Gesundheitswesen 2022; 84(08/09): 802
DOI: 10.1055/s-0042-1753803
Abstracts | DGSMP/DGMS
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Thema: Kinder- und Jugendgesundheit

Personale Ressourcen von 14-17-jährigen Jugendlichen in Ost- und Westdeutschland – Ergebnisse der KiGGS-Studie 15 und 25 Jahre nach der Wende

C Schmidtke
,
C Hövener
,
E Nowossadeck
,
T Lampert
,
H Hölling
,
N Michalski
 

Einleitung Mit der Wiedervereinigung Deutschlands sahen sich viele Menschen mit neuen gesellschaftlichen Verhältnissen und Herausforderungen konfrontiert. Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen wurde bislang selten im Hinblick auf Unterschiede zwischen Ost und West untersucht, und Studien zeigen für die 1990er und 2000er Jahre diesbezüglich keine oder nur geringfügige Unterschiede. Diese Befunde erscheinen angesichts der unterschiedlichen Sozialisations- und Lebensbedingungen in den beiden Landesteilen einigermaßen überraschend. Somit ergaben sich die Forschungsfragen: Gab es über 15 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung Unterschiede in den personalen Ressourcen bei den um 1989 geborenen Jugendlichen zwischen Ost und West? Wie haben sich die Unterschiede dieser „Wendegeneration“ in der Folge entwickelt?

Methoden Daten der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) aus den Jahren 2003-2006 und 2014-2017 werden genutzt, um bei 14-17-jährigen Jugendlichen der Wendegeneration die Häufigkeiten geringer personaler Ressourcen zu bestimmen und unter Berücksichtigung des sozioökonomischen Status (SES) zwischen Ost- und West zu vergleichen. Zum einen werden die Querschnittsdaten von 14-17-Jährigen zu beiden Erhebungszeitpunkten analysiert, zum anderen werden Daten der Wiederholungsbefragung genutzt, um die Kohorte im Altersverlauf zu betrachten. Personale Ressourcen werden über eine aus fünf Items bestehende übergeordnete Kurzskala personaler Ressourcen und über die Selbstwirksamkeitsskala von Schwarzer&Jerusalem erfasst. Der SES wird mit einem Index erfasst, der auf Angaben der Eltern zu ihrem Bildungsstand, ihrer beruflichen Stellung und ihrer Einkommenssituation (Netto-Äquivalenzeinkommen) basiert.

Ergebnisse 14-17-jährige Jugendlich aus Ostdeutschland zeigen rund 15 Jahre nach der Wende häufiger geringere personale Ressourcen und haben eine geringere Selbstwirksamkeitserwartung als gleichaltrige Jugendliche im Westen Deutschlands. 10 Jahre später sind die Unterschiede kaum noch sichtbar und haben sich zum Teil umgekehrt. Die gefundenen Ost-West-Unterschiede lassen sich nicht durch unterschiedliche sozioökonomische Lagen der Familien in Ost und West erklären. Die Bedeutung der sozioökonomischen Lage der Familien für die personalen Ressourcen der Jugendlichen nimmt über die Zeit insgesamt zu und zwar zuungunsten derer aus sozial niedrigen Statusgruppen.

Schlussfolgerung Die Ergebnisse zeigen, dass um 1989 geborene Kinder aus Familien mit DDR-Sozialisation, unabhängig vom SES, noch in den 2000er Jahren ein höheres Risiko geringerer personaler Ressourcen aufwiesen als Kinder aus BRD-Familien, das sich über die Zeit relativiert. Die Ergebnisse weisen so auf die Notwendigkeit von gezielter Ressourcenstärkung bei Kindern und Jugendlichen in Phasen von Transformation und biografischen Brüchen hin.



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Article published online:
22 August 2022

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