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Publicly Available Published by De Gruyter Oldenbourg June 26, 2018

Gehen Sanktionen mit einem höheren Stigmabewusstsein bei Arbeitslosen einher?

  • Thomas Gurr

    Thomas Gurr ist Soziologe und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Leibniz Universität Hannover. Seine Forschungsinteressen sind soziale Ungleichheit, Armut, Arbeitslosigkeit, Jugendsoziologie, Mixed Methods und qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung.

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    , Stefanie Unger

    Stefanie Unger ist Sozialökonomin (M.Sc.) und arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung im Bereich Panel Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung sowie der Forschungsgruppe Berufliche Arbeitsmärkte. Ihre Forschungsinteressen umfassen Gesundheitssoziologie und -ökonomie, Arbeitsmarktforschung, soziale Ungleichheit sowie Surveyforschung.

    and Monika Jungbauer-Gans

    Monika Jungbauer-Gans ist wissenschaftliche Geschäftsführerin des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) und Professorin für Hochschul- und Wissenschaftssoziologie an der Leibniz Universität Hannover. Von 2002 bis 2004 übernahm sie die Vertretung der Professur für Allgemeine Soziologie an der Bergischen Universität Wuppertal. Von 2005 bis 2010 war sie Inhaberin des Lehrstuhls für Soziologie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel und von 2010 bis 2015 Inhaberin des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftssoziologie an der Christian-Albrechts-Universität Erlangen-Nürnberg. Ihre Forschungsgebiete sind Hochschul- und Arbeitsmarktforschung, Bildungssoziologie, Medizin- und Gesundheitssoziologie sowie qualitative und quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung.

Abstract

Das Stigmabewusstsein Arbeitsloser ist ein bisher weitgehend unerforschtes Feld. Dieser Artikel untersucht unter Verwendung von quantitativen und qualitativen Daten (Mixed Methods) den Zusammenhang zwischen dem Erleben von Sanktionen im Vermittlungsprozess und dem Ausmaß, in dem die Betroffenen glauben, aufgrund von Arbeitslosigkeit stigmatisiert zu sein. Die quantitative Analyse zeigt, dass Sanktionen nicht mit dem Stigmabewusstsein aufgrund von Arbeitslosigkeit korrelieren. In anschließenden, komplementären Analysen von qualitativen Daten werden vier Mechanismen herausgearbeitet, die erklären können, warum erwartete signifikante Korrelationen zwischen der konkreten Sanktionierung und dem Stigmabewusstsein ausbleiben. Ein zentraler Faktor ist hier die weite Verbreitung und ständige Androhung von Sanktionen.

1 Einleitung

Seit geraumer Zeit lässt sich in den meisten europäischen Ländern ein Wandel in der Akzentuierung von Wohlfahrtsstaatlichkeit beobachten. In den Vordergrund gerückt ist die Idee einer aktivierenden Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, welche die Eigenverantwortung und Eigeninitiative der Bürgerinnen und Bürger stärkt und die (Wieder-)Aufnahme von Erwerbsarbeit fördert und fordert (u. a. Trickey/Walker 2001: 190; Esping-Andersen 2002; Weishaupt 2010). Diesem modernen Wohlfahrtsstaatsmodell liegt das Credo eines aktiven Bürgers zugrunde. Dieser soll – auch durch entsprechende Maßnahmen der Arbeitsvermittlung – in die Lage versetzt („aktiviert“) werden, seine Daseinsvorsorge eigenverantwortlich zu betreiben. Die Schlagworte in diesem Zusammenhang sind Beschäftigungsfähigkeit, Wettbewerbsorientierung, Empowerment oder „Fordern und Fördern“ (u. a. Bröckling et al. 2004; Schönig 2006). In diesem Zusammenhang wurden neue Steuerungsmöglichkeiten und Instrumente eingeführt, die je nach Distanz der Arbeitssuchenden zum Arbeitsmarkt unterschiedliche Maßnahmen im Vermittlungsprozess vorsehen (Schwarze 2012). Eines dieser Instrumente ist die Sanktionierung von Arbeitssuchenden (vgl. § 31, 32 SGB II).[2] Das Ziel von Sanktionen ist, die Arbeitssuchenden durch gezielte Interventionen zu veranlassen, mehr Eigenverantwortung, Beschäftigungsverfügbarkeit und Beschäftigungsfähigkeit zu entwickeln. Die Möglichkeiten zur „marktförmigen Verausgabung von Arbeitskraft“ (Lessenich 1999: 426) bei den Empfängerinnen und Empfängern sozialer Leistungen soll gefördert, aber auch durch verschiedene Zwangsmechanismen eingefordert werden. Autoren wie Baumann (2005), Wacquant (2009) oder Dollinger (2010) sehen in diesen punitiven Maßnahmen von Bedürftigen gar einen Teil einer Entwicklung zu einem bestrafenden Management sozialer Ungleichheit und sozialer Probleme. Die Arbeitslosen, durch eine Verbindung aus dem besonderen Stellenwert der Erwerbsarbeit, Äußerungen öffentlicher Geringschätzung und der Zuschreibung stereotyper negativer Eigenschaften (Gurr/Jungbauer-Gans 2017) ohnehin Träger/-innen eines Stigmas, werden „wie Kriminelle behandelt, die gegen das bürgerliche Gesetz der Lohnarbeit verstoßen haben“ (Wacquant 2009: 79).

Aber lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem Erleben von Sanktionen und dem Ausmaß, in dem Arbeitslose glauben, stigmatisiert zu sein, zeigen? Diese Frage soll im Folgenden Gegenstand der Analyse sein.

Forschungen zu Stigmatisierung verdeutlichen eindrücklich den Stellenwert dieser Frage, denn die negativen Folgen, die von den Mitgliedern stigmatisierter Gruppen geteilt werden, sind u. a. ökonomische Benachteiligung, Zurückweisung in sozialen Interaktionen sowie Diskriminierungserfahrungen. Nachgewiesen wurden überdies Auswirkungen für die Mitglieder stigmatisierter Gruppen auf dem Wohnungsmarkt, im Erziehungswesen, im Justizsystem, im Bereich der Gesundheitsversorgung und sogar in familiären Zusammenhängen (Pescosolido/Martin 2015). Stigmatisierung und deren Wahrnehmung haben Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein, Mobilität, die Beteiligung in sozialen und religiösen Funktionen und Leistungen im Bildungssystem (Pinel et al. 2005; Major/O’Brien 2005; Schofield 2006; van Brakel 2006). Empirische Studien belegen außerdem die negativen Effekte von Stigmatisierungen auf die Gesundheit (vgl. Klonoff et al. 2000; Lewis et al. 2003; Swim et al. 2001; Taylor/Turner 2002). Auch bei der Gruppe der Arbeitslosen, bei denen sich das Gefühl, zu einer stigmatisierten Gruppe zu gehören, durch Sanktionen verstärkt, dürften sich diese negativen Folgen in den verschiedenen Bereichen einstellen. Dies führt nicht nur zu Exklusionserfahrungen, sondern wirkt sich auch direkt auf Eigenschaften der Beschäftigungsfähigkeit (Promberger et al. 2008) wie Weiterqualifizierung, den Gesundheitsstatus oder die Arbeitssuche und auch auf verschiedene Aspekte des Arbeitsvermögens wie Kompetenzen, Selbstdeutung und Widerstandsfähigkeit aus. Aus diesem Grund ist diese Frage von zentraler Bedeutung. Dies gilt besonders, weil bisher, von einigen Ausnahmen abgesehen, vor allem Untersuchungen durchgeführt wurden, welche primär die Frage nach Übergangswahrscheinlichkeiten in bedarfsdeckende Beschäftigung infolge von Sanktionen zum Gegenstand hatten.

Im Folgenden soll zunächst beschrieben werden, was allgemein unter Stigmatisierung und Stigmabewusstsein zu verstehen ist. Es schließt sich ein Abschnitt an, der Stigmatisierung aufgrund von Arbeitslosigkeit thematisiert und den Zusammenhang zu den Instrumenten der Sanktionen theoretisch diskutiert. Der darauf folgende kurze Überblick zum Forschungsstand zu den Auswirkungen von Sanktionen verdeutlicht die Forschungsdesiderata in diesem Feld. Anschließend folgt die empirische Untersuchung, die zunächst auf breiter empirischer Grundlage die Korrelation von vorheriger Sanktionierung und Stigmabewusstsein mit Daten des Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS)“ analysiert (N = 1.676). Durch eine Verknüpfung von Prozessdaten der Agentur für Arbeit zu verhängten Sanktionen mit den PASS-Daten wird diese sensible Information sehr valide und nicht-reaktiv ermittelt. Von den befragten Personen haben 131 eine Sanktion durch die Agentur für Arbeit erhalten. In einem zweiten Teil werden qualitative Interviewdaten aus zwölf Anfang 2016 geführten Leitfadeninterviews untersucht, um die Ergebnisse des ersten Analyseschritts zu klären und zu erweitern.

2 Arbeitslosigkeit, Sanktionen und Stigmatisierung

Ein Stigma bezeichnet ein sichtbares oder unsichtbares Merkmal einer Person, welches „zutiefst diskreditierend“ und dessen Wirkung „sehr extensiv“ ist; „manchmal wird es auch ein Fehler genannt, eine Unzulänglichkeit, ein Handikap“ (Goffman 1975: 11). Die extensive Wirkung des Stigmas ergibt sich aus der Tendenz zur Generalisierung, d. h. den Merkmalsträgerinnen und -trägern werden über diese Eigenschaft hinaus negative Attribute zugeschrieben, die vielfach mit anderen „unvorteilhaften Eigenschaften der Person verbunden“ (Hohmeier 1975: 7) werden. Überdies handelt es sich häufig um Eigenschaften, die von der Mehrheit abweichen (Hohmeier 1975: 7). Stigmata beinhalten ein umfangreiches Repertoire an Annahmen über die Person oder die Gruppe, der diese Person angehört. Als typisch unterscheidet Goffman drei Arten von Stigmata (Goffman 1975: 12/13; Kardorff 2009: 139): Abscheulichkeiten des Körpers, phylogenetische Stigmata und individuelle Charakterfehler (hier zählt er beispielhaft Arbeitslosigkeit auf). Er macht ferner auf den relationalen, kontextabhängigen und im Zeitverlauf und nach Kultur variablen Charakter von Stigmata aufmerksam (Goffman 1975: 11). Die Wahrnehmung und der Umgang mit der Zuschreibung negativer Attribute variieren ebenfalls in spezifischen Situationen. Handlungen und Situationen, in denen Gruppenunterschiede besonders zum Tragen kommen, scheinen demnach besonders geeignet, ein Gefühl der Unterlegenheit zu erzeugen. Angesichts der Fülle an Studien zur Wahrnehmung von Stigmatisierungen in den unterschiedlichsten Bereichen ist etwas überraschend, dass die Arbeitslosigkeit als Stigma bisher weitgehend unerforscht ist. Einige Studien zeigen jedoch die Existenz von Stigmatisierung infolge von Arbeitslosigkeit (Biewen/Steffes 2010; Blau et al. 2013; Canziani/Petrongolo 2001; Gurr/Jungbauer-Gans 2017), in Verbindung mit der Vermittlungspraxis (Stuber/Schlesinger 2006) sowie mit Armut und Bedürftigkeit (Reutter et al. 2009). Es lässt sich insgesamt festhalten, dass bisher wenig Literatur zu den Folgen von Stigmatisierungserfahrungen von Arbeitslosen vorliegt und die Evidenz zu Sanktionierung und deren Folgen auf das Stigmabewusstsein gänzlich ungenügend ist.

2.1 Zu Stigmabewusstsein und Sanktionen

Voraussetzung für ein Stigma und dessen Wirkung ist eine Norm – hier die Norm, erwerbstätig zu sein (Kronauer et al. 1993; Nonnenmacher 2009), denn erst dadurch werden Abweichler/-innen von der Norm geschaffen und so die soziale Identität eines/einer Arbeitslosen konstruiert. Gurr und Jungbauer-Gans (2017) zeigen, dass sich die Stigmaqualität von Arbeitslosigkeit aufgrund der starken Erwerbsarbeitsnorm klar darlegen lässt.

Der oder die Stigmatisierte hat als Träger/-in des Merkmals der Arbeitslosigkeit mehr oder weniger das Gefühl, von allgemein bestehenden Erwartungen in negativer Weise abzuweichen. Auch Reutter et al. (2009: 302) beschreiben dieses Empfinden bei ihren Interviewpartnerinnen und –partnern als Gefühl, den kulturellen Normen nicht genügen zu können. Dieses Gefühl soll – auch in Anlehnung an Pinel (1999: 60) – im Folgenden als Stigmabewusstsein bezeichnet werden. Das dafür konstitutive Merkmal „Arbeitslosigkeit“ weist dessen Träger/-in nicht nur einen Status zu, sondern mit der Eigenschaft werden negative Bewertungen von Charaktereigenschaften verbunden. Das Ausmaß des Stigmabewusstseins ist überdies nicht von der direkten Erfahrung von Stigmatisierung abhängig, vielmehr spielt der Grad der Antizipation eine wesentliche Rolle. Weitgehend unabhängig von Interaktionssituationen, auf einer transsituativen Ebene, entwickelt die Person die Idee einer sozialen Identität. Ein hohes Stigmabewusstsein geht einher mit der Angst, Ziel von Vorurteilen und Opfer von Diskriminierungen zu sein. Dabei steigt mit der Sensibilität für die negativen affektgeladenen Zuschreibungen auch die Gefahr einer Fehleinschätzung bei den Trägerinnen und Trägern des Merkmals, die nunmehr auch kleinere Gesten auf die Zuschreibung negativer Eigenschaften zurückführen und vieles in Verbindung mit dem Stigma bewerten.

Die Gruppe der Arbeitslosen ist zumindest der Gelegenheit nach eine Gruppe von stigmatisierbaren Personen, weil sie von der Norm der Erwerbstätigkeit abweicht. Ein prägnanter Hinweis auf den Grad der Verbindlichkeit dieser Norm ist die hier untersuchte rechtliche Fixierung von Sanktionen gegen Abweichler/-innen. Weiterhin gilt der besondere Stellenwert der Erwerbsarbeit, die vielfach als „Schwelle der Respektabilität“ (Bescherer et al. 2009: 155) betrachtet wird. Die Arbeitslosigkeit gilt so als soziales Manko und fordert nicht zuletzt auch durch die unterschiedlichen Maßnahmen der Arbeitsvermittlung Abhilfe. Arbeitslosigkeit markiert ferner Gruppenzugehörigkeit. Barlösius (2002) macht darauf aufmerksam, dass es sich bei der Kategorisierung als „arbeitslos“ oder „arbeitend“ eben in vielen Fällen um eine wirkungsvolle Differenzierungslinie und damit einen Bestandteil kollektiver Repräsentationen handelt, entlang derer soziale Gruppen eingeordnet werden. Es existiert ein umfangreiches Repertoire an Annahmen über die Arbeitslosen, eine mal mehr, mal weniger ausgearbeitete Stigmatheorie, mit deren Hilfe die „Inferiorität“ (Goffman 1975: 14) der Personen dargelegt werden kann, die in unzähligen Äußerungen öffentlieher Geringschätzung und der Zuschreibung stereotyper negativer Eigenschaften zum Ausdruck kommt (u. a. Uske 1995; Oschmiansky 2003; Kessl et al. 2007 und Chassé 2010, zur Deutung durch die Arbeitslosen vgl. Gurr/Jungbauer-Gans 2017). Mit diesem Repertoire an negativen Annahmen (Faulheit, geringe Such-bereitschaft, fehlende Anpassungsfähigkeit, fehlende Disziplin usw.) werden dann auch Normen zur Disziplinierung von Arbeitslosen legitimiert.

Unter besonderer Berücksichtigung der Gedanken zu den Bedingungen und der Wirkungsweise von Stigmata (Goffman 1975; Link/Phelan 2001) lässt sich eine Verbindung zur potentiell verstärkenden Wirkung der Sanktionierungspraxis herausarbeiten. Es zeigt sich zunächst allgemein, dass die Vermittlungsinteraktionen, trotz der Versuche der Arbeitsverwaltung, hier Symmetrie zu erzeugen, gemischte Interaktionssituationen sind, die den Arbeitslosen wenig Raum lassen, durch verschiedene Strategien Spannungen zu reduzieren oder sich als „Normale“ zu präsentieren. Für Vermittler/-innen ist der Erwerbsstatus der Arbeitslosen offensichtlich. Vermittler/-innen und Arbeitslose befinden sich im Kontakt, und etwaige Gruppenunterschiede – in diesem Fall in Gestalt der Vermittler/-innen und Hilfeempfänger/-innen – werden für Letztgenannte besonders deutlich. Vielmehr kommen in dieser Situation Machtasymmetrien und Statusunterschiede zwischen den Beteiligten durch die Sanktionen besonders zum Ausdruck. Diese Maßnahmen vermitteln die Erfahrung der Andersartigkeit, der Abweichung, wodurch die „Aufdringlichkeit“ (Goffman 1975: 65) des Makels zunimmt. Die Betroffenen werden nunmehr durch spezifische institutionelle, durch sie nur noch bedingt zu steuernde behördliche Mechanismen prozessiert. Lässt sich der Status der Arbeitslosigkeit im Alltag im Regelfall so kontrollieren, dass er nicht zum Identitätsaufhänger wird und andere ihre Wahrnehmung und ihre Handlungen daran orientieren, ist es im Fall der Sanktionierung durch die damit verbundene Reduzierung der (materiellen) Optionen ungleich schwerer, den Makel der Arbeitslosigkeit und zudem den zusätzlichen Makel des/der regelverletzenden Transferempfängers/-empfängerin im Alltag zu verbergen, umzudeuten, zu verharmlosen. Durch ein unter das Existenzminimum sinkendes Einkommen treten Mangelsituationen auf, die die Nicht-Erwerbstätigkeit für andere offensichtlich machen durch Strom- oder Telefonabschaltung, abgetragene Kleidung, Rückzug aus dem Sozialleben oder sogar Zwangsräumung wegen Mietrückständen. Schwerer werden damit auch Versuche der Betroffenen, ihre Arbeitslosigkeit als strukturell verursacht zu deuten. Zunächst lässt der Status der Arbeitslosigkeit noch Raum für Interpretation und die Deutung als exogen verursacht, durch die wirtschaftliche Situation oder über strukturelle Faktoren in Form von Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt zu erklären. Diese Zurechenbarkeit von Verantwortung, das Schuldverhältnis schlägt im Falle von Sanktionen um, weil sie mit individuellem Fehlverhalten verknüpft sind. Potentielle Erklärungsmuster wie Verweise auf das Alter, gesundheitliche Beeinträchtigung, schlechte Kapazitäten auf dem Arbeitsmarkt, unzureichende Bezahlung und unpassende Qualifikationsangebote der zuständigen Organisationen (Maßnahmenträger, Jobcenter) oder andere unangemessene Anforderungen des Arbeitsmarktes werden durch die Sanktion in den Hintergrund gestellt. Fehlende Mitwirkungsbereitschaft, Unpünktlichkeit, geringe Bereitschaft zur Kooperation, fehlende Anpassungsfähigkeit, geringe Konzessionsbereitschaft, unzureichendes Suchverhalten, fehlende Disziplin könnten nun recht umstandslos zur dominanten Erklärung für die Lage der Betroffenen werden. Den Normadressatinnen und -adressaten wird durch die spezifischen Instrumente der Bestrafung so über den Status der Arbeitslosigkeit hinaus die Differenz zur Normalität aufgezeigt. Die Sanktionen können so, nicht nur durch andere Personen, sondern vor allem durch die Betroffenen selbst, als ein Hinweis oder Nachweis gedeutet werden, dass sie eben über prestigemindernde Eigenschaften verfügen, die diese Maßnahmen der Disziplinierung legitim und sie selbst als weniger respektabel erscheinen lassen. Die Sanktionierung der Hilfeempfänger/-innen ist damit neben der Trennung von erwerbstätig und arbeitslos, von aktiv und noch zu aktivieren eine zusätzliche Demarkationslinie, die „würdige“ und „unwürdige“ Hilfeempfänger (van Oorschot 2006) trennt und diese Differenz – für die Betroffenen wahrnehmbar – behördlich ratifiziert. Die Klientinnen und Klienten sind nunmehr nicht mehr nur arbeitslos und bedürftig mit den dazugehörigen negativen, moralisierenden Zuschreibungen, sondern darüber hinaus auch noch delinquent; Deutungsmuster werden damit „in den Bereich Gesetz und Ordnung verschoben“ (Baumann 2005: 75). Diesen spezifischen Mechanismen und Bedingungen folgend sollten diese Maßnahmen – theoretisch – einen verstärkenden Einfluss auf das beschriebene Stigmabewusstsein haben.

2.2 Sanktionen

Das Sozialgesetzbuch II, welches die Sanktionen im Unterabschnitt 5 regelt, unterscheidet zwischen Pflichtverletzungen (§ 31) und Meldeversäumnissen (§ 32). § 31 SGB II enthält unterschiedliche Sanktionstatbestände. Damit sind Verhaltensweisen von Leistungsempfängerinnen und -empfängern gemeint, mit denen sie gegen ihre Pflichten verstoßen haben. Die Folge ist die Absenkung der Regelleistung zunächst um 30 Prozent, bei wiederholter Pflichtverletzung geht die Sanktion bis zum Wegfall des ALG II. Bei den Meldeversäumnissen gem. § 32 SGB II kommen die Leistungsberechtigten den Aufforderungen zur Meldung an den zuständigen Träger nicht nach. Als Folge ist hier eine Absenkung des Regelbedarfs um 10 Prozent vorgesehen.

Gegenwärtig wird die sozial- und verfassungsrechtliche Legitimität von Sanktionen intensiv und kontrovers diskutiert (vgl. ausführlich zur Debatte Ehrentraut et al. 2014: 18-22). Insgesamt überwiegen in der Debatte die juristischen Bedenken, und dringender Reform- und Klärungsbedarf wird angemahnt. Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Legitimität ist nunmehr seit Mai 2015 höchstrichterlich zu klären. Das Sozialgericht Gotha (Aktenzeichen: S 15 AS 5157/14) hat festgestellt, dass § 31 SGB II die Menschenwürde verletzt und das Grundrecht auf Berufsfreiheit einschränkt, und hat daher diesen Paragraphen dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Ist also die juristische Geltung der Norm aus § 31 SGB II wenigstens umstritten, tut dies der faktischen Geltung und Anwendung der Norm allerdings keinen Abbruch. So ist die Zahl der Sanktionen zwischen 2009 und 2013 um 300.000 auf etwas mehr als eine Million pro Jahr gestiegen. Bei sinkender Anzahl an Leistungsberechtigten bedeutet dies steigende Sanktionsquoten (Ehrentraut et al. 2014). Sanktioniert wird vor allem aufgrund von Meldeversäumnissen. Im letzten Jahr erfolgten knapp unter 80 Prozent der Sanktionen aus diesem Grund.[3] Darüber hinaus wird etwa zu 10 Prozent sanktioniert, weil die Arbeitssuchenden sich weigern, Pflichten zu erfüllen, die in der Eingliederungsvereinbarung festgesetzt worden sind.[4] Schließlich sind etwa 10 Prozent aller Sanktionen darauf zurückzuführen, dass die Klientinnen und Klienten sich weigern, eine Arbeit, Maßnahme oder Ausbildung aufzunehmen oder fortzuführen.

Qualitative Befunde zur Wirkung von Sanktionen berichten von existentiellen Notlagen und zum Teil drastischen Einschränkungen in der materiellen Grundversorgung (Ames 2009; Schreyer et al. 2012). Die Interview-partner/-innen berichten ferner davon, dass es „teils wochenlange Einschränkungen bei der täglichen Hygiene oder der Lebensmittelaufbewahrung und -zubereitung“ (Schreyer et al. 2012: 217) gab. Einige Interviewte verloren im Zuge der Totalsanktionierungen ihre Wohnung und mussten in Obdachlosenunterkünften wohnen. Ames (2009: 160–161) berichtet u. a. von Hunger und gesundheitsschädigenden Auswirkungen bei den Interviewpartner/-innen.

Ein Großteil der quantitativen Analysen hingegen analysiert Übergangswahrscheinlichkeiten in bedarfsdeckende Beschäftigung infolge von Sanktionen. Dabei zeigen diese Studien, dass die Beschäftigtenquoten bei Personen, die sanktioniert wurden, höher sind. Diese Analysen bestätigen die Anreizwirkungen der Sanktionen (im Überblick bei Wolff 2014) und folgern gar, dass ein verstärkter Einsatz von Sanktionen zu einer effektiveren Aktivierung der Hilfebedürftigen beitragen kann (Hillmann/Hohenleitner 2012; Abbring et al. 2005; Lalive et al. 2002; van den Berg et al. 2004; Boockmann et al. 2009; Wilke 2003). Bezüglich des Exklusionsempfindens zeigen Grüttner et al. (2016), dass der positive Zusammenhang zwischen Exklusionsempfinden und Sanktionierung nicht als kausal bestätigt werden kann. In einigen Publikationen wird daher auf eine zweiseitige Wirkungslogik dieser Maßnahmen verwiesen (Lalive et al. 2002; Wolff 2014; Grüttner et al. 2016). Zu unterscheiden ist zwischen einer Exante- und einer Ex-post-Wirkung.Erstgenannte ist gewissermaßen die Angst vor der Sanktion, welche die Aufmerksamkeit auf die Jobsuche, Konzessionsbereitschaft, Flexibilität, sinkenden Reservationslohn – kurzum die Neigung, den Erwartungen und Anforderungen im Suchprozess nachzukommen – signifikant erhöht. Die Ex-post-Wirkung hingegen ergibt sich aus der vollzogenen Sanktion. Der Zusammenhang zwischen einer verstärkten Sanktionierungspraxis und der Ex-ante-Wirkung ist unklar. Einfluss auf beide Wirkungsmechanismen hat vor allem, so Boone und van Ours (2006), die Überwachungs- und Kontrollintensität in der Vermittlung. Werden die Bemühungen intensiv begleitet und überwacht, so verstärkt sich die Ex-ante-Wirkung. Boone et al. (2004) bestätigen in einer experimentellen Studie die Bedeutung beider Wirkungen, wobei der Exantedeutlich über dem Ex-post-Effekt liegt. Die Datenlage zur Effektivität von Sanktionen ist noch immer unzureichend. Außerdem hätte eine Wirkungsmessung nicht die reinen Abgangsquoten in Beschäftigung, sondern auch deren Verweildauer oder Ausbildungsadäquanz zu berücksichtigen. Eine Ausnahme ist hier die Studie von Arni et al. (2009), deren Ergebnisse für die Schweiz verdeutlichen, dass zwar durch Sanktionen oder deren Androhung der Abgang aus dem Bezug beschleunigt wird, aber dauerhafte negative Effekte für den Verdienst in der neuen Beschäftigung und die Beschäftigungsstabilität bestehen. Einen interessanten Einblick zu Selektionseffekten bei Sanktionierungen geben Hasenfeld et al. (2004) für vier Bezirke in Kalifornien. Sie zeigen, dass vor allem jene sanktioniert werden, die ohnehin mit Benachteiligungen umgehen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, sanktioniert zu werden, steigt ihren Analysen zufolge mit jedem Kind in der Familie, mit weniger Arbeitserfahrung, bei geringerer Bildung, fehlendem Zugang zu Transportmitteln, Suchterfahrungen, wenn pflegebedürftige Angehörige oder Sprachschwierigkeiten vorhanden sind, bei häuslicher Gewalt und für afrikanischstämmige Personen. Gleichwohl sinkt die Wahrscheinlichkeit, sanktioniert zu werden, wenn die Personen Sprachschwierigkeiten oder mentale oder gesundheitliche Beeinträchtigungen haben, was auf spezifische Programme für diese Gruppen schließen lässt. Zahradnik et al. (2016: 141–179) zeigen, dass „Personen ohne oder mit niedrigen Schulabschlüssen häufiger sanktioniert werden als formal besser Qualifizierte“ (Zahradnik et al. 2016: 166) und so die Sanktionsregeln eben nur formal für alle gleich sind. Dabei können sie andere Gründe für eine höhere Sanktionswahrscheinlichkeit, wie mangelnde Arbeitsmotivation und Konzessionsbereitschaft, ausschließen. Sie kommen überdies zu dem Ergebnis, dass die fehlende Kenntnis institutioneller Vorgaben und erfolgreichen Handelns im Behördenkontext, habituelle Differenzen zwischen Kundinnen/Kunden und Fachkräften sowie in den Fallakten vorhandene negative Zuschreibungen Gründe für diese Selektion sein können.

Insgesamt ist beim Blick auf den Forschungsstand zu konstatieren, dass vor allem die negativen Folgen von Stigmatisierungen und die Effekte der Sanktionierungspraxis für die Übergangswahrscheinlichkeit in die Erwerbstätigkeit Berücksichtigung finden. Überlegungen zum Stigma der Arbeitslosigkeit sind die Ausnahme, ebenso wie Fragen zu Genese und Determinanten des Gefühls, stigmatisiert zu sein. Dies stellt vor dem Hintergrund der negativen Auswirkungen von Stigmatisierungserfahrungen eine deutliche Forschungslücke dar, zu deren Schließung dieser Artikel beitragen soll. Im Folgenden werden forschungsleitende Hypothesen aus den theoretischen Überlegungen und vorliegenden Ergebnissen abgeleitet.

3 Hypothesen und Kontrollvariablen

Mit der Sanktionierung wird die Distanz zwischen „Normalen“ und Abweichenden betont. Die Sanktionierung bringt für die Unterstützungsempfängerinnen und -empfänger den anschaulichen Beweis, dass sie in besonderer, negativer Weise anders und damit deklassiert sind. Sie ist neben der Trennung von erwerbstätig und arbeitslos, von aktiv und noch zu aktivieren eine zusätzliche Demarkationslinie, die würdige und unwürdige Hilfeempfänger trennt und diese Differenz behördlich bestätigt. Mit anderen Worten: Die Unzulänglichkeit, der Makel wird über die Sanktionierung gewissermaßen behördlich ratifiziert und steigert bei den Betroffenen das Gefühl der Unterlegenheit, sodass eine positive Korrelation[5] zwischen Sanktionierung und Stigmabewusstsein beobachtet werden kann (H1). Je höher sanktioniert wird und je länger die Sanktionen andauern, desto eher gewinnt der/die Merkmalsträger/-in den Eindruck und das Gefühl, von allgemein bestehenden Erwartungen in negativer Weise abzuweichen und auf der Grundlage seiner/ihrer negativen Eigenschaften beurteilt zu werden. So ist eine positive Korrelation zwischen der Höhe der Sanktion (H2) sowie ihrer Dauer (H3) und dem Stigmabewusstsein Arbeitsloser zu erwarten. Diese Korrelationen sind insbesondere dann zu sehen, wenn die Sanktion zum Zeitpunkt der Befragung noch andauert (H4). Wir vermuten darüber hinaus, dass insbesondere die erste Sanktion eine deutliche Wirkung auf das Stigmabewusstsein der Betroffenen hat (H5), da der Betroffene nunmehr eine Vorstellung davon entwickelt, wie es ist, ein bestimmtes Stigma zu besitzen.

Zudem sind einige Kontrollvariablen im Modell zu berücksichtigen, zu denen keine expliziten Hypothesen formuliert werden. Es ist zu erwarten, dass Personen, die aufgrund ihrer Ausbildung und früheren beruflichen Stellung über relativ gute Arbeitsmarktchancen verfügen, ein höheres Stigmabewusstsein aufweisen. Sie dürften im Falle vorhergehender Erwerbstätigkeit das Verhältnis von Normalen und Abweichenden aus einer anderen Perspektive kennengelernt haben und entsprechend Schwierigkeiten bei der „Neuidentifizierung“ (Goffman 1975: 48) haben. Daher werden Schulabschluss, berufliche Ausbildung, Arbeitslosigkeitsdauer und berufliches Prestige im letzten Job, aber auch das Alter kontrolliert, um eine mögliche Suppression der Korrelation von Sanktionen mit Stigmabewusstsein zu vermeiden.

Die Analysen werden zudem getrennt für Frauen und Männer durchgeführt, da zu erwarten ist, dass Sanktionierung für Frauen weniger identitätsbedrohend wirkt als für Männer, aber auch die gesellschaftlich akzeptierten Normen von Erwerbsarbeit sich für die Geschlechter unterscheiden, sodass ein Partner oder ein Kind im Haushalt sich bei Frauen und Männern unterschiedlich auf das Stigmabewusstsein auswirken: bei Männern erhöhend und bei Frauen verringernd.

Nimmt man überdies an, dass die Sensibilität dafür, das Ziel von Vorurteilen und Opfer von Diskriminierungen zu sein, auch mit Erfahrungen in anderen stigmarelevanten Bereichen zunimmt, so ließe sich ferner unterstellen, dass die Zugehörigkeit zu anderen stigmatisierten Gruppen auch das Stigmabewusstsein im Vermittlungskontext erhöht. Aus diesem Grund werden Migrationsstatus und gesundheitliche Beeinträchtigungen kontrolliert, von denen angenommen wird, dass sie ebenfalls mit Stigmatisierungserfahrungen verbunden sein können. Auch materielle Deprivation zeugt von Rahmenbedingungen, die das Stigmabewusstsein verstärken dürften.

Darüber hinaus werden etwaige protektive Faktoren berücksichtigt. Zu nennen sind soziale Unterstützung und soziale Integration, die die individuelle Identität und Anerkennung stützen und so zu einem geringeren Stigmabewusstsein beitragen und in den folgenden Analysen durch die Proxy-Variable „Zahl der Freunde“ abgebildet werden. Liegt eine einschränkende Erkrankung vor, so unsere Annahme, ist ein temporärer Rückzug aus dem Arbeitsmarkt nicht mit sozialer Missachtung belegt. Zu dieser Messung wird die Zahl der Arztbesuche als näherungsweise beobachtbare Variable verwendet. Ferner wird für die allgemeine Lebenszufriedenheit kontrolliert, da sich hier Persönlichkeitsmerkmale und Lebensumstände außerhalb der Erwerbslosenrolle spiegeln könnten, die ebenfalls protektiv gegen die Zunahme von Stigmabewusstsein wirken.

Schließlich werden die Bedingungen des regionalen Arbeitsmarktes durch die Arbeitslosenquote im Bezirk berücksichtigt. Hier wird angenommen, dass eine höhere allgemeine Arbeitslosigkeit im räumlichen Umfeld zu einem geringeren Stigmabewusstsein beiträgt, weil die von Arbeitslosigkeit Betroffenen bei höherer regionaler Arbeitslosigkeit eher geneigt sind, ihre Situation durch strukturelle Ursachen statt individuelle Verantwortung zu erklären (dazu Paugam 2008). Von der regionalen Arbeitslosenquote wird daher ein negativer Effekt auf das Stigmabewusstsein erwartet.

4 Daten und Methoden

4.1 Mixed Methods Design

Das methodische Vorgehen der folgenden Analysen basiert auf einer Kombination von unterschiedlichen, sich ergänzenden Analysemethoden (Mixed Methods Design, dazu u. a. Kuckartz 2014). Das gewählte Verfahren lässt sich in Anlehnung an die von Leech und Onwuegbuzie (2009, vgl. auch Tashakkori/Teddlie 2010: 316) diskutierten Designs und hinsichtlich der verschiedenen Dimensionen zur Beschreibung von Mixed Methods Designs (Kuckartz 2014) am ehesten als ein Partially Mixed Sequential Dominant Status Design bezeichnen.[6]Im Mittelpunkt steht hier die quantitative Analyse. Der anschließende Methodenwechsel zu einer qualitativen Auswertung hat die Funktion, komplementär ausbleibende oder widersprüchliche Ergebnisse (Tashakkori und Teddlie 2010: 307) empiriegestützt fundiert diskutieren zu können. Diese qualitativen Ergebnisse können in fortführenden Arbeiten dann Gegenstand von Theoriebildung sein oder weitere (quantitative) empirische Analysen anregen.

4.2 Quantitative Daten und Operationalisierungen

Zentrale Datenquelle für die quantitativen Analysen ist das Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Das seit 2007 jährlich erhobene Haushaltspanel setzt sich zu 50 Prozent aus einer Stichprobe der Arbeitslosengeld-II-Empfänger/-innen (ALG II) zusammen und zu 50 Prozent aus einer allgemeinen Bevölkerungsstichprobe. Damit ist der Datensatz eine ausgezeichnete Datenquelle für Fragestellungen, die sich auf die spezifische Lebenswelt und Probleme von ALG-II-Empfängern beziehen. Das Analysesample (d. h. die Teilgruppe der in der untersuchten Welle des Panels arbeitslosen Befragten) besteht aus 1.737 Personen im Alter von 16 bis 65 Jahren, davon 759 Frauen und 978 Männer. Es handelt sich um Personen, die zum Zeitpunkt ihrer Einschätzung des Stigmabewusstseins ALG-II-Empfänger/-innen waren und somit potentiell eine Sanktionierung erleben konnten. Grundlage für die Analyse ist die Stigmatisierungsskala, die im Jahr 2013 im Rahmen der 7. Welle der PASS-Befragung bei arbeitslos gemeldeten Personen erhoben wurde. Diese Skala (vgl. Itemliste im Anhang) wurde theoretisch fundiert entwickelt und nach einem Pretest in das PASS integriert. Sie enthält neun Fragen zu verschiedenen, theoretisch vorgegebenen Dimensionen des Stigmabewusstseins (Gurr/Jungbauer-Gans 2013). Der Index für Stigmabewusstsein wurde gebildet, indem die Einzelitems so transformiert wurden, dass hohe Werte einem hohen Stigmabewusstsein entsprachen und der abgedeckte, mögliche Wertebereich des summierten Index zwischen 0 und 100 liegt.[7] Dieser Index ist annähernd normalverteilt (vgl. Abbildung A1 im Anhang).[8]

Abbildung A1 Verteilung des Index für Stigmabewusstsein
Abbildung A1

Verteilung des Index für Stigmabewusstsein

Die Information über erfolgte Sanktionierungen stammt aus administrativen Daten, die mit den Befragungsdaten verknüpft wurden. Aus diesem Grund sind die Angaben zu verhängten Sanktionen sehr valide und nicht-reaktiv erfasst, was angesichts der Sensibilität der Frage von großem Vorteil ist. Die Daten enthalten detaillierte Informationen über Start- und Enddatum sowie Höhe und Grund der Sanktion nach § 31 und § 32 SGB II. Bei den Gründen wird zwischen „schwerwiegenden“ (Pflichtverletzung nach § 31 SGB II)[9] und „anderen“ Gründen (Meldeversäumnisse nach § 32 SGB II)[10] unterschieden, wobei sich erstere auf das aktive Verhindern von Erwerbstätigkeit etwa durch Kündigung, Nichtantritt von Stellen oder Bewerbungsgesprächen etc. beziehen und letztere eher auf Nachlässigkeiten wie Meldeversäumnisse zurückzuführen sind. Auch in der Konsequenz unterscheiden sich die Gründe, da schwerwiegende Gründe mit einer Leistungskürzung von 30 Prozent einhergehen und andere Gründe mit einer Kürzung um 10 Prozent bei erstmaligem Verstoß bzw. Versäumnis. Aus dem Analysesample wurden 131 Personen mindestens einmal in den vergangenen zwölf Monaten sanktioniert. Es zeigt sich, dass bei Frauen wie Männern etwa zwei Drittel aller Sanktionierungen auf weniger schwerwiegende Gründe, also Meldeversäumnisse, zurückzuführen sind. Insgesamt gibt es bei den Gründen für Sanktionen zwischen Männern und Frauen nur geringe Unterschiede, jedoch werden bei jedem Sanktionierungsgrund etwa doppelt so viele Männer wie Frauen sanktioniert.

Im PASS steht überdies eine Vielzahl an möglichen Einflussfaktoren auf das Stigmabewusstsein zur Verfügung, die als Kontrollvariablen im Modell berücksichtigt werden. In Tabelle 1 werden die Mittelwerte sowie die Standardabweichung aller unabhängigen Variablen wiedergegeben.

Tabelle 1

Deskriptive Werte aller unabhängigen Variablen

WertebereichMittelwert (Standardabw.)
Sanktioniert0/10.075 (0.264)
Höhe der Sanktion0-557.059.76 (44.932)
Dauer der Sanktion0-60.18 (0.675)
Sanktion dauert an0/10.02 (0.151)
Erste Sanktion0/10.01 (0 .118)
Schulabschluss
 Kein Abschluss0/10.08 (0.284)
 Hauptschulabschluss0/10.02 (0.177)
 Mittlere Reife0/10.73 (0.443)
 (Fach-)Abitur0/10.16 (0.344)
 Sonstiges0/10.01 (0.089)
Ausbildung
 Keine Ausbildung0/10.33 (0.500)
 Lehre/schulische Ausb./Meister0/10.59 (0.502)
 Hochschulabschluss0/10.08 (0.197)
 Sonstiges0/10.00 (0.000)
Arbeitslosigkeitsdauer in Monaten0-50759.78 (46.448)
Magnitude-Prestige letzter Job20-17955.79 (26.321)
Keine Prestigeangabe0/10.19 (0.389)
Alter16-6445.10 (11.460)
Frau0/10.44 (0.471)
Partner im Haushalt0/10.34 (0.429)
Kind im Haushalt0/10.25 (0.419)
Alleinerziehend0/10.11 (0.306)
Migrationshintergrund0/10.29 (0.458)
Mentale Probleme1-52.51 (1.376)
Materielle Deprivation (Index)0-7.81.82 (1.198)
Anzahl enger Freunde0-115.13 (3.510)
Zahl der Arztbesuche0-903.53 (8.523)
Lebenszufriedenheit0-105.72 (2.244)
Arbeitslosenrate in Region2.1-14.48.44 (2.770)
  1. Quelle: PASS, Welle7; Leistungsstatistik SGB II –Stichprobenziehung des IAB (LST-S) V08.01.00-201504, eigene Berechnunge; Signifikanzniveaus *** p < 0.01, ** p < 0.05, * p < 0.1

Die Effekte von Sanktionierung auf Stigmabewusstsein werden mithilfe einer Reihe von OLS-Regressionen geschätzt. Die Ergebnisse werden in Abschnitt 5 dargestellt. Um zu prüfen, ob die Höhe verhängter Sanktionen oder das Vorliegen mehrerer Sanktionen in den letzten zwölf Monaten das Stigmabewusstsein beeinflussen, werden in den Analysen Nicht-Sanktionierte mit einer Höhe bzw. Häufigkeit von Null in die Analysen aufgenommen.

4.3 Qualitative Daten und Analysemethode

Die Ergebnisse aus den quantitativen Analysen vertiefend, werden nach diesen Modellschätzungen Befunde dargestellt, die auf Fallanalysen von zwölf „narrativ-aufgeklärten Leitfadeninterviews“ (zu dieser Methode vgl. Lenz 1991) zurückgehen. Diese Interviews wurden Anfang 2016 in Norddeutschland mit Langzeitarbeitslosen durchgeführt. Die Interviewpartner/-innen wurden über Träger von beschäftigungsfördernden Maßnahmen und behördenunabhängige Beratungsstellen rekrutiert. Da die Interviews die Erreichbarkeit, die besondere Mitwirkungs- und Teilnahmebereitschaft sowie die Neigung der Interviewpartner/-innen, auch schwierige und für sie heikle Aspekte zu offenbaren, erforderten, wurde ein „ConvenienceSampling gewählt (dazu Collins 2010: 353–378). Alle Interviewten sind als Empfänger/-innen von Grundsicherung zum Zeitpunkt des Interviews arbeitssuchend und waren wenigstens drei Jahre davor nicht regulär erwerbstätig. Bei ihnen wechseln sich Phasen der Arbeitslosigkeit und niedrigschwellige Maßnahmen der Qualifizierung ab. Die Themen des Leitfadens ergaben sich vor allem aus verschiedenen Komponenten des Stigmakonzepts Goffmans (Gurr/Jungbauer-Gans 2017). Ferner wurden Erkenntnisse aus Analysen von Interviews eines qualitativen Panels des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung „Armutsdynamik und Arbeitsmarkt“ (Hirseland/Ramos Lobato 2010) genutzt, die für Sekundäranalysen zur Verfügung standen. Ausgangspunkt der Interpretation waren zunächst einzelne Fallanalysen (Schütze 1983). Angeschlossen haben sich thematische Vergleiche hinsichtlich verschiedener am Material weiter differenzierter Dimensionen, die sich bei der vorliegenden Untersuchung auf die Deutung von und den Umgang mit Sanktionen konzentrieren und die fallübergreifend ausgewertet wurden.

5 Ergebnisse

5.1 Quantitative Befunde

Die Ergebnisse der Analysen sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Das erste Modell umfasst alle Befragten, das zweite Modell nur Männer und das dritte nur Frauen. Tabelle 2 zeigt den Effekt von Sanktionen (H1) und die Koeffizienten der Kontrollvariablen in diesem Modell. Daneben werden auch Ergebnisse aus weiteren Regressionen zum Einfluss der Variablen zu Höhe (H2) und Dauer der Sanktion (H3) sowie zur ausschließlichen Betrachtung von Sanktionen, die andauern (H4), bzw. die erste Sanktion einer Person dargestellt (H5). Da die Koeffizienten der Kontrollvariablen und ihre Signifikanz in diesen weiteren Regressionsschätzungen ähnlich sind, wurde in Tabelle 3 auf eine vollständige Darstellung der Koeffizienten für die Kontrollvariablen der zwölf weiteren Modelle verzichtet (d. h. für die Prüfung der Hypothesen H2 bis H5 sind nur die interessierenden Koeffizienten, aber keine Kontrollvariablen berichtet).[11]

Tabelle 2

Determinanten des Stigmabewusstseins (Index 0–100, OLS-Regressionen)

AlleMännerFrauen
Sanktioniert (letzte 12 Monate)-1.816-0.892-4.914[+]
(1.511)(1.881)(2.537)
Schulabschluss (Ref.: kein Abschluss)
Hauptschulabschluss4.6711.9558.636[+]
(3.194)(4.128)(5.098)
Mittlere Reife-0.638-2.2971.440
(1.520)(2.140)(2.148)
(Fach-)Abitur-2.167-5.198[*]2.027
(1.906)(2.617)(2.789)
Sonstiger Abschluss2.236-0.495-3.287
(4.256)(4.657)(15.695)
Ausbildung (Ref.: kein Abschluss)
Lehre/schulische Ausbildung/Meister0.0211.167-0.908
(0.959)(1.325)(1.400)
Hochschulabschluss3.717[*]5.494[*]0.907
(1.883)(2.522)(2.838)
Sonstiges6.3629.3630.124
(7.975)(11.391)(11.088)
Arbeitslosigkeitsdauer0.0152[*]0.0040.031[**]
(0.007)0.010(0.011)
Prestige letzter Job (Ref.: sehr niedriges Prestige)
War nie erwerbstätig-3.810[**]-1.831-4.586[*]
(1.364)(1.912)(1.964)
Niedrig-2.329+-2.4840.777
(1.360)(1.714)(2.357)
Mittel-2.695[*]-2.808-2.052
(1.319)(1.763)(2.001)
Hoch-3.812[*]-0.649-6.247[**]
(1.507)(2.210)(2.085)
Sehr hoch-2.017-0.500-3.001
(1.443)(1.970)(2.130)
Alter-0.043-0.077-0.006
(0.039)(0.053)(0.060)
Frau2.387[**]--
(0.872)
Partner-0.2631.833-3.994[*]
(1.062)(1.407)(1.634)
Kind im Haushalt0.6010.1840.036
(1.445)(1.889)(2.275)
Alleinerziehend-2.196-3.389-2.600
(1.934)(5.664)(2.585)
Migrationshintergrund1.614+2.544[*]0.705
(0.913)(1.261)(1.338)
Mentale Probleme1.378[***]1.499[***]1.114[*]
(0.307)(0.428)(0.441)
Materielle Deprivation1.201[***]0.997[*]1.496[**]
(0.353)(0.460)(0.551)
Anzahl enger Freunde-0.487[***]-0.462[**]-0.477[**]
(0.113)(0.145)(0.182)
Arztbesuche-0.194[**]-0.101-0.434[***]
(0.066)(0.082)(0.114)
Lebenszufriedenheit-1.484[***]-1.283[***]-1.807[***]
(0.201)(0.261)(0.315)
Arbeitslosenrate-0.132-0.106-0.264
(0.144)(0.196)(0.213)
Konstante63.823[***]63.506[***]68.416[***]
(3.474)(4.725)(5.228)
Beobachtungen1,676942734
R-Quadrat0.13230.11540.1970
  1. Quelle: PASS, Welle7, eigene Berechnungen; Standardfehler in Klammern;

Tabelle 3

Determinanten des Stigmabewusstseins (Index 0–100, OLS-Regressionen)

AlleMännerFrauen
Höhe der Sanktion-0.009-0.007-0.020
(0.009)(0.011)(0.017)
Dauer der Sanktion-0.835-0.816-1.257
(0.587)(0.758)(0.931)
Sanktion dauert an-11.56-15.703+-2.966
(7.880)(9.293)(15.285)
Erste Sanktion0.9193.953-9.827
(3.651)(4.568)(6.311)
  1. Quelle: PASS, Welle7; LST-S; eigene Berechnungen; Standardfehler in Klammern; *** p < 0.001, ** p < 0.01, * p < 0.05, + p < 0.1

Entgegen den Erwartungen zeigen sich keine signifikanten Korrelationen von Sanktionierungen mit dem Stigmabewusstsein für Männer.[12] Frauen, die sanktioniert wurden, weisen ein auf dem 10-Prozent-Niveau signifikant geringeres Stigmabewusstsein auf. Damit kann die Hypothese 1 nicht bestätigt werden. Vielmehr findet sich bei sanktionierten Frauen sogar ein Vorzeichen, dass in die entgegengesetzte Richtung weist und damit auf ein geringeres Stigmabewusstsein von Sanktionierten hindeutet.[13] Auch die Sanktionierungshöhe hat entgegen Hypothese 2 keinen signifikanten Koeffizienten, genau wie die Dauer sich entgegen Hypothese 3 nicht auf das Stigmabewusstsein auswirkt. Auch bei alleiniger Betrachtung der Fälle, in denen die Sanktion zum Befragungszeitpunkt andauert, ist kein höheres Stigmabewusstsein zu konstatieren (entgegen Hypothese 4). Betrachtet man hier Männer und Frauen getrennt, dann zeigt sich bei Männern ein auf dem 10-Prozent-Niveau signifikanter Effekt, der ebenso auf ein niedrigeres Stigmabewusstsein der sanktionierten Männer verweist. Auch Personen, die ihre erste Sanktion erleben, zeigen keinen signifikanten positiven Effekt auf das Stigmabewusstsein (entgegen Hypothese 5).

Zusammenfassend ist mit Blick auf die Hypothesen vor allem bemerkenswert, dass es keine signifikante positive Korrelation von Sanktionierung mit dem Stigmabewusstsein gibt. Um die Robustheit der Analysen zu testen, wurden auch getrennt für das Vorliegen einer schwerwiegenden oder einer anderen Sanktion Berechnungen durchgeführt. Hier zeigt sich, dass die Beschränkung der Analysen auf Kürzungen um 10 Prozent oder um 30 Prozent ebenfalls keine signifikanten Korrelationen aufdeckt. Genauso wenig zeigten sich Effekte, wenn der Analyse ein Matching von Personen mit ähnlicher Wahrscheinlichkeit, sanktioniert zu werden, vorangestellt wurde. Vielmehr gibt es sogar einzelne, auf dem 10-Prozent-Niveau signifikante negative Korrelationen bei Frauen und Männern für die verschiedenen Operationalisierungen von Sanktionierung. Welche Gründe lassen sich finden, warum diese für die Betroffenen folgenreiche Praxis der Arbeitsvermittlung keine Auswirkungen auf das Stigmabewusstsein der Betroffenen hat? Dieser Frage wird im folgenden Abschnitt anhand von qualitativen Analysen nachgegangen.

5.2 Befunde aus den qualitativen Interviews

Die Ergebnisse aus den quantitativen Analysen vertiefend, werden folgend Befunde dargestellt, die auf Fallanalysen von zwölf „narrativ-aufgeklärten Leitfadeninterviews“ (zu dieser Methode vgl. Lenz 1991) zurückgehen. Sechs der Interviewten berichten von persönlichen Erfahrungen mit Sanktionen. Die anderen erzählen, zum Teil sehr ausführlich, von ihren Gefühlen bei und dem Umgang mit der ständig wiederkehrenden Androhung von Sanktionen, von Erfahrungen, die ihnen bekannte und nahestehende Personen mit dem Instrument gemacht haben, oder von ihren Anstrengungen, diese Bestrafung abzuwenden.

Zur zentralen Frage des fehlenden Einflusses von Sanktionierungen auf das Gefühl der Unterlegenheit, des Ausschlusses, der Andersartigkeit lassen sich vier Effekte im Material identifizieren: Ex-ante-, Überlagerungs-, Indifferenz- und Oppositionseffekt. Diese Mechanismen und Reaktionen auf Sanktionen werden im Folgenden zusammenfassend skizziert.

5.2.1 Ex-ante-Effekt

Die Sanktionierungen sind für die Betroffenen allgegenwärtiger Bestandteil der Beziehungen zur Arbeitsvermittlung. Dabei ist es, analog zum oben referierten Forschungsstand zu den Ex-ante-Effekten, in diesen Fällen des Interviewsamples von nachrangiger Bedeutung, ob tatsächlich Sanktionierungserfahrungen vorliegen. Vielmehr ergibt sich deren Wirksamkeit aus der glaubwürdigen und ständig wiederkehrenden Androhung von Sanktionen und den Geschichten über Ursachen und Folgen von Sanktionen aus zweiter Hand. In diesen Fällen stellt sich das Bewusstsein ein, jemand zu sein, der gewöhnlichen Normalitätsansprüchen nicht genügen kann. So kommt es zur Verstärkung der Gewissheit, im Besitz eines Makels zu sein, und der Inferiorität bereits über die Androhung von Sanktionen. Ein Beispiel zur Illustration für die Wahrnehmung des Zwangscharakters dieser Maßnahme liefert ein 48-jähriger Interviewpartner:

Eigentlich dürfte da gar nicht Einladung draufstehen. Eigentlich müsste da draufstehen: Vorladung. Und er: Wieso? Ja, da steht drin, dass, wenn man nicht kommt, kürzt ihr gleich zu 30 Prozent.

Ein 25-jähriger Interviewpartner, der wiederholt sanktioniert worden ist, beschreibt die Tragweite der Androhungen wie folgt:

[E]s reicht schon, wenn das Schreiben im Briefkasten ist und man drauf schaut, und ähm da (-) fühlt man sich wirklich so als würde jemandem (.) jemand einem in die Magengrube treten; (--) so; und und dann kommt noch dazu? dass die Sacharbeiter manchmal sehr schwer zu erreichen sind?

Das manifeste Bedrohungspotential und damit die hohe Bedeutung der angedrohten Zwangsmaßnahmen im Alltag der Akteure beschreibt stellvertretend für zahlreiche Passagen, in denen die Ängste vor dem Verlust an Handlungsspielräumen thematisiert werden, eine Interviewpartnerin, die wegen verschiedener gesundheitlicher Beeinträchtigungen seit vier Jahren arbeitssuchend ist:

[M]an ist halt sowieso schon, ähm, Existenzminimum eigentlich mit, mit dem was man bekommt. Also ich, es ist, ja, es macht mir eigentlich schon so ein bisschen Angst auch, also, dass das wirklich möglich ist, jemanden, [2 Sec] ja, fast das ganze Geld letzten Endes, also 60 Prozent oder so darf man […].

Es zeigt sich, dass bereits die wiederholte Androhung, die auch in der Wahrnehmung einiger Interviewpartner/-innen potentiell Inaktivität und Abweichung unterstellten, geeignet ist, die Gruppengrenzen zu betonen, und den Arbeitssuchenden ihre negative Abweichung vom beschäftigungsfähigen und -willigen Erwerbstätigen vor Augen führt. Diese Tatsache trägt dazu bei, dass das Gefühl entsteht, eben nicht mehr ganz dazuzugehören und in den Augen der sogenannten Normalen gegen die Erwerbsarbeitsnorm zu verstoßen. Dieses Empfinden stellt sich bereits vorher im Vermittlungsprozess ein, und faktische Sanktionsmaßnahmen ändern daran nichts mehr.

5.2.2 Überlagerungseffekt

Die von Arbeitslosigkeit Betroffenen machen außerhalb des Vermittlungskontextes wiederholt und mit gravierenden Folgen für deren Selbstbild die Erfahrung von negativen Zuschreibungen ihren Status betreffend. Dieser im Folgenden als Überlagerungseffekt bezeichnete Mechanismus ist im Material am besten fassbar, und diese Erklärung für das Ausbleiben signifikanter Effekte ist mithin wohl die stärkste. Die Akteure werden mit dem Makel durch manifeste Schmähungen in verschiedenen Kontexten konfrontiert. Beispielhaft etwa eine Interviewpartnerin, 60 Jahre alt und seit 10 Jahren arbeitssuchend, die von verschiedenen Interaktionssituationen berichtet, bei denen sie als Hartz-IV-Empfängerin nicht zu erkennen ist und so offen bleibt für die negativen Zuschreibungen durch die Normalen:

Ja, die Sozialhilfeempfänger, die soll man alle nach Sibirien schicken. Ist mir zu Ohren gekommen. Also was man hört, ist schon sehr traurig.

Oder ein anderer Interviewpartner, 50 Jahre alt und seit 10 Jahren arbeitssuchend, der von der Erfahrung bei der Fahrt im öffentlichen Personennahverkehr wie folgt berichtet:

Ja, da höre ich das, die wollen nicht arbeiten und … . Ja (.) Ja. Und der Führer müsste wieder her und sie müssten ja alle zur Arbeit gezwungen werden und [Abbruch].

Zahlreiche und anschauliche Beispiele finden sich in verschiedenen Kontexten. Sogar im familiären Nahbereich werden einige der Interviewpartner/-innen wegen ihrer sozialen Identität zurückgewiesen. Wiederum die Interviewpartnerin, die von den kränkenden Begegnungen und der Ausgrenzung durch die Familie berichtet:

Wir wurden, ich wurde ja auch nicht zur Hochzeit eingeladen, ähm, ich könnte ja ins Gespräch kommen mit jemanden und jemandem erzählen, dass ich, äh, ähm, Hartz-IV-Empfänger bin, nicht. Also es wäre ihr SEHR peinlich.

Bei dieser Interpretation sind die Sanktionen nur eine weitere von einer Vielzahl vorher gemachter negativer, leidvoller Stigmatisierungserfahrungen in verschiedenen Bereichen, sodass deren Wirkung auf das Selbstbild und damit auf ein gleichsam transsituatives Stigmabewusstsein der Akteure weitgehend unerheblich und abstrakt bleibt, weil sie von den vielfältigen anderen Erfahrungen in der konkreten Lebenswelt überlagert werden.

5.2.3 Indifferenzeffekt

Im Sample finden sich weitere Hinweise auf die ausbleibenden Effekte. Hier gibt es jene, bei denen dieses Instrument der Sanktion keinerlei Eindruck hinterlässt, sodass neben dem Stigmabewusstsein auch die von der Arbeitsverwaltung intendierte Anreizwirkung zu wechselseitiger Verpflichtung, zu regelkonformem und koproduktivem Handeln nicht zu beobachten ist. Diese Interviewpartner/-innen haben jenseits von Vermittlungsbemühungen andere Arrangements entwickelt, vor allem um – auch im Falle von Sanktionierung oder Verschuldung – handlungsfähig zu bleiben (Gurr/Jungbauer-Gans 2017). So beschreibt ein Informant diesen Ausgleich wie folgt:

Denn muss man eben halt auch nochmal schwarz irgendwie ’n Hunderter noch nebenbei verdienen oder zweihundert. Aber das kommt der Wirtschaft ja zugute. Das verschwindet ja nicht auf Schweizer Konten. Da sollte man auch kein schlechtes Gewissen haben. Ganz im Gegenteil.

Den drohenden materiellen Einbußen und den als wenig effektiv eingeschätzten Vermittlungsbemühungen durch die Fachkräfte begegnen diese Interviewpartner/-innen durch alternative Einkünfte, wie etwa folgendes Beispiel zeigt:

Das ist für mich kein Problem weil ich die letzten zwei Jahre das war ja nicht wirklich arbeitslos also ich hab ja Schwarzarbeit gemacht.

Damit halten die Akteure sich immun gegen Maßnahmen der Arbeitsverwaltung. Verhängte Sanktionen zeigen keine gewünschte Wirkung, sie sind aber auch nicht geeignet, die Lebenschancen der Akteure wirksam zu beeinträchtigen, und haben keinen Einfluss auf das Selbstbild der Betroffenen.

5.2.4 Oppositionseffekt

Etwas anders reagieren drei der Interviewpartner/-innen des Samples auf die Sanktionen. Sie suchen die Konfrontation und verweigern koproduktive Arbeitsbündnisse. Diese Akteure haben insgesamt ein negatives Bild der Beratungs- und Dienstleistungsqualität. So charakterisiert ein Interviewpartner bei den Gründen für seine langen Auseinandersetzungen mit Sanktionierungen, die zu existentiellen Nöten und Wohnungsverlust führten, den zuständigen Sachbearbeiter wie folgt:

Ja, auf jeden Fall hat er nur Scheiße gemacht. Immer, wenn er im Urlaub war und die Vertretung da war, ne, die hat erst mal mit dem Kopf geschüttelt, die hat dann immer alles rückgängig gemacht.

Diese Akteure fühlen sich ungerecht behandelt, fechten die Bescheiderstellung als fehlerhaft an. Im Gefühl, dass ihre Hilfeanliegen und ihr subjektiver Hilfebedarf nicht ausreichend berücksichtigt werden, suchen sie die direkte Auseinandersetzung mit den Fachkräften oder holen sich Rechtsbeistand, wenn sie geringere Chancen auf Erfolg ihres persönlichen Ersuchens antizipieren. So berichtet eine Interviewpartnerin von den ungerechtfertigten Sanktionierungen:

[A]uf einmal blieb das Geld aus. Ich denke was ist das denn hier? [2 Sec] Ne. Ja, wie soll ich denn meine Miete zahlen, ne. … Also das war ja nun nicht gut, ne. Da hing ich dann da, ne. Hatte, auf gut Deutsch gesagt, auch nichts zu fressen, war mittellos.

Und von ihrer Reaktion:

Haben sie einfach gekürzt. Da habe ich da angerufen, dann hatte ich noch so einen Drachen da am Telefon, ne, die ließ sich dann da überhaupt, also die hat nur gesabbelt, da kam ich überhaupt nicht zu Wort, und dann habe ich gesagt jetzt habe ich die Schnauze voll, auf gut Deutsch gesagt, jetzt nehme ich mir einen Anwalt. Der war sofort bereit, ne, das ist ja für den ein [reibt sich die Hände] gefundenes Fressen … Das lief dann auch alles und, ähm, ja, dann habe ich mein Geld auch wieder gekriegt, habe noch eine Rückzahlung gekriegt.

Diese Akteure haben, so eine Interpretation, die Hinweise auf den fehlenden Effekt der Sanktionierung auf das Stigmabewusstsein geben kann, die Erfahrungen gemacht, dass ihre Eigenschaften oder Verhalten eine unstatthafte Behandlung nicht rechtfertigen. In diesem Sinne kommt es zu bemerkenswerten Veränderungsprozessen in der Selbstauffassung. Die negativen Annahmen, die sich auf Antizipation oder die Erfahrungen stützen, wie es ist, als Hartz-IV-Empfänger/-in gesehen und behandelt zu werden, weichen anderen, positiven Vorstellungen über den Status. Kurz gesagt, durch die erfolgreiche Beanstandung stellt sich in diesen Fällen das Gefühl ein, doch nicht anders oder abweichend, sondern eben mit Verweis auf die rechtliche Anerkennung gleichberechtigt und damit ganz und gar gewöhnlich zu sein. Zugespitzt würde sich hier in den Analysen gar der gegenteilige Effekt ergeben, sofern Klage oder Widerspruch erfolgreich sind. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang, dass mehr als ein Viertel aller Klagen und Widersprüche, zusammen immerhin etwas mehr als 800.000 im Jahr 2013 im SGB II (Neureiter et al. 2017), erfolgreich sind, müsste man auch die Sanktionierungen im Modell auf jene beschränken, die auch nach Beanstandung fortbestehen. Darüber liegen jedoch keine Informationen vor.

6 Diskussion

Das Ziel dieses Beitrags war es, zu untersuchen, ob die im Rahmen der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik angewandte Sanktionierung mit einem höheren Stigmabewusstsein von Arbeitslosen zusammenhängt. Im Fall eines höheren Stigmabewusstseins ist auf der Grundlage der beschriebenen Erkenntnisse aus der Erforschung zur Stigmatisierung eher von negativen Effekten auf verschiedene Lebensbereiche und die Beschäftigungsfähigkeit auszugehen. Die Ergebnisse der Analysen zeigen entgegen den forschungsleitenden Hypothesen dieses Beitrags keine signifikante Korrelation von Sanktionierung mit dem Stigmabewusstsein. Mithilfe qualitativer Interviews wurde der Frage nachgegangen, welche konkreten Mechanismen den fehlenden Einfluss von Sanktionen auf das Stigmabewusstsein von Arbeitslosen erklären könnten. Sie liefern eine Reihe von Erklärungen, die durchaus plausibel sind: (1) Allein schon die ständig wiederkehrende Androhung von Sanktionen, das manifeste Sanktionspotential in der Vermittlungsbeziehung führt zu einer Erhöhung des Stigmabewusstseins (Ex-ante-Effekt), (2) andere Diskriminierungserfahrungen in der alltäglichen Lebenswelt dominieren, sodass eine Sanktion das Stigmabewusstsein nur noch marginal erhöhen kann (Überlagerungseffekt), (3) die Akteure entwickeln Ausweichstrategien, wie z. B. Schwarzarbeit, und die von den Sanktionen ausgelöste Mittelknappheit ist nur ein Mosaikstein ihrer gesamten Lage (Indifferenz) und (4) die Betroffenen setzen sich zur Wehr durch Einsprüche oder mithilfe von Anwälten und bekommen Recht, was ihr Selbstbewusstsein stärkt (Opposition). Diese Erklärungen können und sollten in weiterführender Forschung sowohl theoretisch eingebettet als auch empirisch überprüft werden.

Zudem kann ein statistisches Argument angeführt werden: Der Anteil der sanktionierten Personen unter den PASS-Befragten ist nicht sehr hoch, sodass auch denkbar ist, dass man einen bestehenden Zusammenhang aufgrund der niedrigen Fallzahlen und der damit hohen Standardfehler nicht belegen kann. Allerdings deuten die zum Teil gefundenen negativen Korrelationen von Sanktionen und Stigmabewusstsein nicht darauf hin, dass man mit größeren Fallzahlen die Hypothesen würde bestätigen können.

Aus methodischer Sicht sollte zudem beachtet werden, dass es aufgrund des Querschnittsdesigns der Analysen grundsätzlich nicht möglich ist, die Wirkungsrichtung zu erkennen. Zwar wurden die Sanktionen vor der Messung des Stigmabewusstseins verhängt, aber das allein genügt nicht, um mögliche Selektionseffekte, wie den Ex-ante-Effekt von Sanktionen, auszuschließen. Das PASS ist zwar eine Panelstudie, aber die Items zur Messung des Stigmabewusstseins wurden bisher nur einmal erhoben. Wir können daher intrapersonelle Veränderungen nicht untersuchen. Zudem könnte es sein, dass sich gerade Personen mit niedrigem Stigmabewusstsein in die Sanktionierung selektieren (Ex-ante-Effekt). Gemeint ist, dass Personen, die nicht unter dem Stigma Arbeitslosigkeit leiden, gleichzeitig weniger stark versuchen, alle an sie herangetragenen Forderungen zu erfüllen, und dadurch häufiger sanktioniert werden. Es wäre aber auch denkbar, dass beide Effekte, d. h. erstens, Sanktionierung erhöht das Stigmabewusstsein und zweitens, Personen mit geringerem Stigmabewusstsein verhalten sich weniger regelkonform und werden dadurch eher sanktioniert, zugleich wirksam sind und dann in Summe keine eindeutige Wirkungsrichtung erkennbar wird. Für zukünftige Analysen wäre es wünschenswert, auf wiederholte Messungen des Stigmabewusstseins zurückgreifen zu können.

About the authors

Thomas Gurr

Thomas Gurr ist Soziologe und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Leibniz Universität Hannover. Seine Forschungsinteressen sind soziale Ungleichheit, Armut, Arbeitslosigkeit, Jugendsoziologie, Mixed Methods und qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung.

Stefanie Unger

Stefanie Unger ist Sozialökonomin (M.Sc.) und arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung im Bereich Panel Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung sowie der Forschungsgruppe Berufliche Arbeitsmärkte. Ihre Forschungsinteressen umfassen Gesundheitssoziologie und -ökonomie, Arbeitsmarktforschung, soziale Ungleichheit sowie Surveyforschung.

Prof. Dr. Monika Jungbauer-Gans

Monika Jungbauer-Gans ist wissenschaftliche Geschäftsführerin des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) und Professorin für Hochschul- und Wissenschaftssoziologie an der Leibniz Universität Hannover. Von 2002 bis 2004 übernahm sie die Vertretung der Professur für Allgemeine Soziologie an der Bergischen Universität Wuppertal. Von 2005 bis 2010 war sie Inhaberin des Lehrstuhls für Soziologie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel und von 2010 bis 2015 Inhaberin des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftssoziologie an der Christian-Albrechts-Universität Erlangen-Nürnberg. Ihre Forschungsgebiete sind Hochschul- und Arbeitsmarktforschung, Bildungssoziologie, Medizin- und Gesundheitssoziologie sowie qualitative und quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung.

  1. 1

    Diese Arbeit wurde finanziell gefördert und entstand im Rahmen des DFG-Vorhabens DFG JU 414/15-1. Die Arbeit ist zudem Teil eines durch das gemeinsame Graduiertenprogramm (GradAB) des IAB und der FAU Erlangen-Nürnberg geförderten Promotionsprojekts. Für wertvolle Hinweise bedanken wir uns bei den Gutachterinnen und Gutachtern der ZSR.

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Anhang

Tabelle A1

Items der Stigmabewusstsein-Skala

AEs fällt mir schwer, Beziehungen zu Menschen aufrechtzuerhalten, die erwerbstätig sind.
BEs belastet mich persönlich, arbeitslos zu sein.
CEs gibt Situationen im Alltag, in denen mir bewusst wird, dass es für Arbeitslose schwieriger ist als für Erwerbstätige.
DIch denke, dass die meisten Menschen mehr Vorurteile über Arbeitslose haben, als sie offen sagen.
EIch fühle mich eher anderen arbeitslosen Personen verbunden als Personen, die erwerbstätig sind.
FVon Vorurteilen gegenüber Arbeitslosen fühle ich mich persönlich betroffen.
GIn bestimmten Situationen bemühe ich mich, zu verheimlichen, dass ich arbeitslos bin.
HIch versuche, Situationen zu vermeiden, in denen es zu Vorurteilen oder Benachteiligungen gegenüber Arbeitslosen kommen könnte.
IIch selbst versuche, so schnell es geht wieder einen Arbeitsplatz zu bekommen.

Published Online: 2018-06-26
Published in Print: 2018-06-26

© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 20.4.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zsr-2018-0012/html
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