Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - P19
DOI: 10.1055/s-2008-1078922

Systematische Übersichtsarbeit zum Vergleich restriktiver vs. großzügiger Erythrozytentransfusionsgrenzen bei Frühgeborenen

D Bassler 1, M Weitz 1, A Bialkowski 1, C Poets 1
  • 1Abteilung für Neonatologie, Eberhard-Karls-Universität Universitätsklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Tübingen

Hintergrund: Die meisten Frühgeborenen unter 1000g Geburtsgewicht erhalten mindestens eine Erythrozytentransfusion während des initialen Krankenhausaufenthaltes. Dieses Vorgehen birgt potentielle Gefahren (Infektionen, Eisenüberladung) und viele neonatologische Abteilungen haben daher in den letzten Jahren restriktive Transfusionsgrenzen eingeführt. Bezüglich der Festlegung konkreter Grenzen existieren jedoch erhebliche Unterschiede in der Praxis und das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer restriktiven im Vergleich zu einer großzügigen Transfusionsstrategie ist nicht endgültig geklärt. Ziel: Das Ziel der vorliegenden systematischen Übersichtsarbeit bestand in der Klärung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses einer restriktiven versus einer großzügigen Transfusionsstrategie bei Frühgeborenen. Methoden: Wir führten eine systematische elektronische Literatursuche (Medline, Cochrane Library: 1966–2007) nach Standards der Cochrane Collaboration durch. Alle randomisiert-kontrollierten Studien zum Vergleich zwischen restriktiven und großzügigen Erythrozytentransfusionsgrenzen bei Frühgeborenen wurden eingeschlossen. Die methodische Qualität der eingeschlossenen Studien wurde anhand der folgenden Kriterien beurteilt: Generierung der Randomisierungssequenz, Geheimhaltung der Randomisierungssequenz, Verblindung und Erfassungsraten bei Nachuntersuchungen. Daten zu Patienten, Transfusionsindikationen, Komedikation und klinisch bedeutenden Zielgrößen wurden extrahiert. Eine Meta-Analyse mittels ReviewManagers unter Anwendung eines Random-Effekt-Modells war geplant. Ergebnisse: Sieben im Volltext publizierte Studien mit insgesamt 712 Patienten erfüllten die Einschlusskriterien. Die methodische Qualität der meisten Studien war niedrig. Patientencharakteristika, Transfusionsindikationen, Studiendauer und erfasste Zielgrößen unterschieden sich zum Teil erheblich zwischen den einzelnen Studien. Aufgrund der Heterogenität wurde auf eine metaanalytische Zusammenfassung verzichtet. Die größte Studie schloss 451 Frühgeborene unter 1000g Geburtsgewicht ein, war von hoher methodischer Qualität und fand keinen klinisch relevanten Unterschied zwischen restriktiven und großzügigen Transfusionsgrenzen1. Diskussion: Die klinische und methodische Heterogenität der Studien erschwert die quantitative Zusammenfassung der Studienergebnisse und lässt derzeit keine konkreten Schlussfolgerungen für die klinische Praxis zu. Entsprechend den Ergebnissen der größten Studie scheint eine großzügige Transfusionsstrategie wenig klinische Vorteile für die betroffenen Frühgeborenen zu bieten1.

1Kirpalani H et al. The Premature Infants in Need of Transfusion (PINT) study. J Pediatr. 2006;149:301–307.