Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - P356
DOI: 10.1055/s-2007-983326

Schwere Hirnschädigung bei Kombination konnatal erweiterter Extrazerebralräume und Schütteltrauma

S Beck 1, N Bachmaier 1, JP Haas 1, S Otto 2, M Fritsch 3, KP Philipp 4, C Fusch 1, RD Stenger 1
  • 1Kinderklinik, Ernst-Moritz-Arndt Universität, Greifswald
  • 2Institut für Diagnostische Radiologie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald
  • 3Klinik für Neurochirurgie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald
  • 4Institut für Rechtsmedizin, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald

Hintergrund: Schütteltraumen (Shaken baby syndrome) mit diskreten oder fehlenden äußerlich sichtbaren Verletzungen werden vor allem im Säuglingsalter beobachtet. Akzelerations-, Dezelerations- oder Rotationsbewegungen des Kopfes können zu Blutungen infolge Scherwirkungen an Brücken- und Retinavenen führen, was eine pathognomonische Befundkonstellation beim Schütteltrauma ergibt. Abhängig von Intensität und Dauer können subdurale Blutungen zu intrakraniellen Druckerhöhungen und unerkannt zum Tode führen.

Fallbericht: Die Patientin wurde nach durch Nikotinabusus und Zervixinsuffizienz kompliziertem Schwangerschaftsverlauf in der 26+5 SSW nach vorzeitigem Blasensprung durch primäre Sektio mit 880g aus Querlage entbunden. Bereits postnatal wurden deutlich erweiterte Extrazerebralräume diagnostiziert. Am Aufnahmetag wurde das 6 Monate alte Kind nach einem anamnestisch leichten SHT apnoisch, blass und schlaff im Bett aufgefunden. Während der Laienreanimation war das Kind auch geschüttelt worden. Nach notärztlicher Einweisung wurden Tachypnoe, Tachykardie, bombierte Fontanelle, Hautblässe, zerebrale Anfälle mit Herdblick nach rechts, retinale Blutungen und eine dekompensierte metabolische Azidose beobachtet. Zunehmende Atemstörung erforderte eine Intubation und Beatmung. Im Akut-cCT zeigte sich ein bifrontales, rechts betontes Subduralhämatom mit einer Mittelstrukturverlagerung nach links und Hinweise auf einen globalen hypoxischen Hirnschaden. Es erfolgte die neurochirurgische Druckentlastung und Drainage für 2 Tage bei Nachblutung in den Subduralraum. Die Anfälle sistierten nach Phenobarbitalgabe. Ein posttraumatisches cMRT nach 3 Wochen ergab supratentoriell ausgeprägte liquorintense, zystische Parenchymdefekte in beiden Großhirnhemisphären, ein erweitertes Ventrikelsystem und eine nicht differenzierbare Mark-/Rindengrenze. Stammganglien, Hirnstamm und Kleinhirn schienen unversehrt. Trotz der sich klinisch entwickelnden schweren neurologischen Schädigung mit Tetraspastik wurde nach dem Abschluss der Akutbehandlung mit einer Rehabilitation begonnen. Die Rechtsmedizin und Ermittlungsorgane wurden initial eingeschaltet eine weitere Ermittlung gegen die Angehörigen jedoch nicht durchgeführt. Schlussfolgerungen: Bei akuten lebensbedrohlichen Störungen des ZNS im Säuglingsalter muss immer auch an ein Schütteltrauma gedacht werden. Hierbei können keinerlei äußere Verletzungen erkennbar sein. Auch muss das Trauma nicht notwendigerweise durch eine Misshandlung entstanden sein. In jedem Fall sollte jedoch der Verdacht einer Kindmisshandlung ermittelt und ggf. ausgeschlossen werden. Im geschilderten Fall muss eine nicht sachgerecht durchgeführte Laienreanimation als Ursache angenommen werden. Elongierte Brückenvenen bei erweiterten Subduralräumen sind gegenüber Scherwirkungen vulnerabler, der pathogenetische Wirkungsmechanismus des Schütteltraumas wird verstärkt und führte wie bei unserem Fall zu schweren zerebralen Schädigungen.