Z Geburtshilfe Neonatol 2006; 210 - V08
DOI: 10.1055/s-2006-943109

Klinische Verläufe monozygoter und gleichgeschlechtlicher dizygoter VLBW-Frühgeborener

J Spiegler 1, C Härtel 1, E Kattner 2, H Küster 3, J Möller 4, D Müller 5, W Nikischin 6, H Segerer 7, B Roth 8, M Vochem 9, C Wieg 10, A von der Wense 11, E Herting 1, W Göpel 1
  • 1Universität Lübeck, Lübeck
  • 2Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover
  • 3Universität Greifswald, Greifswald
  • 4Kinderklinik Saarbrücken, Saarbrücken
  • 5Kinderklinik Kassel, Kassel
  • 6Universität Kiel, Kiel
  • 7Kinderklinik St. Hedwig, Regensburg
  • 8Universität Köln, Köln
  • 9Olgahospital, Stuttgart
  • 10Kinderklinik Aschaffenburg, Aschaffenburg
  • 11Altonaer Kinderkrankenhaus, Hamburg, D

Fragestellung: Die Untersuchung genetischer Einflüsse auf klinische Endpunkte im Kindes- und Erwachsenenalter ist komplex, da exogene Faktoren einen genetischen Einfluss überdecken können. Ob ein klinischer Endpunkt für die Untersuchung von genetischen Einflüssen geeignet ist, kann durch Zwillingsuntersuchungen festgestellt werden. Zeigen monozygote Zwillinge (im Vergleich zu gleichgeschlechtlichen dizygoten Zwillingen) eine höhere Rate an Übereinstimmungen in Bezug auf den gewählten Endpunkt, oder ist die Differenz eines kontinuierlichen Parameters (wie der täglichen Gewichtszunahme) zwischen monozygoten Zwillingen geringer als zwischen dizygoten Zwillingen, so spricht dies für einen messbaren genetischen Einfluss.

Methodik: Multizentrischen Studie zu den Auswirkungen genetischer Polymorphismen auf den klinischen Verlauf von VLBW-Frühgeborenen. Gleichgeschlechtliche Zwillingspärchen wurden aufgrund klinischer Kriterien und der Bestimmung von jeweils 10 polymorphen Nucleotiden zugeordnet. Paare die einen vollständig übereinstimmenden Genotyp für alle Polymorphismen aufwiesen wurden als monozygot klassifiziert.

Ergebnisse: Von September 2003 bis Dezember 2005 wurden 829 VLBW-Frühgeborene in unsere Studie aufgenommen. Wir identifizierten 17 monozygote und 14 gleichgeschlechtliche dizygote Zwillingspärchen. Die Gruppen unterschieden sich nicht bezüglich des Gestationsalters und des Geburtsgewichts. Die Outcome Daten der Kinder zeigt die Tabelle. Für die von uns untersuchten Endpunkte intraventrikuläre Hämorrhagie (alle Grade), Beatmung und Surfactantgabe, wiesen monozygote Zwillinge eine höhere Rate an konkordanten Ereignissen auf.

12 monozygote und 10 dizygote Zwillingspaare wurden jeweils am selben Tag nach Hause entlassen. Auch in dieser Subgruppe bestand kein Unterschied bezüglich des Gestationsalters, des Geburtsgewicht, und der Differenz des Geburtsgewichts zwischen den Zwillingen. Bei diesen Paaren untersuchten wir die Differenz der täglichen Gewichtszunahme. Monozygote Frühgeborene hatten eine Differenz der täglichen Gewichtszunahme von 1,53g, während gleichgeschlechtliche dizygote Zwillinge eine Differenz der täglichen Gewichtszunahme von 3,08g aufwiesen (p<0,05, Mann Whitney U Test).

Schlussfolgerung: Es besteht eine messbare Konkordanz der klinische Verläufe monozygoter Zwillinge bezüglich der frühen Atemstörung, der Entwicklung einer IVH und der postnatalen Gewichtsentwicklung. Diese Beobachtung unterstützt die Annahme, das diese Endpunkte durch genetische Faktoren beeinflusst werden. Frühgeborenenkollektive sind damit möglicherweise auch interessant für die Identifizierung bzw. Bestätigung von Kandidatengenen für schwere Erkrankungen des Erwachsenen wie das ARDS, Hirnblutungen und das metabolische Syndrom.

Betroffene Paare

Rate

Erwartete Anzahl (%) eines betroffenen 2. Zwillings

Beobachtete Anzahl (%) eines betroffenen 2. Zwillings

IVH Monozygot n=17 Dizygot n=14

6 5

35%

2,1 (12%) 1,7 (12%)

4 (23%) 1 (7%)

Beatmung Mono n=17 Di n=14

11 6

55%

5,1 (30%) 4,2 (30%)

8 (47%) 3 (21%)

Surfactantgabe Mono n=17 Di n=14

11 8

61%

6,3 (37%) 5,2 (37%)

8 (47%) 2 (14%)