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Publicly Available Published by De Gruyter April 14, 2016

„Wie geil ist das denn?“

Eine neue Konstruktion im Netzwerk ihrer Nachbarn

  • Peter Auer EMAIL logo

Abstract

This paper investigates the structure and emergence of a new construction in German, the wie-X-ist-das-denn! exclamative (roughly corresponding to ‚How X is that!‘), usually with X being an evaluative adjective. A quantitative and qualitative investigation based on the DeReKo (German reference corpus) shows that the construction is spreading also in written German. It also reveals a clear prototype with little variation (the latter affecting the placement and use of the modal question particle denn, the use of other pronouns than das, and the use of non-evaluative adjectives in the X position). On the basis of a discussion of the construction’s relationship to various neighbouring constructions it is shown that it strongly resembles the German leading question construction, but differs from the latter above all in invariably placing the nuclear accent on the demonstrative das. It is argued that the most plausible origin of the new construction therefore is a blend of the leading question construction with the prosodic exclamative construction, which has led to the cancellation of the implicature inherent in leading questions. While in leading questions, the implicature is that the proposition contained in it is wrong, the new exclamative construction has a direct semantic-pragmatic reading which can be paraphrased as an expression of the speaker’s surprise about the degree to which the property expressed in the X-position applies to the referent of das.

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1 Einleitung

Schon seit mindestens 15 Jahren in Umlauf, erfreut sich die Konstruktion wie ADJeval KOP DEM-PRON denn (wie etwa in: wie geil ist das denn!) immer noch großer Beliebtheit. Ob sie das Deutsche auf Dauer bereichern wird oder ephemer bleibt, mag dahingestellt bleiben. Es lohnt sich aber in jedem Fall, einen Blick auf sie zu werfen und sich im Rahmen eines konstruktionsgrammatischen Ansatzes Gedanken über ihre Entstehung zu machen. Denn dass es sich um eine Konstruktion handelt, kann nicht in Frage stehen: Abgesehen von dem Slot, in dem das Adjektiv steht, ist nur in ganz engen Grenzen Variation zugelassen; die Struktur ist also hochgradig verfestigt, und es fällt überdies schwer, ihre pragmatische Funktion (vorläufig: ein überraschter Ausruf mit stark bewertender Komponente) aus ihren Bestandteilen abzuleiten. Die beiden wichtigsten Kriterien für Konstruktionsstatus[1] sind also erfüllt.

Ein Beispiel für die Verwendung der Konstruktion im konversationellen Zusammenhang ist das folgende:

  1. (BB 01–24)

Jrg: die bilder hat der GLEIche fotograf gemacht der UNS fotografiert hat;=

[=das SIEHSte]

Joa: [((kichert))]

Alx: jaja [((lacht))]

Jrg: [((lacht))]

Adr: [((lacht))]

Jhn: [((lacht))]

Adr: sind da BILder von uns bei?

Jhn: m?

Joa: [ne,]

Ker: [nee.]

Man: oah wie krAss wär DAS denn bitte.

((Ende der Sequenz.))

Der Beleg, der der ersten Big Brother-Staffel aus dem Jahr 2000 entnommen ist, stammt aus einer Szene, in der die Bewohner von der Regie ein Brettspiel überreicht bekommen, auf dem Fotos des BB-Hauses abgebildet sind. Das Auspacken des Spiels führt zu Erstaunen und Begeisterung. Jürgens Bemerkung, die Fotos stammten von demselben Fotografen, der auch die Bewohner fotografiert hat, bringt Andrea, die etwas abseits von der übrigen Gruppe steht, auf die Frage, ob Bilder der Bewohner auf dem Spiel zu sehen seien. Kerstin und Joana verneinen das (nee). Die Möglichkeit solcher Bilder der Bewohner wird von Manuela darauf mit oah wie krAss wär DAS denn bitte kommentiert.[2]

In der mündlichen Sprache ist die Konstruktion also schon um die Jahrtausendwende nachweisbar; in schriftlichen Corpora ist sie erst verspätet angekommen. Ein Indiz für ihre zunehmende Verbreitung in den letzten 10 Jahren auch in schriftlichen Textsorten ergibt sich aber, wenn man im DeReKo nach der Sequenz wie x ist das denn (mit einem einzigen Wort in der offenen Position x) sucht.[3] Das Suchergebnis zeigt ein kontinuierliches Ansteigen der relativen Verwendungsfrequenz zwischen 2005 und 2012, für 2013 allerdings schon wieder ein leichtes Absinken.

Abb. 1: Relative Häufigkeit der Konstruktion wie x ist das denn im DeReKo zwischen 2005 und 2013, Vorkommen pro 10 Mio Wörtern. Vor 2005 sind die Belege so gering, dass keine Auszählung sinnvoll ist.
Abb. 1:

Relative Häufigkeit der Konstruktion wie x ist das denn im DeReKo zwischen 2005 und 2013, Vorkommen pro 10 Mio Wörtern. Vor 2005 sind die Belege so gering, dass keine Auszählung sinnvoll ist.

2 Die Merkmale der Konstruktion

Schauen wir uns die Konstruktion etwas genauer an. Syntaktisch handelt es sich um das Format einer Gradfrage (wie+ADJ-Frage). Allerdings realisiert die Konstruktion nicht den Satzmodus der Frage, sondern den des Ausrufs (Exklamativ). W-eingeleitete syntaktische Fragen werden im Deutschen durchaus regelmäßig für diesen Zweck eingesetzt (vgl. d'Avis 2013, Näf 1996, Rosengren 1992, Fries 1988), vgl. etwa:

(2)

ExklamativFrage
Was ist DAS denn!Was ist (denn) DAS?
(= ich bin überrascht so sehen/hören, was ich sehe/höre) (Antwort: Ein früher Giacometti.)
Wer kommt denn DA!Wer KOMMT (denn) da?
(= ich bin überrascht, dass er/sie kommt) (Antwort: Ich glaube, es ist Maria.)
Wie sieht DER denn aus!Wie sieht der (denn) AUS?
(= ich bin überrascht, dass er so aussieht) (Antwort: Genau wie John Travolta.)

Exklamative Verwendungen von w-Fragen unterscheiden sich von Fragen selbst mindestens in dreierlei Hinsicht: (a) sie können naturgemäß nicht beantwortet werden; die links stehenden Äußerungen machen kein zweites Paarglied in einem Adjazenzpaar konditionell relevant; (b) sie enthalten in der Regel die Modalpartikel denn, die in Fragen zwar ebenfalls stehen kann, aber keineswegs stehen muss; und (c) sie weisen oft ein gänzlich anderes Intonationsmuster auf als Fragen: während in diesen der Nukleusakzent nach denselben Regeln wie in Deklarativsätzen zugewiesen wird (das ist ein giacoMETti, maria KOMMT, er sieht so AUS), kann der Nukleus­akzent in Exklamativsätzen auf dem Demonstrativum liegen. Diese drei Merkmale gelten auch für die wie-X-ist-das-denn-Konstruktion, allerdings mit der ‚verschärften‘ Bedingung, dass der Akzent hier auf jeden Fall auf dem DAS liegen muss.

Die Semantik der wie-X-ist-das-denn-Konstruktion deutet ebenfalls auf ein Exklamativ hin. Wie alle Exklamative drückt sie die Einstellung des Sprechers zu einem bestimmten Aspekt der dargestellten Welt aus: der Sprecher ist überrascht über das Ausmaß, zu dem das Adjektiv in der X-Position auf diesen Sachverhalt zutrifft. In Beispiel (1) signalisiert die Sprecherin durch ihr wie krAss wär DAS denn also nicht nur, dass sie Fotos der Container-Bewohner auf den Spielkarten ‚krass‘ finden würde, sondern auch, dass dieser Sachverhalt so ‚krass‘ wäre, dass er sie überraschen würde. Diese Semantik teilt die Konstruktion mit der exklamativ-bewertenden Kurzform wie + ADJeval! (etwa: wie krass!).

Schließlich wird die Einordnung als Exklamativ-Konstruktion im w-Format auch durch die Beobachtung unterstützt, dass Äußerungen, die die Konstruktion enthalten, oft von Elementen eingeleitet werden, die typisch für Exklamative sind (auch wenn sie keineswegs nur bei Exklamativen vorkommen). Zu diesen Vorlaufelementen (prefaces) gehören insbesondere Interjektionen:[4]

    1. Argh, wie geil ist das denn?*g*

      (WDD11/L27.16769: Diskussion:Liste der Olympiasieger im Eishockey, 2007)

    2. ey wie schlecht ist das denn?

      (WDD11/A26.79796: Diskussion:Außenpolitik Polens 2007)

Auch andere Vorlaufelemente lassen sich beobachten, die die Interpretation der Äußerung (als stance-marker) in eine bestimmte Richtung steuern. Häufig ist Mann, der die Verärgerung des Sprechers indiziert:

  1. Mann, wie beschränkt ist das denn!

    (WDD11/P41.09453: Diskussion:Polenfeldzug/Archiv/2009)

Im Beispiel (1) oah wie krAss wär DAS denn bitte kommt zu einer einleitenden Interjektion noch ein turn-finales Element hinzu, nämlich bitte. Auch dieses bitte(-schön) ist ein typischer, wenn auch nicht exklusiver Begleiter (turn-exit device) von Exklamativen, wie etwa das folgende konversationelle Beispiel (a) sowie ein Beispiel aus den Wikipedia-Diskussionsgruppen (b) zeigen:

(5)

  1. BB01, 924

((die BB-Bewohner sind dabei, Fotos aus ihrer Jugend anzuschauen))

Adr: <<lachend>wer ist DAS denn hier bitteschön.>

Jrg: unser LEHrer; (--)

WELT [klasse;]

Man: [(den.....)] (hab ich mich) auch TOTge[lacht;]

Jrg: [ WELT]klasse.

Adr: [((lacht))]

geil.

  1. wie lächerlich ist das denn bitte? (WDD11/N13.61353: Diskussion:Nonogramm)

Betrachten wir nun die einzelnen Bestandteile der Konstruktion etwas genauer. Da ist zunächst der Adjektiv-Slot. In der Corpusrecherche fand sich die folgende Liste von Adjektiven, die in dieser Position vorkommen:

    1. positive evaluierende Adjektive in der X-Position

      Geil, cool, lecker, abgefahren, lässig, irre, weise, charmant, schlau, süß, großartig, herrlich, brilliant, toll, klasse, lustig, findig, schön, stark, supi, genial

    2. negative evaluierende Adjektive in der X-Position

      Peinlich, behämmert, albern, gestrig, verdreht, abgedreht, krank, arm, doof, unanständig, provinziell, fertig, dumm, spießig, traurig, armselig, blöd, scheiße, selbstherrlich, scheinheilig, gemein, falsch, engstirnig, uncool, unprofessionell, bescheuert, belämmert, lässig, primitiv, unreif, triefig, öde, affig, fies, skurril, pervers, schräg, borniert, furchtbar, tollkühn, billig, verlogen, bitter, irrsinnig, perfid, bekloppt, schlecht, kleingeistig, erbärmlich, kleinkariert, inkonsequent, abartig, arrogant, kindisch, unseriös, rückständig, absurd, blind, hilflos, infantil, idiotisch, behindert, irrelevant, gaga, durchgeknallt, einengend, geschmacklos, verlogen, schäbig, krass,[5]plump, kitschig, verrückt, ungerecht, sinnlos, dämlich, naiv, demütigend, lebensfremd, würdelos, realitätsfern, herzlos, dreist, verstaubt, lächerlich, schizophren, asozial, weltfremd, feige, kaputt, anstrengend, makaber, zynisch, lame (engl.), egalbanal, verstrahlt, banal, umständlich, baui, frech, schräg, schade, schwachköpfig, beschränkt, brutal, eklig, traurig, hohl, langweilig, pietätlos, hässlich, unmöglich

    3. nicht evaluierende Adjektive in der X-Position

      Links, retro, gay, schwul,[6]wild, tautologisch, pseudo, meta, (style, geiz)

Der Status von style und geiz als ‚Adjektiv‘ ist natürlich genauso wie der von dankeschön in dem diesem Beitrag vorangestellten Beleg syntaktisch, also durch das Vorkommen des Wortes in der Konstruktion erzwungen und nicht durch Zugehörigkeit zu der Wortklasse bestimmt.

Die Adjektive sind nicht gleich häufig. An types gemessen, übertreffen die negativen Evaluationen die positiven an Anzahl und Differenziertheit des evaluativen Vokabulars bei weitem. Die token-Frequenz einiger positiver Adjektive wie geil (69) und cool (146) gleicht dieses Ungleichgewicht jedoch wieder aus. Von den negativ-bewertenden Adjektiven kommen lediglich peinlich (26), krank (17), blöd (16), absurd (14) und lächerlich (15) öfter als zehnmal vor. (Dieses kompensatorische Verhältnis zwischen types und tokens gilt allgemein für evaluative Ausdrücke, d. h. es ist nicht konstruktionstypisch.)

Fälle, in denen ein deskriptives Adjektiv in der X-Position steht, sind in den schriftlichen Daten (in denen die Akzentuierung des Demonstrativpronomens nicht kodiert ist) natürlich ebenfalls häufig; es handelt sich jedoch dann fast immer um echte Fragen – sie können beantwortet werden und werden im Text auch oft beantwortet, wie die folgenden Beispiele zeigen:

    1. „Wie teuer ist das denn?“ fragte die Frau zögernd. „Hundertachtundneunzig Mark“, (BRZ06/JUN.05310 Braunschweiger Zeitung, 12.06.2006;)

    2. Sie hatten das Äußere angesprochen. Wie wichtig ist das denn? Kann ich mit Pullover und Jeans kommen? Fricke: Klar. (BRZ08/APR.11790 Braunschweiger Zeitung, 22.04.2008)

Hier haben wir es nicht mit der in Frage stehenden Konstruktion zu tun. Der Satzakzent ist entsprechend auch nicht auf das zu erwarten. Klammert man diese Beispiele aus, bleiben nur wenige deskriptive Adjektive übrig. Möglicherweise indizieren die Beispiele in (6c) eine – wenn auch wohl noch spielerische – Aufweichung des Konstruktionsmerkmals, dass in der X-Position ein bewertendes Adjektiv stehen muss. Beim augenblicklichen Stand der Entwicklung werden sie aber wohl noch als bewusste Durchbrechung der Konstruktion empfunden.

Die bewertenden Adjektive sind teils ausschließlich bewertend (wie cool und geil oder krank, blöd, bescheuert, etc.). Sehr oft kommt aber zur bewertenden eine spezifische deskriptive Bedeutungsdimension hinzu (vgl. etwa negativ-bewertende Adjektive wie provinziell, spießig, selbstherrlich, scheinheilig, unprofessionell oder auf der positiven Seite lustig, findig, tollkühn).

Das Adjektiv in der X-Position sollte gradierbar sein; nur selten sind nicht-gradierbare Adjektive belegt, wie in dem folgenden Beispiel:

  1. So macht ihr euch alle lächerlich. Nun steht da wieder „Einige Religionen die aus dem Sufismus hervorgingen“ (sinngemäß). Wie falsch ist das denn?

    (Pikazzo 20:32, 14. Feb. 2009 (CET) (WDD11/D01.17464: Diskussion:Dreadlocks, In: Wikipedia – URL:http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Dreadlocks: Wikipedia, 2011)

Auch hier überschreibt das Bedürfnis nach expressivem (exklamativem) Ausdruck die im Konstruktionswissen kodierte semantische Beschränkung der X-Position.

Das Demonstrativum das ist kaum variabel: Varianten mit dem Demonstrativum der oder die sind sehr selten (6 bzw. 1 Beispiel im DeReKo).[7]Das kann im Deutschen exophorisch und endophorisch verwendet werden. Im schriftsprachlichen Corpus finden sich naturgemäß nur letztere Fälle, d. h. das Demonstrativum ist ana- oder katadeiktisch:

    1. anadeiktisch:

      Die Teekanne, die aus dem Nichts kam – wie absurd ist das denn?

      (Nürnberger Zeitung, 17.07.2013)

    2. katadeiktisch:

      Wie dreist ist das denn? Jedes Jahr gab es satte Gehaltserhöhungen für die EU-Beamten. Doch jetzt kommt raus – Deren Kinder machen Skiferien im Drei-Sterne-Hotel.

      (HMP10/JAN.02056 Hamburger Morgenpost, 23.01.2010, S. 1–4-5; Die EU-Raffkes)

Katadeiktische Verwendungen sind auch zahlreich, wenn die bewertete Proposition als Subjektsatz innerhalb eines komplexen Satzgefüges folgt, zu dem das Korrelat ist:

    1. Wie bescheuert ist das denn, gerade jetzt auf Kaffee zu verzichten?

      (NUZ06/NOV.01146 Nürnberger Zeitung, 11.11.2006;)

    2. „Wie peinlich ist das denn, dass die Volkspartei CSU jetzt aus Angst vor dem Volk davonläuft?“

      (Nürnberger Zeitung, 13.11.2012, S. 15;)

Das wichtigste Merkmal der wie-X-ist-das-denn-Konstruktion ist die obligatorische Lage des Nukleusakzents auf dem Demonstrativum (der sich im schriftlichen Corpus allerdings nicht empirisch belegen lässt). Die Verschiebung des Akzents auf die Kopula verändert sofort die Bedeutung der Konstruktion und nimmt ihr ihre exklamative Funktion. Stattdessen entsteht eine Frage:

    1. Die Teekanne, die aus dem Nichts kam – wie absurd ist DAS denn?! (Exklamativ)

    2. Die Teekanne, die aus dem Nichts kam – wie groß WAR die denn? (Frage)

    1. Wie bescheuert ist DAS denn, gerade jetzt auf Kaffee zu verzichten?! (Exklamativ)

    2. Wie gesund IST das denn, gerade jetzt auf Kaffee zu verzichten? (Frage)

Akzentuierung des deiktischen Elements ist, wie erwähnt, ein Merkmal, das nicht auf Grad-Exklamative beschränkt ist. Vielmehr ist sie typisch für Exklamative insgesamt (vgl. Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997: I. 157, d'Avis 2013, Oppenrieder 1989):

(13) (a) Du kommst SPÄT. (b) DU kommst (aber) spät!
(14) (a) Die hat rote HAAre. (b) DIE hat (aber) rote Haare!
(15) (a) Das sieht GUT aus. (b) DAS sieht (ja) gut aus!
(16) (a) Hast du ein schönes AUto? (b) Hast DU (aber) ein schönes auto!
(17) (a) [ich weiss nicht,] wen der KENNT. (b) Wen DER (alles) kennt!

Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen Exklamativen allgemein und der wie-X-ist-das-denn-Konstruktion: die Akzentuierung des Deiktikons ist im ersteren Fall nicht obligatorisch, im zweiten Fall schon.

Schließlich zur Modalpartikel denn. Es gibt Belege für ihr Fehlen, in der überwiegenden Zahl der Beispiele wird sie jedoch verwendet. In der Regel steht die Partikel am Ende, die Stellung wie X ist denn das wird vermieden. Im Corpus stehen die Beispiele mit denn in Letztstellung zu denen mit denn in der Position vor dem Demonstrativum (also etwa: wie perfide ist denn das!) etwa im Verhältnis 17 : 1 und zu Beispielen gänzlich ohne denn (etwa: wie behämmert ist das?) etwa 7 : 1. Möglicherweise spielt dabei der Rhythmus eine Rolle – die Emphase des Exklamativs gewinnt durch eine trochäische Nukleusstruktur, auf der sich die Intonationsbewegung besser entfalten kann als auf einer einzelnen kurzen Silbe.

Zusammenfassend lässt sich nun die prototypische wie-X-ist-das-denn-Konstruktion wie folgt darstellen:

Abb. 2: Die prototypische wie-ADJ-ist-das-denn-Konstruktion
Abb. 2:

Die prototypische wie-ADJ-ist-das-denn-Konstruktion

3 Die Nachbarkonstruktionen

Genauso wie die Wörter einer Sprache stehen auch ihre Konstruktionen in direkten und indirekten Verbindungen zu anderen Konstruktionen, mit denen sie Netzwerke bilden, die nach Ähnlichkeiten formaler und inhaltlicher Art organisiert sind (vgl. Diessel i. pr., Hilpert 2014: 50–74). Auch die wie-X-ist-das-denn-Konstruktion weist solche Ähnlichkeiten zu anderen Konstruktionen auf. Die wichtigsten benachbarten Konstruktionen sind die einfache Gradfrage (wie groß ist das (denn)?), das wie+ADJ-Exklamativ mit Verbletztstellung (wie schön das ist!), die adjektivlose Exklamation mit wie im Vorfeld (wie spielt der denn!), die Kurzform des Exklamativs (wie schön!) sowie die Suggestivfrage. Letztere halte ich für die wichtigste Nachbarkonstruktion der wie-X-ist-das-denn-Konstruktion. Es gibt im Corpus zahlreiche Beispiele, in denen die beiden sich formal sehr nahe kommen. Sie stammen sehr oft aus den im DeReKo enthaltenen Parlamentsdebatten oder den teils sehr kontrovers geführten Diskussionen aus den Wikipedia-Foren:

  1. Erst vor einem Monat kritisierte die CDU-Fraktion die rot-rote Koalition, dass sie nicht sparen kann oder will, und kommt hier mit einem Antrag, der neue freiwillige Aufgaben und neue Stellen schafft. Da frage ich Sie wirklich, Herr Dombrowski: Wie glaubwürdig ist das denn?

    (PBB/W05.00048 Protokoll der Sitzung des Parlaments Landtag Brandenburg am 25.01.2012)

Suggestivfragen suggerieren eine negative Antwort, sie sind aber immerhin noch als Frage erkennbar. (Eine Strategie, mit ihnen umzugehen, besteht daher gerade darin, sie positiv zu beantworten und damit ihren Status retrospektiv von einer Suggestiv- in eine wirkliche Frage umzudrehen.) Im Fall der Suggestivfrage in Bsp. (18) ist die nahegelegte Antwort, dass die Eigenschaft, die durch das Adjektiv bezeichnet wird, nicht zutrifft. Der Sprecher ist also selbst der Überzeugung, dass das Verhalten der anderen Fraktion nicht ‚glaubwürdig‘ ist, und dass dies von jedem erkannt werden kann. Auf die wie-ADJ-ist-das-denn-Konstruktion mit exklamativer Bedeutung trifft das nicht zu: es ist keine Inferenz notwendig, um die Bewertung des Sprechers zu erkennen, die ja fast immer direkt durch das bewertende Adjektiv ausgedrückt wird. Das Adjektiv in einer mit Gradfrageelement gebildeten Suggestivfrage ist in der Regel nicht ausschließlich bewertend, sondern deskriptiv-evaluativ (wie im Fall von glaubwürdig).

Trotz dieses pragmatischen Unterschieds gibt es zwischen den beiden Konstruktionen starke formale Ähnlichkeiten. Auch in einer Suggestivfrage kann das deiktische Element betont werden, der Nukleusakzent kann allerdings auch auf der Kopula oder dem Adjektiv liegen:

    1. wie glaubwürdig ist DAS denn?

    2. wie glaubwürdig IST das denn?

    3. wie GLAUBwürdig ist das denn?

Die Alternativen sind nicht kontextunabhängig austauschbar (insbesondere scheint Version (a) das Thema Glaubwürdigkeit als bereits aktiviert vorauszusetzen, während in einem solchen Kontext Version (c) gerade unwahrscheinlich ist). Sie belegen, dass die suggestive wie-Frage als Konstruktion deutlich weniger sedimentiert ist als die wie-ADJ-ist-das-denn-Konstruktion mit exklamativer Bedeutung. Dies zeigt sich auch an der Verwendung der Fragepartikel denn, die in Suggestivfragen gleichermaßen vor oder nach dem deiktischen Pronomen stehen kann:

    1. Wie glaubwürdig ist denn das?

    2. Wie glaubwürdig ist das denn?

Suggestivfragen sind immer Teil eines argumentativen und daher antagonistischen Diskurses, in dem eine Partei über die andere die Oberhand gewinnen will. Sie können daher von bestimmten Nachlaufelementen gefolgt werden, zu denen auch bitte(schön) gehört, das wir bereits als Begleiter der wie-Adj-ist-das-denn-Konstruktion kennen und das die Suggestivfragen ebenfalls dieser Konstruktion annähert. Die folgenden Beispiele aus den Auseinandersetzungen in den Wikipedia-Diskussionsgruppen belegen diese Verwendung von bitte(schön) nach Suggestivfragen:

    1. Der Abschnitt „Fuzzy-Set-Theorie“, der sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt dem historischen Rückblick anschließt, beginnt zunächst mit der Erklärung, was Fuzzylogik nicht ist. – Hallo? Wie sinnvoll ist denn das, bitteschön?

      (WDD11/F02.08032: Diskussion:Fuzzylogik, In: Wikipedia)

    2. Wie freizügig ist das denn bitte? Oder sollten das dort etwa Menschen zweiter Klasse sein? Ok, ich weiche etwas ab. (WDD11/S28.49038: Diskussion:Schießbefehl/Archiv)

Tabelle (1) stellt die Merkmale der eigentlichen wie+ADJ-Frage, des wie-Exklamativsatzes, des wie+ADJ-Exklamativs, des wie-ADJ-das-ist-Exklamativs, der wie+ADJ-Suggestivfrage sowie der evaluativen wie-ADJ-ist-das-denn-Konstruktion gegenüber:

Tab. 1:

Die wie-ADJ-ist-das-denn-Konstruktion und ihre Nachbarkonstruktionen

Gradfrage wie-ADJ…Wie-Exklamativ-Satzwie-ADJ-ExklamativWie-ADJ-das-ist-­Exklamativ

Suggestivfrage

wie-ADJ…

Wie-ADJ-ist-das-denn-Kon­struktion
BeispielWie teuer ist das (denn)?Wie spielt der denn!Wie geil!Wie teuer/schön das ist!wieglaubwürdig ist das (denn)?wie geil ist das denn!
Syntaxwie ADJ KOP NPsubjWie im Vorfeld wie ADJ wie ADJ NPsubj KOP wie ADJ KOP NPsubjwie ADJ KOP DEMsubj
denn optional denn quasi obligatorisch denn nicht möglich denn nicht möglich denn häufig denn häufig, fast immer in finaler Stellung nach das
Semantik Nicht-bewertendes, gradierbares ADJ Gradierbares, meist bewertendes ADJ gradierbares ADJ deskriptiv-bewertendes ADJ fast immer bewertendes ADJ
Pragmatik verlangt Antwort Bewertende Handlung, aber Bewertung (in der Regel negativ) muss inferiert werden; drückt Überraschung über den Grad aus, zu dem die inferierte Bewertung zutrifft drückt Überraschung über den Grad aus, zu dem das ADJ auf den bewerteten Sachverhalt zutrifft, bewertende Handlung drückt Überraschung über den Grad aus, zu dem das ADJ auf den bewerteten Sachverhalt zutrifft, bewertende Handlung suggeriert negative Antwort, bewertende Handlung drückt Überraschung über den Grad aus, zu dem das ADJ auf den bewerteten Sachverhalt zutrifft, bewertende Handlung
Prosodie Fokusakzent auf dem ADJ oder der KOP (nur bei exophorischem Gebrauch auch auf dem DEM) Fokusakzent variabel Fokusakzent auf dem ADJ Normalerweise Fokusakzent auf dem ADJ Fokusakzent auf dem Demonstrativum möglich, aber nicht obligatorisch Fokusakzent auf dem Demonstrativum
Oft, aber nicht obligatorisch hoher Grenzton Obligatorisch tiefer Grenzton Tiefer Grenzton obligatorisch Tiefer Grenzton Meist tiefer Grenzton Tiefer Grenzton obligatorisch

Wie nah stehen diese fünf Konstruktionen dem Satzmodus der Frage und wie nahe dem Satzmodus des Exklamativs? Nimmt man das Vorkommen von denn als Indikator, so gruppieren sich wie-ADJ-Exklamativ und wie-ADJ-das-ist-Exklamativ zusammen – diese beiden Konstruktionen stehen dem Satzmodus ‚Frage‘ fern und akzeptieren die Modalpartikel denn nicht, während die Suggestivfrage, das wie-Satz-Exklamativ und natürlich die eigentliche wie-Grad-Frage dem Satzmodus ‚Frage‘ näher stehen bzw. ihn repräsentieren und entsprechend mit denn vorkommen können bzw. fast immer vorkommen.

Aufschlussreich ist der Vergleich der wie-ADJ-ist-das-denn-Konstruktion mit der exklamativen wie-Konstruktion ohne Adjektiv, die nach einer Eigenschaft fragt, die nicht expliziert wird, sondern erschlossen werden muss – die Gesamt­evaluation der so nahegelegten Eigenschaftszuschreibung ist meist negativ. In dieser Konstruktion ist die Fragepartikel quasi obligatorisch:

  1. Wie spielt DIE denn Klavier! (Implikatur: ‚schlecht‘)

Nun ist es aber kein Zufall, dass (22) keine explizite Bewertung enthält, sondern diese nur zu inferieren nahe legt: einen Sachverhalt zugleich zu bewerten und nach ihm (wenn auch nur suggestiv) zu fragen, wäre widersprüchlich. Es ist dieser Widerspruch, der in einer Äußerung wie geil ist das denn! etc. irritierend ist: einerseits handelt es sich um eine Konstruktion, die noch nah an der (Suggestiv-)Frage ist (wie durch denn deutlich wird – die Partikel kommt ja nur in Fragen vor), die andererseits aber eine klare und explizite Bewertung enthält. Die semantisch-pragmatische Irregularität, die die Konstruktion ausmacht, besteht genau darin: es erfolgt eine Bewertung durch den Sprecher oder die Sprecherin, nach der diese/r zugleich (suggestiv) fragt. Wer aber darüber überrascht ist, wie ‚geil‘ etwas ist, muss der Hörerin nicht mehr nahe legen, dass es das ist.

4 Vermutungen zur Entstehung der Konstruktion

Aus den bisherigen Beobachtungen ergibt sich zweifelsfrei, dass die wie-X-ist-das-denn-Konstruktion hochgradig sedimentiert ist. Im Vergleich zu ihren Nachbarkonstruktionen lässt sie weniger Spielraum für formale Variation. So ist das Subjekt immer ein Demonstrativum, in der großen Mehrzahl der Fälle das; für die Stellung der Modalpartikel denn kommt vor allem die Endposition in Frage, der Satzakzent ist immer auf dem Demonstrativum, die Satzintonation ist fallend, und das Adjektiv in der Gradkonstruktion ist prototypisch bewertend. Die Semantik und Pragmatik der Konstruktion sind ebenfalls nicht variabel; der Sprecher drückt seine Überraschung über den Grad aus, zu dem die Bewertung, die im Adjektiv enthalten ist, auf die Proposition(en) zutrifft, auf die sich das Demonstrativum bezieht. Die Äußerung ist daher nicht nur bewertend, sondern steht auch im Modus der Exklamation. Zugleich ist es klar, dass die Konstruktion nicht einfach eine Spezialform einer der Nachbarkonstruktionen ist, denn sie kann keiner dieser Nachbarkonstruktionen eindeutig zugeordnet werden.

Wie kann man sich die Entstehung einer solchen Konstruktion vorstellen? Empirisch lässt sie sich nicht mehr rekonstruieren, denn wir verfügen nicht über die notwendigen mündlichen Corpora aus der Zeit der 1990er Jahre, und in der geschriebenen Sprache tauchen Belege für die Konstruktion erst zu dem Zeitpunkt auf, zu dem sie im Mündlichen schon in voller Ausprägung vorhanden gewesen sein muss. (Entsprechend lassen sich in den hier verwendeten Datensätzen für die Zeit ab 2005 auch keine wesentlichen Veränderungen in der formalen Struktur und Verwendung der Konstruktion nachweisen.) Wir sind also auf eine Rekonstruktion eines plausiblen Entstehungswegs angewiesen. Offenbar handelt es sich um eine auf maximalen kommunikativen Effekt hin orientierte Konstruktion, die möglicherweise unter jungen Sprecher/innen entstanden ist (worauf die häufige Verwendung von cool und geil in der ADJ-Position hindeutet). Sie wird sich also nicht unmerklich und allmählich aus anderen Konstruktionen entwickelt haben, sondern auf auffällige Wirkung (vgl. Haspelmath’s Extravaganz-Maxime, Haspelmath 1999) hin geschaffen worden sein.

Lässt sie sich die Konstruktion auf diesem Hintergrund als eine Verschmelzung mehrerer schon existierender Konstruktionen verstehen?

Kandidat für ein solches blending ist zunächst die einfache Gradfragekonstruktion (wie ADJ ist X?), also eine der erwähnten Nachbarkonstruktionen, in Kombination mit der exklamativen Betonung auf dem Demonstrativum (die ja, wie oben ausgeführt, für Exklamative insgesamt typisch ist und daher als eine prosodische Konstruktion aufgefasst werden kann):

Abb. 3: Die wie-ADJ-ist-das-denn-Konstruktion als blend von Gradfragen- und prosodischer Exklamativkonstruktion?
Abb. 3:

Die wie-ADJ-ist-das-denn-Konstruktion als blend von Gradfragen- und prosodischer Exklamativkonstruktion?

Da die wie-X-ist-das-denn-Konstruktion vor allem textdeiktisch verwendet wird, die einfache Grad-Fragekonstruktion hingegen auch sehr oft exophorisch (situationsdeiktisch), wäre die Verschmelzung mit einer semantisch-pragmatischen Verschiebung verbunden, die sich nicht aus den beiden Quellkonstruktionen ableiten ließe. Gegen diese Rekonstruktion spricht allerdings, dass die einfache wie-X-ist…-Gradfrage keine evaluativen Adjektive in der X-Position erlaubt, ohne Inferenzen auszulösen, also zur Suggestivfrage zu werden:

  1. *Wie SCHÖN ist die denn?

Eine Äußerung wie (23) kann – anders als Wie alt ist der denn? (etwa bei deiktischem Verweis auf ein Lebewesen) – nicht nach einem Sachverhalt fragen, also keine Informationsfrage sein.

Plausibler ist eine andere Rekonstruktion, die das wie-ADJ-ist-das-denn-Exklamativ auf Suggestivfragen (in Verbindung mit der prosodischen Exklamativkonstruktion) zurückführt. Suggestivfragen mit einem demonstrativen, anadeiktischen Pronomen und einem beschreibend-evaluierenden Adjektiv, also der dominanten Struktur der ‚Zielkonstruktion‘, sind bei Suggestivfragen durchaus üblich. Ihre prosodische Gestalt ist allerdings variabel, so dass auch hier anzunehmen ist, dass die prosodische Exklamativkonstruktion auf dieses segmentale Gerüst ‚aufgesattelt‘ wurde:

Abb. 4: Die wie-X-ist-das-denn-Konstruktion als blend von Suggestivfragen- und prosodischer Exklamativkonstruktion
Abb. 4:

Die wie-X-ist-das-denn-Konstruktion als blend von Suggestivfragen- und prosodischer Exklamativkonstruktion

Der wichtigste semantisch-pragmatische Unterschied zwischen Suggestivfragen und der wie-X-ist-das-denn-Konstruktion ist, dass letztere keine Implikatur auslöst, die die Polarität der Bewertung des Adjektivs in der X-Position umdreht, sondern direkt interpretiert wird. Die Streichung der Implikatur ist wohl eine Folge der Verschmelzung mit der prosodischen Exklamativkonstruktion, also der Verlagerung des Satzakzents auf das Demonstrativum. Äußerungen, die auf diese Weise als Exklamativ markiert werden (vgl. 13–17), entfernen sich dadurch vom Satzmodus der Frage. Aber um die Implikatur dauerhaft aufzuheben, musste sich die Beziehung der Äußerung zu ihrem Kontext grundlegend (also als Teil des Konstruktionswissens) verändern. Der Weg führt über eine Polaritätsumdrehung.

Suggestivfragen kommen in argumentativen Kontexten vor, in denen ein Sprecher das Argument der Gegenpartei zu entkräften versucht. Zu diesem Zweck verwendet der Sprecher meist ein positiv bewertendes Adjektiv und schreibt es der gegnerischen Partei, einer von ihr ausgeführten Handlung oder von ihr vertretenen Position zu. Zugleich wird die Implikatur ausgelöst, dass diese positive Bewertung unzutreffend ist und durch ihr Gegenteil ersetzt werden muss. Viel seltener ist der umgekehrte Fall, in dem der Sprecher innerhalb einer Argumentation ein negatives Adjektiv verwendet und die Implikatur auslöst, dass diese negative Bewertung falsch ist und in eine positive umgedreht werden sollte. In einem Kontext wie in Beispiel (18) oben ist die Frage nach der ‚Glaubwürdigkeit‘ eine Strategie, um die Zuschreibung von Unglaubwürdigkeit nahe zu legen; umgekehrt wäre eine Frage wie Wie unlogisch ist das denn? rhetorisch unsinnig, weil die Inferenz, die zur Umkehrung ihrer Polarität führen könnte, von den Zuhörern im argumentativen Kontext gar nicht gezogen würde. Im Rahmen von Argumentationen ist es also unwahrscheinlich, dass eine negative Bewertung in der Adjektiv-Position einen Kontext findet, in dem sie positiv umgedeutet werden kann. Der wahrscheinlichste Ausgangspunkt für die neue Konstruktion ist daher eine solche Suggestivfrage, bei der zwar die prosodische Struktur auf ein Exklamativ hindeutet, ein negativ bewertendes Adjektiv in der X-Position aber die Implikatur verhindert.

Abb. 5: Blockierung der Implikatur im Konstruktionsschema der Suggestivfrage durch ein negativ bewertendes Adjektiv in Verbindung mit der Exklamativbetonung
Abb. 5:

Blockierung der Implikatur im Konstruktionsschema der Suggestivfrage durch ein negativ bewertendes Adjektiv in Verbindung mit der Exklamativbetonung

Der qualitative Sprung, der die Innovativität und Kreativität der wie-X-ist-das-denn-Konstruktion ausmachte, wäre dann die Polaritätsumkehrung der intendierten Bedeutung qua Blockierung der Implikatur der Suggestivfrage. Die Verwendung mit positiv-evaluierenden Adjektiven (insbesondere die hochfrequente Verwendung mit cool und geil) wäre dieser Hypothese zufolge schon ein späterer Entwicklungsschritte innerhalb des etablierten Schemas.

Die übrigen Merkmale der wie-X-ist-das-denn-Konstruktion können als Se­dimentierungsschritte verstanden werden, die die Konstruktion profilieren, d. h. ihre affektive Prägnanz verbessern. So ist die V-Position auf die Kopula und das Demonstrativum fast vollständig auf das festgelegt, die Position des denn ist weitgehend auf das Satzende beschränkt. Die Konstruktion hat ihre Verwendungskontexte zudem erweitert, indem die ursprünglich anadeiktische Verwendung des Demonstrativums auf die katadeiktische ausgedehnt wurde. (Die Spezifizierung „anadeiktisch“ muss also im Konstruktionsschema nicht mehr aufgeführt werden.)

Abb. 6: Weitere Entwicklungen der Konstruktion (Sedimentierung formaler Varianten, Ausweitung auf katadeiktische und allgemein-bewertende Adjektive)
Abb. 6:

Weitere Entwicklungen der Konstruktion (Sedimentierung formaler Varianten, Ausweitung auf katadeiktische und allgemein-bewertende Adjektive)

Schließlich spricht die analogische Ausweitung der Konstruktion auf nicht-bewertende Adjektive (und als Adjektive verwendete Wörter) für einen weiteren Entwicklungsschritt: Belege wie das einleitende wie dankeschön ist das denn! zeigen, dass die Konstruktion selbst bereits – positiv! – bewertend verstanden wird, auch wenn das Element in der X–Position kein bewertendes Adjektiv (bzw. noch nicht einmal ein Adjektiv) ist:

Abb. 7: Hypothetische neueste Entwicklungen der Konstruktion (Ausweitung auf nicht-bewertende Adjektive, Ausweitung auf andere Elemente als Adjektive, positive evaluative Bedeutung der Konstruktion)
Abb. 7:

Hypothetische neueste Entwicklungen der Konstruktion (Ausweitung auf nicht-bewertende Adjektive, Ausweitung auf andere Elemente als Adjektive, positive evaluative Bedeutung der Konstruktion)

5 Abschließende Bemerkungen

Neue Konstruktionen können auf sehr unterschiedliche Weisen entstehen. Im Regelfall wird man sich wohl vorstellen müssen, dass sich eine neue Konstruktion allmählich aus einer oder mehreren anderen herausbildet. Im Fall der Konstruktion, die durch den Satz wie geil ist das denn! (zumindest in schriftlichen Dokumenten) am häufigsten instantiiert wird, ist ein anderer Weg wahrscheinlicher, der über bewusst erzielte sprachliche Salienz und dadurch Extravaganz des Sprechers/der Sprecherin läuft und daher seiner Natur nach nicht allmählich ist. Diese Salienz wird durch die (vermutlich bewusste) Kombination nicht-kompatibler benachbarter Konstruktionen erzielt, im vorliegenden Fall der exklamativen prosodischen Konstruktion mit Akzent auf dem Demonstrativum und tiefem Grenzton sowie der Suggestivfragen-Konstruktion. Einmal (möglicherweise in jugendsprachlichen Kontexten) geprägt, hat die neue Konstruktion aufgrund ihrer Salienz durch mediale Unterstützung den Weg in das deutsche ‚Konstruktikon‘ gefunden.

Der entscheidende Schritt von der Suggestivfrage zur wie-X-ist-das-denn-Konstruktion ist nach der hier vorgeschlagenen Rekonstruktion der Genese ein pragmatischer (der durch die Verschmelzung mit der prosodischen Konstruktion des Exklamativs ausgelöst wird): die in der Suggestivfrage angelegte Implikatur wird dauerhaft unterbunden, die explizite Bewertung ist auch die gemeinte. Der Ursprung der Konstruktion würde damit in einer Polaritätsumdrehung liegen. Der dominante Fall der Suggestivfrage – nämlich eine negativ gemeinte positive Bewertung – wurde zu einer positiv gemeinten positiven Bewertung im Rahmen einer Exklamativkonstruktion umgedreht. Das Spiel mit Implikaturen hat enorme Effekte, zugleich aber eine spielerische Qualität, die gut in einen ‚jugendsprachlichen‘ Kontext passt.

Polaritätsumdrehungen durch Blockierung von Implikaturen sind nicht auf diesen Fall beschränkt. Ein weiteres Beispiel ist die Interpretation des Quantors ganz; vgl. (24)(a/b):

  1. ganz – Interpretation ‚wenig‘/‚viel‘

    1. Doch die Freude währte nur kurz. Ganze fünf Minuten später beendete Chelsea-Legionär Didier Drogba erst die Siegeseuphorie, um weitere 30 Minuten später mit dem entscheidenden Treffer im Elfmeterschießen alle Hoffnungen zu zerstören.

      http://www.az-online.de/lokales/altmarkkreis-salzwedel/gardelegen/fuenf-minuten-siegesrausch-2326390.html

    2. Der Traum war so außerordentlich lebhaft gewesen, dass sie nach dem Erwachen ganze fünf Minuten lang völlig desorientiert war. (A.C. Clarke, Rendezvous mit Übermorgen, S. 563)

Die Bedeutung des adjektivischen ganz schwankt zwischen ‚kaum‘ (die durch Implikatur erschlossene Bedeutung) und ‚den gesamten Zeitraum von‘ ~ ‚die gesamte Länge von‘ (die direkt erschließbare Bedeutung). In der (b)-Version entspricht die Interpretation der in ganz lexikalisch inhärenten Semantik von ‚vollständig, exhaustiv‘, während in der (a)-Version diese Bedeutung durch kontextuelle Inferenzen in ihr Gegenteil ‚wenig‘ umgedreht wird. Auch hier handelt es sich um einen Fall von Polaritätsumkehr durch Aufhebung der Implikatur und daher der Kontextabhängigkeit der Quantoren-Konstruktion.[8]

Wenn die Hypothese zutrifft, dass Polaritätsumkehrung durch Streichung der Implikatur ein generelleres stilistisches Verfahren ist, das für die Bildung neuer Konstruktionen eingesetzt werden kann, stellt sich eine weitergehende Frage: ist es wirklich zutreffend, dass das sprachliche Wissen der kompetenten Sprecher und Sprecherinnen einer Sprache ausschließlich aus den Konstruktionen dieser Sprache (sowie einfachen, nicht sprachspezifischen ‚Vererbungsprinzipien‘ bei der hierarchischen Einbettungen von Konstruktionen) besteht, wie in der Konstruktionsgrammatik immer wieder betont wird?[9] Gehört zum sprachlichen Wissen (zur ‚sprachlichen Kompetenz‘) nicht auch die Fähigkeit, mit existierenden Konstruktionen kreativ umzugehen und sie so einzusetzen, dass neue Konstruktionen entstehen? Was es bedeutet, ‚eine Sprache zu sprechen‘, ist dann mehr als nur die Fähigkeit, Konstruktionen zu instantiieren. Eine solche Auffassung würde das Verhältnis von sprachlicher Praxis und Konstruktionswissen trivialisieren, was gerade aus einer gebrauchsbasierten, noch mehr aus einer interaktional basierten Sicht auf Sprache irreführend wäre. Gebrauch ist mehr, als Muster zu replizieren (Mengden & Coussé 2014: 5). Hermann Paul, der erste Theoretiker der gebrauchsbasierten Linguistik, formulierte es so:

Es war ein Grundirrtum der älteren Sprachwissenschaft, dass sie alles Gesprochene, so lange es von dem bestehenden Usus nicht abweicht, als etwas bloss gedächtnismässig Reproduziertes behandelt […]. Zwar hat schon W. v. Humboldt nachdrücklich betont, dass das Sprechen ein immerwährendes Schaffen ist. Aber noch heute stösst man auf lebhaften und oft recht unverständigen Widerspruch, wenn man die Konsequenzen dieser Anschauungsweise zu ziehen sucht. Die Wörter und Wortgruppen, die wir in der Rede verwenden, erzeugen sich nur zum Teil durch blosse gedächtnismässige Reproduktion des früher Aufgenommenen.“ (1920: § 78)

Die Konstruktionsgrammatik hat die scharfe Trennung zwischen Lexikon und Grammatik, die Strukturalismus und Generativismus propagierten, aufgehoben. Die scharfe Trennung zwischen Grammatik und Pragmatik muss erst noch überwunden werden.

Danksagung

Ich danke Susanne Günthner für ihre Kommentare zu einer früheren Version und Susanne Uhmann für das Eingangsbeispiel „Fressnapf“.

Literatur

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Online erschienen: 2016-4-14
Erschienen im Druck: 2016-4-1

© 2016 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston

Downloaded on 19.4.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zgl-2016-0003/html
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