Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - P202
DOI: 10.1055/s-2007-983273

Intrauterine Therapie oder akute Entbindung und extrauterine Therapie bei fetaler Tachykardie mit myokardialer Kontraktilitätsstörung und globaler Herzinsuffizienz

A Staffler 1, A Hilgendorff 1, AW Flemmer 1, M Loeff 1, A Strauss 1, A Schulze 1
  • 1Neonatologie der Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. v. Haunerschen Kinderspital, Perinatalzentrum Großhadern, München

Hintergrund: Bei anhaltender fetaler supraventrikulärer Tachyarrhythmie sind mehrere therapeutische Optionen gegeben: (1) Gabe von Antiarrhythmika an die Mutter, (2) Applikation direkt in den fetalen Kreislauf über Cordocentese, (3) Entbindung und postnatale Therapie. Die Datenlage zu Effektivität und Sicherheit dieser Optionen ist nicht hinreichend für evidenzbasierte Empfehlungen. Fragestellung: Welche spezifische Symptomatik legt Vorteile eines bestimmten Applikationsweges gegenüber den anderen Optionen nahe? Fall: Bei einer 33-jährigen Frau mit bisher unauffälligem Schwangerschaftsverlauf wurden im Rahmen einer Routinekontrolle in der 29+6/7 Schwangerschaftswoche eine fetale supraventrikuläre Tachykardie (SVT) mit einer Herzfrequenz von 250–270/min mit Zeichen eines Hydrops fetalis und Volumenvergrößerung der Plazenta festgestellt. Unter den Annahmen, dass (1) bei schwerer fetaler Herzinsuffizienz mit Vergrößerung der Plazenta eine diaplazentare Therapie ineffektiv ist und die Wirkung zu langsam eintritt sowie (2) die Cordocentese in dieser Situation mit einem erhöhten Risiko verbunden ist, wurde die Mutter rasch durch Sectio caesarea nach einmaliger antenataler Steroidgabe entbunden. Das hydropische Frühgeborene wurde primär intubiert und erhielt intratracheal Surfactant. Vagusmanöver zur Terminierung der SVT waren erfolglos. Intravenöse Bolusinjektionen von Adenosin führten prompt, aber anfangs nur intermittierend zur Konversion. Erst nach viermaliger Gabe von Adenosin und Aufsättigung mit Amiodaron stellte sich nach 7 Stunden ein stabiler Sinusrhythmus ein. Es bestand eine schwere globale Kontraktilitätsstörung (fractional shortening <10%) mit metabolischer Azidose, die sich bei anhaltendem Sinusrhythmus unter Katecholaminunterstützung erst ab dem drittem Lebenstag besserte. Aufgrund der Anfall- und Ruhe-EKGs bestand am ehesten eine SVT mit akzessorischer Leitungsbahn (concealed WPW) bei sonographisch normaler Anatomie des Herzens. Etwa ab der 5. Lebenswoche war eine schwere beidseitige diffuse periventrikuläre Leukomalazie sichtbar. Ergebnisse und Diskussion: Selbst die rasche Entbindung nach Diagnosestellung und sofortige extrauterine Kardioversion konnten den schweren zerebralen Folgezustand nicht verhindern. Eine Cordocentese mit einmaliger medikamentöser Kardioversion wäre nutzlos geblieben, da die Tachykardie anfänglich in kurzen Zeitabständen rezidivierte. Der Verlauf demonstriert die Notwendigkeit einer frühen effektiven Intervention. Eine schwere Tachykardiomyopathie ist zwar nach Tagen rückbildungsfähig, kann aber neurologische Folgeschäden bedingen.