Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - P111
DOI: 10.1055/s-2007-983182

Congenital insensitivity to pain and anhydrosis(CIPA) – eine seltene Differenzialdiagnose der Hyperthermie des Neugeborenen

J Spiegler 1, W Göpel 1, E Herting 1
  • 1Kinderklinik, Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Lübeck

Hintergrund: Hohes Fieber ist beim Neugeborenen ein seltenes Symptom. Nach Ausschluss eines infektiösen Geschehens sollte, insbesondere beim Vorliegen zusätzlicher klinischer Symptome, differenzialdiagnostisch immer auch an eine hereditäre Erkrankung gedacht werden. Wir berichten über ein Neugeborenes mit rezidivierender Hyperthermie und neurologischen Auffälligkeiten, bei dem wir aufgrund der – bis dato nicht geklärten Erkrankung eines älteren Geschwisters – die seltene Diagnose einer CIPA stellen konnten. Fallvorstellung: Ein Neugeborenes (Patient 1) von 40 SSW und einem Geburtsgewicht von 3100g fiel wenige Stunden nach Geburt durch einen vollständig fehlenden Muskeltonus auf. Dieser persistierte für einige Stunden, wurde von einem normalen Muskeltonus abgelöst und trat wiederholt in den folgenden Lebenstagen auf. Ebenfalls trat wiederholt hohes Fieber (41C) mit begleitender Tachycardie bis 280/min. auf. Zusätzlich fiel ein fehlendes Schwitzen in den Fieberphasen auf. Ein drei Jahre alter Bruder (Patient 2) des Patienten wurde im ersten Lebensjahr wiederholt mit fraglicher Sepsis aufgenommen, stets mit hohem Fieber, ohne Erregernachweis, aber teilweise mit erhöhten Entzündungswerten einhergehend. In umfangreichen Untersuchungen fand sich kein Anhalt für einen Immundefekt. Im zweiten Lebensjahr traten wiederholt schwere Verletzungen/Verbrennungen auf, die Wunden heilten stets schlecht ab. Die Eltern sind Cousins ersten Grades. Die weiterführende Diagnostik ergab bei beiden Brüdern keine messbare Schweißproduktion sowie eine deutliche Analgesie. Dies legte die Diagnose einer CIPA nahe. Patient 2 ist deutlich psychomotorisch retardiert. Patient 1 entwickelt sich bisher (6Monate) unauffällig. Durch die Kenntnis der Diagnose konnten weitere hypertherme Episoden bei diesem Patienten verhindert werden. Durch die Analgesie und psychomotorische Retardierung zeigt Patient 2 ein selbstverletzendes Verhalten und benötigt eine ständige Aufsicht. Diskussion und Schlussfolgerung: CIPA ist ein autosomal rezessiv vererbtest Krankheitsbild, welches klinisch (Anhydrosis, Analgesie bei ansonsten normaler Funktion der peripheren Nerven) diagnostiziert wird. Es wird durch eine Mutation imneurotropen Tyrosinkinaserezeptorkinase 1 Gen (NTRK1) verursacht. Die meisten Patienten zeigen eine psychomotorische Retardierung unterschiedlicher Ausprägung. Eine gestörte Wundheilung ist ein ebenfalls häufig gesehenes Phänomen. CIPA sollte als Diagnose bei neurologisch auffälligen Neugeborenen mit unerklärtem Fieber und auffällig geringer/fehlender Schweißproduktion sowie reduziertem Schmerzempfinden in Erwägung gezogen werden.