Gesundheitswesen 2015; 77 - A348
DOI: 10.1055/s-0035-1563304

GKV-Routinedatenanalysen zur Darmkrebsfrüherkennung: Häufigkeit und Veränderung der Patientenbeteiligung im Zeitraum 2007 bis 2014

D Horenkamp-Sonntag 1, S Engel 1, R Linder 1, B Bestmann 1, U Schneider 1, F Verheyen 1
  • 1Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen (WINEG), Hamburg

Hintergrund: In den letzten Jahren gab es verschiedenste politische Aktivitäten, um die Teilnahme an der Krebsfrüherkennung zu erhöhen. Durch die Gesundheitsreform von 2007 (GKV-WSG) haben Versicherte einen Anspruch auf geringere Zuzahlung durch Teilnahme an einer einmaligen ärztlichen Beratung über Chancen und Risiken der Krebsfrüherkennung. Mit dem am 09.04.2013 in Kraft getretenen Krebsfrüherkennungs- und registergesetz (KFRG) wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass Versicherte künftig zur Früherkennung eingeladen werden. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die informierte Entscheidung der Anspruchsberechtigten zu fördern und zu unterstützen. Methodik: Es wurde untersucht, inwiefern sich Art und Umfang der Teilnahme an Maßnahmen zur Krebsfrüherkennung zum Colon-Ca im Langzeitverlauf geändert haben. Grundlage sind GKV-Routinedaten von TK-Versicherten (n > 9 Millionen) im Zeitraum 2007 bis 2014. Die ambulanten Leistungsinanspruchnahmen wurden im Zeitverlauf differenziert nach der Beratung zur Krebsfrüherkennung (GOP 01740), der präventiven Koloskopie (GOP 01741) und der Untersuchung auf Blut im Stuhl (GOP 01734). Ergebnisse: Im Gesamtzeitraum 01.01.2007 bis 30.09.2014 ließen sich 884.933 Versicherte zur Früherkennung beraten. Dabei war die Inanspruchnahme der Beratungsleistung mit -16,9% insgesamt rückläufig, wobei zweimal (2008 +4,6% und 2013 +4,4%) Zunahmen zu verzeichnen waren. Zeitgleich waren sowohl die Teilnahme an der präventiven Koloskopie (-30,4% von 2007 zu 2013) als auch die Okkultbluttest-Inanspruchnahme (-17,9%) rückläufig. Bei der Krebsfrüherkennungsberatung gibt es regional ausgeprägte Unterschiede, die in Sachsen (-4,9%) und Hessen (-20,8%) geringer ausfallen als beispielsweise in Bayern (-43,1%). Diskussionen: Im Gesamtzeitraum ist über alle Maßnahmen zur Darmkrebsfrüherkennung hinweg ein deutlicher Rückgang der Patientenbeteiligung festzustellen. Dieser wird nicht kompensiert durch eine vermehrte Inanspruchnahme zur Beratung über Krebsfrüherkennung. Somit kann man nicht schlussfolgern, dass bewusst eine informierte Entscheidung getroffen wurde, nicht an Früherkennungsmaßnahmen teilzunehmen. GKV-Routinedatenanalysen sind geeignet, im Rahmen einer Politikfolgenforschung zeitnah Hinweise auf Veränderungen bei der Teilnahme an Krebsfrüherkennungsprogrammen zu geben. Die regionale Variabilität der Inanspruchnahme von Leistungen zur Krebsfrüherkennung sollte bei der Einführung von strukturierten Einladungsprogrammen berücksichtigt werden.