Gesundheitswesen 2022; 84(08/09): 721
DOI: 10.1055/s-0042-1753610
Abstracts | DGSMP/DGMS
Vorträge
Thema: Gesundheit von Menschen mit Beeinträchtigungen

Barrieren beim Zugang zu und der Inanspruchnahme von Versorgung in Medizinischen Zentren für Erwachsene mit Behinderungen (MZEB): Ergebnisse einer deutschlandweiten multiperspektivischen Studie (BEta)

N Steeb
1   Hochschule Fulda, Fachbereich Gesundheitswissenschaften, 36037, Deutschland
2   Public Health Zentrum Fulda, 36037, Deutschland
,
LD Wetzel
1   Hochschule Fulda, Fachbereich Gesundheitswissenschaften, 36037, Deutschland
2   Public Health Zentrum Fulda, 36037, Deutschland
,
S Gollasch
3   Universität zu Köln, Uniklinikum Köln, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft, 50933, Deutschland
,
U Karbach
3   Universität zu Köln, Uniklinikum Köln, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft, 50933, Deutschland
,
K Rathmann
1   Hochschule Fulda, Fachbereich Gesundheitswissenschaften, 36037, Deutschland
2   Public Health Zentrum Fulda, 36037, Deutschland
› Author Affiliations
 

Einleitung Erwachsene mit geistiger und Mehrfachbehinderung haben einen hohen medizinischen Versorgungsbedarf. Gleichzeitig erfahren sie zahlreiche Barrieren bei der medizinischen Versorgung, z. B. nicht barrierefreie Räume, Kommunikationsprobleme und mangelndes Erfahrungswissen der Behandler*innen. Seit 2015 können Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) ermächtigt werden, um eine adäquate medizinische Versorgung der Bevölkerungsgruppe zu ermöglichen. Bisherige explorative Studien weisen allerdings darauf hin, dass auch bei der medizinischen Versorgung im MZEB Barrieren bestehen, z. B. lange Wartezeiten und weite Anreisewege. Der Beitrag hat das Ziel, Barrieren beim Zugang zu und der Inanspruchnahme von MZEB aus Sicht des Leitungspersonal von MZEB und Stakeholdern zu erfassen.

Methoden Im Rahmen eines drittmittelgeförderten Projekts wurde eine qualitative Längsschnittstudie mit zwei bzw. drei Messzeitpunkten durchgeführt. Zum ersten Messzeitpunkt wurden N=12 Expert*inneninterviews mit Leitungspersonen von (je n=4 in Planung befindlichen, kürzlich etablierten und langjährig bestehenden) MZEB sowie mit N=25 Stakeholdern (Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenkassen, BAG MZEB, Fachverbände für Menschen mit Behinderung, Landesbehindertenbeauftragte) geführt. Um Barrieren beim Zugang zu und der Inanspruchnahme von MZEB zu identifizieren, wurde u. a. der Zuweisungsprozess, die Bekanntheit von MZEB, die Zusammenarbeit mit der Regelversorgung und im multidisziplinären MZEB-Team thematisiert. Das Material wurde inhaltsanalytisch nach Kuckartz (2016) ausgewertet.

Ergebnisse Aus Sicht der Befragten gibt es vielfältige Barrieren, die allerdings nicht alle MZEB (im selben Maß) betreffen. Potenzielle Barrieren bestehen beim Zugang zu (u. a. Zugangskriterien, geringe Bekanntheit, lange Anreisen) und in der Inanspruchnahme (u. a. eingeschränkte Leistungsbefugnisse, fehlende Ausstattung) von MZEB sowie in der Zusammenarbeit des MZEB-Teams (z. B. schwierige Terminkoordination, Platzmangel) und mit der Regelversorgung (z. B. mangelndes Wissen und Kompetenzen, Fachkräftemangel, fehlende Anreize). Die Barrieren werden dabei z. T. unterschiedlich bewertet, bspw. sehen Leitungspersonen von MZEB in den Zugangsvoraussetzungen oft eine Zugangsbarriere. Die Kostenträger bewerten die Zugangsvoraussetzungen dagegen vor dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit als sinnvolles Kriterium. Zudem liegen verschiedene Vorstellungen unter den Leitungspersonen von MZEB und Stakeholdern zur Rolle und Aufgabe von MZEB vor.

Schlussfolgerung Um das Recht auf Gesundheit von Erwachsenen mit geistiger und schwerer Mehrfachbehinderung zu gewährleisten, sollten die Barrieren beim Zugang zu und der Inanspruchnahme von MZEB abgebaut werden. Außerdem sollte die Rolle und Aufgabe von MZEB einheitlich (ggf. durch den Gesetzgeber) festgelegt werden.



Publication History

Article published online:
22 August 2022

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