Aktuelle Urol 2006; 37 - P2
DOI: 10.1055/s-2006-947542

Ein neues Langzeit-3D-Gewebekulturmodell für normales Urothel und das Urothelkarzinom mit Evaluierung einer topischen Chemotherapie in vitro

C Bolenz 1, EM Ikinger 1, L Trojan 1, M Fernández 1, R Grobholz 1, P Alken 1, MS Michel 1
  • 1Urologische Klinik, Universitätsklinikum Mannheim, Mannheim

Einleitung: Das oberflächliche Urothelkarzinom der Harnblase ist trotz intravesikaler Chemo- und Immuntherapie immer noch mit einer hohen Rezidiv- und Progressionsrate behaftet. Bei der Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten sind Modelle mit vitalem humanem Urothel und Urothelkarzinomgewebe unverzichtbar. Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung eines neuen humanen 3D-In-vitro-Modells für das Urothelkarzinom. Dazu wurde ein Gelatineschwamm in seiner Eignung, die Vitalität humanen benignen Urothels und Urothelkarzinoms zu erhalten, evaluiert, um daran aussagekräftige präklinische Experimente unter Vermeidung von Tierversuchen durchführen zu können.

Material und Methoden: Normales Urothel und Urothelkarzinomproben wurden aus Cystektomiepräparaten bzw. Resektaten nach transurethraler Resektion der Harnblase gewonnen. Die histologische Beurteilung erfolgte jeweils nach morphologischen Kriterien (HE-Färbung). Insgesamt wurden 72 Urothel- und 78 Urothelkarzinomproben auf einem Gelatineschwamm (Gelfoam®) innerhalb von 30 Minuten nach Explantation kultiviert. Die Vitalität des Gewebes wurde bei allen Proben durch enzymhistochemischen Nachweis der mitochondrialen NADH Diaphorase nach Kryokonservierung zu 6 verschiedenen Zeitpunkten nachgewiesen. Die Kultivierungszeit betrug 3 Wochen. Bei einem Teil der Proben wurde eine Instillationstherapie simuliert. Die topische Chemotherapie mit Mitomycin C und Paclitaxel in unterschiedlichen Konzentrationen erfolgte durch Instillation der kultivierten Gewebeprobe für 1 Stunde. Zum Nachweis fragmentierter DNA apoptotischer Zellen erfolgte die Färbung nach der „TdT-dUTP nick end labelling“ (TUNEL)-Methode nach Paraffinfixierung der Gewebeproben.

Ergebnisse: Alle Gewebeproben waren auf dem Gelatineschwamm kultivierbar. Die Erhaltung der Vitalität war nach morphologischen Kriterien (HE-Färbung) über einen Zeitraum von bis zu sieben Wochen möglich. 66 der 72 (91,7%) Urothel- und 72 der 78 (92,3%) Urothelkarzinomproben zeigten während der Kultivierungszeit positive Reaktionen bei der NADH Diaphorase-Färbung, wodurch die Gewebevitalität bewiesen wurde. Die ursprüngliche Gewebemorphologie aller Einzelproben blieb während der Kulturzeit erhalten. Apoptosefiguren konnten nach topischer Chemotherapie identifiziert und durch den Apoptoseindex quantifiziert werden.

Schlussfolgerung: Ein neues 3D-Gewebekulturmodell für normales Urothel und das Urothelkarzinom konnte für einen Kultivierungszeitraum von 3 Wochen erfolgreich etabliert werden. Apoptotische Zellen nach Simulation einer intravesikalen Chemotherapie können dargestellt werden. Dieses neue Modell kann durch pharmakologische und morphologische Experimente zur Suche nach neuen Therapieoptionen des oberflächlichen Urothelkarzinoms beitragen.