Z Gastroenterol 2006; 44 - P_49
DOI: 10.1055/s-2006-955519

Auswirkungen enteraler Immunonutrition auf Proliferation, Differenzierung und Apoptose kolorektaler Karzinomzellen

T Steinbrunn 1, T Kudlich 1, R Melcher 1, J Schauber 1, H Lührs 1, T Menzel 1, W Scheppach 1
  • 1Universität Würzburg, Medizinische Klinik und Poliklinik II, Schwerpunkt Gastroenterologie

Hintergrund: Glutamin, Butyrat und Antioxidantien dienen als immunmodulierende Nährsubstrate für kritisch kranke Patienten. Während Glutamin eine Energiequelle für sich schnell teilende Zellen darstellt, kann es ebenso das Wachstum neoplastischer Zellen fördern und die Apoptose hemmen. Butyrat stimuliert das Wachstum normaler Kolonzellen in vivo, inhibiert aber die Proliferation von Karzinomzellen in vitro. Antioxidantien wie Vitamin C oder das Spurenelement Selen können selektiv Apoptose in Tumorzellen auslösen, während sie gleichzeitig das Wachstum normaler Zellen fördern. Die Kombination dieser Substrate könnte zu einem immunstimulierenden und wachstumsfördernden Effekt in normalen Zellen führen, ohne dabei die Zelltransformation und das Wachstum neoplastischer Zellen zu stimulieren. Methodik: Die kolorektalen Karzinomzelllinien SW-620 und HT-29 und die Adenomzelllinie Geki-2 wurden 24h bis 72h mit der enteralen Immunonutrition Intestamin® 1,25% bis 10% im Standardmedium inkubiert. Intestamin® enthält hohe Dosen Glutamin, Butyrat und Antioxidantien. Zellproliferation und Zelldifferenzierung wurden durch Zellzählung bzw. Messung der Alkalischen Phosphatase (AP) ermittelt. Zellzyklusverteilung und Apoptose wurden im FACS mithilfe der Annexin V/ Propidiumjodid-Färbung bestimmt. Die Expression verschiedener Faktoren der Zellzykluskontrolle und Apoptose (PCNA, p21, p53, Cdk-2, Bcl-2, Bax, Bak) wurde mit dem Western-Blot und einem cDNA-Array (12.000 Gene) untersucht. Ergebnisse: Die Proliferation wird in allen inkubierten Zelllinien zeit- und dosisabhängig signifikant gehemmt, im Vergleich zu unbehandelten Kontrollen auf 68% (HT-29), 74% (SW-620) und 33% (Geki-2). Dies wird jedoch weder durch eine veränderte Zellzyklusverteilung noch durch einen Anstieg der Apoptose wiedergegeben. Die AP-Spiegel als Zeichen der Differenzierung steigen zeit- und dosisabhängig von 3 bis auf 30U/l (HT-29) und von 28 bis auf 71U/l (SW-620) signifikant an. Während p21 verstärkt exprimiert wird, bleiben die Expressionsmuster der übrigen im Western Blot untersuchten Faktoren unbeeinflusst, entsprechend ergibt der cDNA-Array Regulationsfaktoren unter 1,5 in allen 12.000 untersuchten Genen. Diskussion: Glutamin, Butyrat und Antioxidantien vermitteln teilweise gegenläufige Wirkungen auf zellulärer Ebene. Die Kombination dieser Substanzen fördert in vitro nicht das Wachstum kolorektaler Karzinom- und Adenomzellen, sondern hemmt die Proliferation und stimuliert die Zelldifferenzierung. Die Apoptose wird dabei nicht inhibiert und die Zellzyklusregulation bleibt unbeeinflusst. Bei klinisch guter Verträglichkeit könnten kritisch kranke Patienten von der immunstimulierenden Wirkung kombiniert mit dem Energiewert der Substanzen profitieren, ohne dass das Wachstum transformierter und potentiell maligner Zellen stimuliert, sondern vielmehr inhibiert würde. Daher ist die Kombination möglicherweise auch für Tumorpatienten geeignet.