Z Geburtshilfe Neonatol 2006; 210 - P3
DOI: 10.1055/s-2006-946093

Exemplarische Darstellung eines trotz schwerer Komplikationen in der Postnatalperiode guten Verlaufes bei einem Frühgeborenen im Alter von 1 Jahr

C Peiser 1, E Walch 1, M Obladen 1
  • 1Klinik für Neonatologie, Berlin, D

Mit steigender Überlebensrate extrem unreifer Frühgeborener steigt auch die Inzidenz von Komplikationen, die entweder Unreife-bedingt sind oder durch die notwendigen Therapiemaßnahmen verursacht werden. Weil aber nicht bloß die Überlebensrate, sondern die langfristige Entwicklung des Kindes, also seine Lebensqualität, einen ganz besonders hohen Stellenwert in der Bewertung der lebenserhaltenden Maßnahmen, welche in der Postnatalperiode angewandt werden, einnimmt, ist es wichtig, das Ergebnis dieser Frühgeborenen im Rahmen einer ambulanten Entwicklungsdiagnostik zu kennen. Wir berichten hier über ein weibliches hypotrophes Frühgeborenes (24+4 SSW, 595g GG), welches trotz schwerwiegender Komplikationen einen sehr erfreulichen Verlauf zeigte.

Komplikationen während der Postnatalperiode:

  • Schwangerschaft und Geburt: HELLP-Syndrom und Präeklampsie. Im Plazentabefund subakuter Kotyledoinfarkt und aszendierende Amnionentzündung. Geburt per Sectio. Nabelarterien-pH 7,25, Apgar 3/7/8. Niedrigster Blutdruck (MAD) 20mmHg.

  • Intraventrikuläre Hämorrhagie °IV links: Die Hirnblutung wurde am 6. Tag sonografisch diagnostiziert. 3 Monate später lag außer einer kleinen Plexuszyste kein Hydrozephalus oder Substanzdefekt vor.

  • Ductus arteriosus persistens: Der PDA war mit einem Durchmesser von 3,3mm sehr groß und wies einen Links-Rechts-Shunt auf. Nachdem 3 Zyklen mit Ibuprofen zu keinem Erfolg führten, wurde am 15. Tag eine Ductusligatur durchgeführt.

  • Bronchopulmonale Dysplasie: Die Beatmung erstreckte sich über 41 Tage; es wurde dreimal Surfactant appliziert; Sauerstoff musste über 85 Tage zugeführt werden. Max. FiO2 80%; max. pO2 74mmHg, min. pCO2 33mmHg, max. pCO2 85mmHg, min. pH 7,10. In den thorakalen Röntgenbildern zeigten sich ab dem 27. Tag BPD-typische Veränderungen.

  • Retinopathia praematurorum III+ rechts und II+ links: Im Alter von 83 Tagen wurde eine Laserkoagulation durchgeführt.

Entwicklungsdiagnostik während des korrigierten ersten Lebensjahres:

Nach der stationären Entlassung wurde der Säugling mehrfach (mit korrigiert 6, 9 und 12 Monaten) in der entwicklungsdiagnostischen Sprechstunde untersucht. Es zeigte sich bisher ein insgesamt sehr erfreulicher Verlauf:

  • Stabiler Allgemeinzustand; keine internistischen Auffälligkeiten, Eupnoe; guter Visus

  • Gutes Gedeihen und Wachsen im mittleren Perzentilenbereich

  • Altersentsprechende Entwicklung im motorischen, sprachlichen, perzeptiven und kognitiven Bereich (Entwicklungsquotient nach Griffith=95)

Schlussfolgerung: Diese Falldarstellung zeigt, dass trotz extremer Unreife und Hypotrophie, trotz einer Langzeitbeatmung über 41 Tage und einer Sauerstoffzufuhr über 3 Monate und trotz schwerwiegender Komplikationen wie IVH °IV, PDA, BPD und ROP die Entwicklung des Kindes im korrigierten Alter von 1 Jahr erfreulich verläuft. Die längerfristige Prognose ist derzeit natürlich noch nicht zu stellen. Weitere Untersuchungen werden routinemäßig mit 2 und 5 Jahren gemacht.