Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - A42
DOI: 10.1055/s-0036-1583593

Influenza in der Schwangerschaft – Fahrlässigkeit bei bestehender Impfmöglichkeit?

M Riemer 1, C Kunz 1, S Seeger 1
  • 1Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, KH St. Elisabeth und St. Barbara Halle

Jedes Jahr erkranken nach laut RKI zwischen 5 – 20% der Bevölkerung in Deutschland an der saisonalen Grippe. Bis zu 30.000 versterben an den Folgen. Trotz bestehenden dezentralen Impfmöglichkeiten ist die Impfrate überraschend niedrig. Fehlendes Vertrauen in die Impfung, niedrige Risikowahrnehmung oder Unwissenheit führen zu einer deutlichen Diskrepanz zwischen der WHO-Zielvorgabe von 75% und der tatsächlichen Impfrate von etwa 27% (2013/14). Dabei empfiehlt die STIKO seit 2010 auf Grundlage der WHO-Empfehlung:

  • Personen > 60 Jahre,

  • Personengruppen mit hohem Gefährdungspotenzial, z.B. medizinisches Personal,

  • Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr,

  • Personen, die als mögliche Infektionsquelle für von ihnen betreute Risikopersonen fungieren können,

  • insbesondere aber auch Schwangeren ab dem II. Trimenon (bei vorbestehender Grunderkrankung auch ab dem I. Trimenon) die saisonale Impfung gegen Influenza.

In der Grippe-Saison 2012/13 waren 23,2% der Schwangeren zum Entbindungszeitpunkt geimpft, wobei sich in der Schwangerschaft lediglich 15,9% impfen ließen. Aktuelle Daten zeigen dabei jedoch, dass speziell bei schwangeren Frauen ein deutlich erhöhtes Risiko für vitalbedrohliche Verläufe bei Influenzainfektionen besteht. Bis zu 12% aller Todesfälle innerhalb einer Schwangerschaft gehen auf Influenza zurück, da in der Schwangerschaft eine überschießende Reaktion des Immunsystems häufig zu einem Acute Respiratory Distress Syndrome führen.

Um für die nächste Influenzasaison bei allen behandelnden und betreuenden Gruppen den Nutzen einer Impfung hervorzuheben und das Bewusstsein hierfür zu fördern, möchten wir zwei aktuelle Kasuistiken vorstellen.

In beiden Fällen kam es im zweiten Trimenon bei allgemeiner Schwäche und Fieber bis 39 °C zur notfälligen Aufnahme. Laborchemisch fielen die Leuko- und Thrombozytopenie sowie in der Folge sepsistypische Infektionswerte auf. Neben den paraklinischen Auffälligkeiten führte der klinische Zustand beider Patientinnen innerhalb kürzester Zeit zur Intensivpflichtigkeit und aufgrund zunehmender respiratorischer Insuffizienz schließlich auch zur Intubation und Beatmungspflicht. Unter leitliniengerechter Therapie bei ambulant erworbener Pneumonie konnte bei beiden Patienten eine zeitnahe Besserung der Infektionsparameter, jedoch nicht des klinischen Zustandes beobachtet werden. In der Folge wurde eine Patientin in Hinblick auf eine mittelfristige Beatmungspflicht tracheotomiert und die anderen erst nach 31h extubiert. Während die eine Patientin bereits vollständig gesundet von einem gesunden Jungen entbunden wurde, ist die zweite Patientin bei 29 SSW weiterhin beatmungspflichtig.