Handchir Mikrochir Plast Chir 2004; 36 - Vortrag_47
DOI: 10.1055/s-2004-862444

Die Pathogenese des Tennisellenbogens – Konsequenzen für die operative Behandlung

A Wilhelm 1
  • 1Aschaffenburg

Einleitung:

Eine neurogene Genese des Tennisellenbogens (TE), auch Epicondylitis humeri lateralis oder Epikondylagie genannt, ist erstmals 1883 von Winckworth vermutet worden. Grundlage für dieses Konzept, das auch von uns seit 1959 vertreten wird, bilden eigene Untersuchungen der Innervation der lateralen Ellenbogenregion. Diese erfolgt ausschließlich durch Fasern des N. radialis, deren zugehörige Schmerzareale durch gezielte Blockaden ausgeschaltet werden können. Dies gilt auch für den Ursprungsbereich des ECRB, welcher durch einen Ast des N. cut. antebrachii posterior versorgt wird.

Fragestellung:

Die lokalen Ursachen des TE werden von Narakas und Bonnard (1993) folgendermaßen eingeteilt:

  • arthrogene (20–25%),

  • neurogene (5–10%) und

  • tendinogene (60–70%) Ursachen.

Hierzu ist festzuhalten, dass die neurogene Genese der TE nicht nur intraoperativ, sondern auch durch EMG in 8% nach dem Verfahren von Kupfer et al. (1998) und durch die komprimierende Einwirkung der Supinatorarkade auf den N. radialis bei Pro- und Supination in 86% bzw. 93% bewiesen werden kann (Werner 1979). Es erhebt sich deshalb die Frage, ob und inwieweit die genannte Einteilung und Wertung heute noch vertreten werden kann.

Methode:

Zur weiteren Abklärung der immer noch umstrittenen Pathogenese wurden folgende Untersuchungen durchgeführt:

  • Überprüfung der unterschiedlichen Schmerzareale und deren Innervation.

  • Intraoperative Überprüfung der Supinatorarkade und deren funktionelles Verhalten, auch gegenüber dem tiefen Radialisast, bei passiver Pro- und Supination bei 133 Denervationen (1980–1994).

  • Untersuchung der Druckschäden des R. profundus n. radialis nach Resektion der Arkade bei 87 Denervationen (1980–1990).

  • Intraoperative Untersuchung der funktionellen Koppelung des M. supinator mit der Ursprungssehne des ECRB.

  • Überprüfung des D3-Tests nach Blockade des N. radialis proximal der Ellenbeuge.

Ergebnisse:

1. Die Innervation der Schmerzareale erfolgt ausschließlich durch Radialisfasern.

2. Die Supinatorarkade war in allen Fällen ligamentär ausgebildet. Bei passiver Pronation und gestrecktem Ellenbogengelenk komprimiert die Arkade den tiefen Radialisast; bei passiver Supination ist sie entspannt.

3. In 74 (85,1%) von 87 Fällen fand sich makroskopisch eine Druckschädigung des R. profundus n. radialis. In den übrigen 13 Fällen musste eine Störung der Durchblutung und des intraneuralen Flows angenommen werden.

4. Der Koppelungseffekt von ECRB und Supinator konnte bei 58 (97%) von 60 Denervationen (1991–2004) nachgewiesen und damit die eigentliche Ursache der Schmerzauslösung beim D3-Test geklärt werden.

5. Der D3-Test verläuft nach Blockade des N. radialis negativ.

Schlussfolgerung:

Unsere Ergebnisse sprechen eindeutig für eine neurogene Genese der TE. Als weitere Beweise dienen Triggerpunkte in Höhe des Radiuskopfes in 68% und über dem Supinatorschlitz in 77%; dies gilt auch für das dorsale Schmerzfeld in 31% und für die koinzidenten Befunde im Handbereich. Der endgültige Beweis für die neurogene Genese konnte durch den negativen Ausfall des D3-Tests nach Radialisblockade erbracht werden. In diesem Fall hätte nämlich noch eine signifikante Schmerzleitung über den N. cut. antebrachii posterior vorhanden sein müssen, was jedoch nicht der Fall war. Damit ist die tendinogene Genese des TD in der bisher diskutierten Form infrage gestellt. – Arthrogene Ursachen lassen sich heute differenzialdiagnostisch abklären und ausschließen.

Konsequenz:

Für die operative Behandlung der therapieresistenten TE empfiehlt sich eine Denervation mit indirekter Dekompression des N. radialis.