Pneumologie 2003; 57 - Ar10
DOI: 10.1055/s-2003-822452

Die Lunge als Eintrittspforte zerebraler Scedosporiosen nach Beinahe-Ertrinken – Auftreten neuer humanpathogener Erreger durch Umweltverschmutzung?

R Horré 1, 2, B Sterzik 2, N Schnitzler 2, 3, R Siekmeier 2, GS de Hoog 4, WHJ Becker 1, 4, SM Choi 1, 4, H Ratz 5, K Tintelnot 6, J Rainer 7
  • 1Institut für Medizinische Mikrobiologie und Immunologie, Universität Bonn
  • 2Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn
  • 3Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universität Aachen
  • 4Zentralbüro für Schimmelkulturen, Utrecht/NL
  • 5Institut für Mikrobiologie, Zentralklinik Bad Berka
  • 6Robert-Koch Institut, Berlin
  • 7Institut für Mikrobiologie, Universität Innsbruck/A

Hintergrund: Beinahe-Ertrinken ist weltweit ein häufiges Ereignis, das sowohl bei Nichtschwimmern als auch bei geübten Schwimmern vorkommen kann. In erster Linie entstehen dabei Schäden an der Lunge. Nachfolgende Infektionen treten vorwiegend in Form von Pneumonien auf. Seit einigen Jahren gibt es weltweit Berichte über Infektionen durch den Pilz Scedosporium apiospermum (teleomorph: Pseudallescheria boydii) nach Beinahe-Ertrinken bzw. nach Aspiration von pilzhaltigem Wasser. Nach passagerer Infektion der Lunge folgt nicht selten eine zerebrale Abszedierung mit zumeist tödlichem Ausgang.

P. boydii ist seit 1890 als Verursacher opportunistischer Pilzinfektionen beim Menschen bekannt, anfangs vorwiegend als Verursacher von Myzetomen. Neuerdings jedoch wird dieser Pilz vermehrt als Erreger von disseminierten Infektionen bei immunsupprimierten und auch bei vorher immunologisch unauffälligen Patienten nachgewiesen. Dies wäre einerseits durch die Resistenz dieses Pilzes gegenüber den derzeit gebräuchlichen antimykotischen Substanzen zu begründen. Andererseits zeigten erste Untersuchungen, dass das Vorkommen von P. boydii in der Umwelt mit zunehmender Umweltverschmutzung korreliert und dieser Pilz aus entsprechenden Proben vermehrt isoliert werden kann. Dies gibt einen Hinweis darauf, dass der Mensch möglicherweise mit zunehmender Verschmutzung der Umwelt auch das Spektrum humanpathogener Mikroorganismen verändert.

Wir berichten über das Auftreten einer zerebralen Scedosporiose nach Beinahe-Ertrinken bei einem vorher immunkompetenten zweijährigen Kind. Zusammenfassend werden in der Literatur beschriebene ähnliche Fälle erörtert. Darüber hinaus werden Methoden zur Isolation dieses Pilzes aus klinischen Proben und aus der Umwelt beschrieben und erste Ergebnisse aus Umweltuntersuchungen dargestellt.