Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 79
DOI: 10.1055/s-2003-816482

Herzfrequenzvariabilität bei Frühgeborenen: Normwerte, Reifungsaspekte und physiologische Beobachtungen

E Longin 1, B Jakob 1, M Teich 1, T Schaible 1, T Lenz 1, S König 1
  • 1Mannheim

Die Messung der Herzfrequenzvariabilität ist ein geeignetes Instrument zur Beurteilung des Funktionszustandes und von Reifungsprozessen des autonomen Nervensystems bei Frühgeborenen. Es sind Krankheitsbilder bei Frühgeborenen bekannt, die mit einer Einschränkung der Herzfrequenzvariabilität einhergehen. Die Zielsetzung der vorliegenden Studie war die Vorlage der Normwerte der Parameter der Herzfrequenzvariabilität sowie die Beleuchtung von Reifungsaspekten des autonomen Nervensystems bei dieser Gruppe. Wir untersuchten insgesamt 39 Frühgeborenen zwischen 29–35 Wochen Gestationsalter mittels Herzfrequenzvariabilität, deren folgende Parameter berechnet wurden: Mittlere Herzfrequenz (BpM, ms), Standardabweichung (SD, ms), Variationskoeffizient (VK, %), RMSSD (root mean square of sucessive differences, ms) und der exspiratorisch-/inspiratorische Quotient (E/I). Darüber hinaus wurde über Fast Fourier Transformation eine Spektralanalyse in folgenden Frequenzbändern berechnet: HF (high frequency): 0,2–1Hz, MF (medium frequency): 0,5–0,2Hz und LF (low frequency): 0,01–0,05Hz. Die Darstellung der Normwerte der Parameter der Herzfrequenzvariabilität für Frühgeborenen >32 Wochen Gestationsalter (n=30) erfolgt als Mittelwert, SD sowie als 5. und 95. Perzentile. Ein Anstieg des Gestationsalter geht mit einer signifikanten (p<0,05) Zunahme der Parameter der Herzfrequenzvariabilität einher. Im Vergleich der Werte der Herzfrequenzvariabilität der Frühgeborenen mit den Normwerten von reifen Neonaten ergibt sich für alle berechneten Parameter ein signifikanter Unterschied. Der Nachweis einer respiratorischen Sinus-Arrhythmie gelang bei Frühgeborenen nicht. Ein Zunahme der Reifung des autonomen Nervensystems geht bei Frühgeborenen mit einer parallelen Zunahme der Parameter der Herzfrequenzvariabilität einher. Im Vergleich mit gesunden Neugeborenen sind jedoch weiterhin Unterschiede in der Herzfrequenzvariabilität messbar. Die Vorlage der Normwerte der Herzfrequenzvariabilität bei Frühgeborenen erleichtert diagnostisch die Interpretation von Daten der Herzfrequenzvariabilität bei einer Vielzahl von Krankheitsbildern bei Frühgeborenen. Weiterhin konnten physiologische Abweichungen bei dieser Gruppe nachgewiesen werden.