brummtopf, Klapphölzer, Sandbüchse, Türkisches Becken, Schüttelrohr, Rute).

Die führenden Sch. im klassischen Symphonieorchester sind die Pauken oder Timpani; von ein bis drei Paaren mit einem Spieler besetzt, haben sie als Fellinstrument eine bestimmte Tonhöhe und werden heute als führendes Orchesterinstrument mit fix einzustimmenden Tonhöhen von den übrigen Sch.n abgehoben: man spricht in der Orchesterbesetzung von Pauken und Sch.n bzw. vom Pauker und Schlagzeuger. Ausgehend von den Heertrompetern und -paukern als berittene Signalmusik der adeligen Kavallerie und als ritterliche höfische Instrumente standen diese Instrumente über denen des gemeinen Volkes, doch fanden die Pauken nur langsam ab dem 18. Jh. ihren festen Platz im Orchester. Die Gruppe der weiteren Sch. mit bestimmter und unbestimmter Tonhöhe wuchsen diesem v. a. ab der Frühklassik (Vorklassik) bis zur Spätromantik (Nachromantiker) zu. Hauptbestandteile der Sch. im klassischen Orchester sind Kleine Trommel, Große Trommel, Becken, Triangel, Tamburin, Glockenspiel, Tam-Tam und Xylophon. Die Kleine Trommel (althochdeutsch trumba, im eigentlichen Wortsinn alle zweifelligen, zylinderförmigen Membranophone, unabhängig von Durchmesser oder Zylinderlänge) stammt aus der Marschmusik und wird aus Metall, verchromtem oder vernickeltem Messing hergestellt. Große Trommel, Becken, Triangel bilden bei W. A. Mozart (z. B. in Die Entführung aus dem Serail 1781/82: Große Trommel, die in der rechten Hand mit dem Großen Trommelschlägel und gleichzeitig mit der linken Hand mit einer Rute auf die beiden Trommelfellseiten geschlagen wird, Becken und Triangel) und J. Haydn (z. B. Militärsymphonie in G-Dur Hob. I:100, 1794: Triangel, Becken und Große Trommel) eine künstlerisch überzeugende Verschmelzung von Janitscharen- (Türkische) und Kunstmusik. Das kontinuierliche Wachsen des Sch.-Anteils fand mit dem spätromantischen Symphonieorchester, wie es etwa G. Mahler für seine Symphonien und R. Strauss für seine Tondichtungen vorschrieben, ein gewisses Ende. Es geht nicht mehr wesentlich über das inzwischen integrierte ehemalige türkische Schlagzeug hinaus: Tam-Tam, Gong, Röhrenglocken, Glockenspiele mit einer Klaviatur (Celesta) und Herdenglocken. Weitere Instrumente sind Xylophon (griech. Holzklinger, gehört zur Gruppe der Stabspiele; abgestimmte Hartholzstäbe aus Palisander, Jaccaranda oder Rosenholz, Tonumfang bis zu drei Oktaven c2–c5), spanische Kastagnetten und Tamburin. Seit der Moderne erfasste die Weiterentwicklung der Sch. in der zeitgenössischen Musik alle Kompositionsformen bis hin zur Aleatorik. Der scheinbar festgefügte Typ des Symphonieorchesters teilt sich immer wieder in neue Instrumentenkombinationen, wobei die Sch. eine enorme Steigerung ihrer Erweiterung an Instrumentarium und Rhythmik- und Klangflächenkreativität erfahren, z. B. Becken (Instrumentenname erst ab dem 18. Jh., obwohl in Europa schon seit dem 11. Jh. bekannt): zwei schalen- oder plattenförmige Metallscheiben, die gegeneinander geschlagen werden, oder eine Metallscheibe, die aufgehängt und mit einem Schlägel geschlagen, einem Besen gestrichen oder einem Kontrabassbogen gezogen wird; besonders in der Marschmusik verwendet; auch als Fußmaschine (Hi-hat) im Drum-set mit Hängebecken auf Ständer montiert, von klein bis groß, hoch bis tief im Klang; Form und Material, Art und Stelle der Aufhängung sowie Art und Spielstelle (Kuppel, Mitte, Rand), verschiedene Schlägeltechniken (weich, hart, Holz, Metall) ergeben verschiedene Obertonkombinationen (Akustik) und die damit verbundenen Klangfarben.

Sch. findet man sodann in der Blasmusik, Tanzmusik, im Jazz und in der lateinamerikanischen Musik sowie in allen gemischten modernen Ensembles. In die Blasmusik fand das „Schlagwerk“ erst mit Trompeten und Pauken Eingang. Aufgrund ihrer Lautstärke bleibt die Blasmusik jedoch auf allgemeine Bereiche beschränkt; diese wirkt nur als Freiluftmusik oder in großen Räumen. Hinsichtlich der Rolle als Träger der Rhythmik, aber auch des Instrumentariums weisen die Tanzmusik, Jazz und moderne Unterhaltungsmusik bis hin zu Rock und Pop etliche Gemeinsamkeiten auf. Entgegen der europäischen Tradition sind die beteiligten Instrumente in zwei Hauptgruppen, der Melody Section und der Rhythm Section eingeteilt. Klavier, Gitarre, Bass und Schlagzeug gehören somit der Rhythm Section an. Sieht man von den ursprünglichen afrikanischen, meist mit Fingern und der flachen Hand geschlagenen Trommeln ab, verwendete man im Jazz und im Latin (lateinamerikanische Musik) die auch im europäischen Orchester bekannten Sch.: Große Trommel (mit Fußmaschine), Becken (Hi-hat mit Fußpedal) und die Kleine Trommel. Die Fußmaschinen für Becken und große Trommel sowie die Ständer zur Aufhängung der Becken sind neben der Jazzformation ab dem 19. Jh. auch bei Blasmusiken und Salonorchestern sowie in gemischten Ensembles der zeitgenössischen Musik üblich. Das „Kombinierte Schlagzeug“ oder auch Drum-set genannt, machte ab den 1930er Jahren in der Tanz- und Unterhaltungsmusik, im Jazz sowie in der lateinamerikanischen Musik verschiedenartige Entwicklungen durch. Das kombinierte Schlagzeug besteht aus: Hi-hat-Maschine (zwei Becken mit Fußmechanik), mehreren Hängebecken, Kleiner Trommel, Großer Trommel (mit Fußmaschine) und zwei bis vier Tom-Toms. Dazu kommen kleine Effektinstrumente wie etwa in der Latin-Musik die Maracas, Guiro, Cabasa, Bongos, Kongas u. a. In den 1930er Jahren entwickelte sich aus den oben genannten Formationen die Swingmusik bzw. die Big Band. Die ersten Big Bands entstanden um 1924 in New York/USA. Hier ist aufgrund der Größe der Formation die Kollektivimprovisation in das komponierte Arrangement verwandelt. Nur die verschiedenen Swingrhythmen des Schlagzeugs auf dem Becken bleiben gleich. In der Rhythmusgruppe mit melodiöser Themen und Improvisationsdichte kommt das Vibraphon, ein Instrument aus der Gruppe der Stabinstrumente mit Metallplatten, einem Pedal wie das Klavier, nur klangthematisch anders eingesetzt, sowie ein Vibrato Motor für langsame, mittlere und schnellere Klangwellen zu Einsatz.

Sch.entwickelten sich auch hin zum Soloinstrument mit Klavier oder Orchesterbegleitung. Konzerte für Vibraphon-Solo von Mark Glentworth oder das Concerto for Maribaphon und Klavier oder in der Orchesterfassung von Paul Creston zeigen die Virtuosität und die Möglichkeiten der musikalischen Ausführung für zwei, drei und vier Maribaphonschlägel. Weitere Sololiteratur beinhaltet Konzerte für Pauken und Orchester, Kleine Trommel und Klavier usw. Solowerke für verschiedene Sch..-Formationen für einen Solisten sind aber auch durchaus üblich. Am Beispiel vom Concerto pour Percussion von André Jolivet (1958) soll gezeigt werden wie dies möglich ist: 1. Satz: Pauken, Kleine Trommel, Militärtrommel, 1 Holzblock; 2. Satz: Vibraphon, Cymbale suspendue, Cymbale chinoise; 3. Satz: Xylophon, Peitsche, Ratsche, 3 Tempelblocks; 4. Satz: Holzblock, Schellen, 3 Tempelblocks und Drum-set (2 Hängebecken, Kleine Trommel, Große Trommel mit Fußmaschine wie auch Hi-Hat und 3 Tom-Toms) für einen Spieler. Hier allerdings können also keinerlei österreichische Beiträge oder Spezifika namhaft gemacht werden.


Literatur
G. Avgerinos, Hb. der Schlag- u. Effektinstrumente 1967; S. Hofmann, Das große Buch f. Schlagzeug u. Percussion 1981; H. Kunitz, Sch. 1963; W. Kotonski, Sch. im modernen Orchester 1968; G. Racs, Hb. der Schlagzeugpraxis 1982; F. Jakob, Das Schlagzeug 1979; K. Peinkofer/F. Tannigel, Hb. des Schlagzeugs, Praxis u. Technik 21981.


(II) In der Volksmusik wird der Terminus Sch. normalerweise nur für geschlagene Lärmgeräte verwendet. Bei Bezeichnung der Tätigkeit spricht die Volksterminologie dennoch z. B. vom Schlagen des Hackbretts, der Harfe, der Maultrommel, des Xylophons („Hölzernes G'lachter“, siehe Tbsp.) oder der Zither, während etwa die Trommel „gerührt“ wird. Außer dem international verbreiteten Percussions-Instrumentarium gibt es in Österreich zahlreiche volkstümliche Aufschlagidiophone aus Holz oder Metall wie Klopfbretter, Hammerklappern, Glöckeltruhen und Klangscheiben, wie sie im Signalwesen und in Bräuchen verwendet wurden und werden (Lärminstrumente). Bei Faschings- und anderen Lärmumzügen, wie z. B. bei den Ausseer Trommelweibern, werden außer Trommeln und Tschinellen z. B. auch Hafendeckel (= Topfdeckel) zum Klingen gebracht. Zu diesen „improvisierten“ Sch.n gehört auch der Milcheimer („Sechter“), mit dessen Klang auf Tiroler Almen Signale übermittelt werden. Sch. sind auch Glocken und Glockenspiele, sofern sie nicht durch Ziehen an Seilen zum Schwingen und damit zum Klingen gebracht werden, sondern durch händisches Führen eines Hammers oder des Klöppels. Unter den Trommeln diente die zweifellige Zylindertrommel mit Schnurspannung bis 1806 als Militärtrommel der österreichischen Fußtruppen. Sie wurde im Schützenwesen lange, im Salzkammergut bis heute (2005), als Begleitinstrument der Schwegel beibehalten; auch diente sie, wie die „kleine Trommel“, noch im vorigen Jh. als Signalinstrument der „Ausrufer“ (Niederösterreich, Burgenland). Als Instrument von Bärentreibern auf Jahrmärkten und in der Fasnacht (Fasching) war in Österreich auch das Tamburin üblich. Als volkstümliches Unterhaltungsinstrument ist der „Bumbass“, auch „Saugeige“ oder „Teufelsgeige“ genannt, zu bezeichnen.


Literatur
E. Fink in Th. Hochradner et al. (Hg.), Zur musikalischen Volkskultur im Lammertal. Feldforschung 2001. Bericht 2003 [Teufelsgeige]; G. Gröbl/E. Lehner in JbÖVw 26 (1977); K. M. Klier, Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen 1956; C. Sachs, Real-Lex. der Musikinstrumente 1913; M. Schneider in W. Deutsch/M. Schneider (Hg.), Beiträge zur Volksmusik in Tirol 1978; H. Steininger in JbÖVw 21 (1972); M. Weber in JbÖVw 31 (1982).

Autor*innen
Walter Veigl
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Walter Veigl/Gerlinde Haid, Art. „Schlaginstrumente‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e0e9
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Steirischer Plattler, gespielt von Robert Mucniak auf einem „Hölzernen G’lachter“, aufgenommen am 26.10.1933 im Phonogrammarchiv der ÖAW von Leo Hajek
© 2004 Verlag der ÖAW

DOI
10.1553/0x0001e0e9
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