Gesundheitswesen 2016; 78 - A139
DOI: 10.1055/s-0036-1586649

Darmkrebsfrüherkennung: Höhere Patientenbeteiligung durch informierte Entscheidung?

D Horenkamp-Sonntag 1, B Bestmann 1, S Engel 1, R Linder 1, U Schneider 1, F Verheyen 1
  • 1Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen (WINEG), Hamburg

Hintergrund/Ziel: Durch verschiedenste politische Aktivitäten wurde in der Vergangenheit versucht, die Teilnahme an der Krebsfrüherkennung zu erhöhen. Mit dem am 09.04.2013 in Kraft getretenen Krebsfrüherkennungs- und registergesetz (KFRG) wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass Versicherte künftig zur Früherkennung eingeladen werden. Ziel ist es, die informierte Entscheidung zu fördern.

Im Rahmen eines TK-Versorgungsprojekts zur informierten Entscheidung bei Darmkrebsfrüherkennung bestand die Gelegenheit, GKV-Routinedaten (Sekundärdaten) mit Befragungsergebnissen (Primärdaten) zu verbinden (Datenlinkage). Somit konnte analysiert werden, inwiefern sich eine informierte Entscheidung auf Art und Umfang von Leistungsinanspruchnahmen auswirkt.

Methodik: Bei einem TK-Kollektiv aus der KV-Bayern, das neben einem persönlichem Anschreiben auch darmkrebsspezifische Informationen erhielt, wurde anhand des Antwortverhaltens bei der Primärdatenerhebung gemessen, inwiefern eine informierte Entscheidung zur Vorsorgeteilnahme getroffen wurde. Daran anschließend wurde analysiert, inwiefern sich die nachgelagerten Leistungsinanspruchnahmen zwischen "informiert" und "uninformiert" unterscheiden. Hierzu wurden die ambulanten Gebührenordnungspositionen Krebsfrüherkennungsberatung (GOP-01740), die präventive (GOP-01741) und kurative Koloskopie (GOP-13421) sowie der Hämoccult (GOP-01734) berücksichtigt.

Ergebnisse: Als Ergebnis der Primärdaten trafen 58,7% der Versicherten (n = 1.322) keine informierte Entscheidung (Gruppe-non-informed), 929 Versicherte (41,3%) hingegen eine informierte Entscheidung (Gruppe-informed). Während bei den 55-jährigen bei non-informed in 23,7% der Fälle eine Koloskopie durchgeführt wurde, erfolgte dies bei informed nur bei 13,7% der Versicherten (Chiquadrat-Test: p < 0,001). Der Anteil von Versicherten, die sich beraten ließen, war bei non-informed (25,0%) etwas höher (informed 22,4%). Der jährliche Hämoccult für Versicherte ab 50 Jahren war bei non-informed (23,0%) geringer (informed 33,1%) (p < 0,001). Bei den 55-jährigen war der zweijährliche-Hämoccult ebenfalls bei non-informed (41,7%) geringer (informed 45,9%) (p = 0,203).

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Gruppen-informed und non-informed unterscheiden sich deutlich in Art und Umfang der Leistungsinanspruchnahmen. Die Koloskopie als relativ invasives Verfahren wird bei Versicherten, die eine informierte Entscheidung getroffen haben, um fast die Hälfte weniger in Anspruch genommen. Da der Hämoccult als Alternative zur Koloskopie in der Gruppe-informed in beiden Altersgruppen etwas mehr in Anspruch genommen wurde, kann dies ggf. als (teilweiser) Kompensationseffekt interpretiert werden.

GKV-Routinedatenanalysen sind geeignet, im Rahmen einer Politikfolgenforschung zeitnah Hinweise auf Veränderungen bei der Teilnahme an Krebsfrüherkennungsprogrammen zu geben. Inwieweit die Ergebnisse aus Bayern auf Versicherte übertragbar sind, die vorab weder ein persönliches Anschreiben noch darmkrebsspezifische Informationen erhalten haben, wird aktuell mit KV-übergreifenden Analysen verifiziert.