Gesundheitswesen 2013; 75 - A18
DOI: 10.1055/s-0033-1354011

Qualitätskriterien von Patienteninformationen, Entwicklung und Anwendung eines Bewertungsinstruments auf Informationsmaterialien zu Biomarkertests zur Krebsfrüherkennung Ein systematischer Meta-Review

S Bühn 1, P Schnell-Inderst 2, A Luzak 3, A Mayer-Zitarosa 1, U Siebert 2
  • 1Department of Public Health and Health Technology Assessment, UMIT – University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Hall in Tirol
  • 2Area 4 – Health Technology Assessment and Bioinformatics, Oncotyrol Center for Personalized Cancer Medicine, Innsbruck
  • 3Department of Medical Informatics, Biostatistics and Epidemiology, Ludwig-Maximilians University, Munich

Hintergrund: Gesetzlich versicherten Personen werden im ambulanten Bereich verschiedene Blut- und Laboruntersuchungen als Selbstzahlerleistung oder sogenannte „Individuelle Gesundheitsleistungen“ (IGeL) angeboten. Darunter fallen unter anderem Biomarkertests zur Krebsfrüherkennung [1]. Bevor ein Patient sich für eine solche Leistung entscheidet, braucht dieser evidenzbasierte Patienteninformationen (PI), d.h. solche, die unabhängig, transparent und vertrauenswürdig sind. Nur diese Art von PI bietet die Möglichkeit eine informierte Entscheidung in Abwägung persönlicher Präferenzen treffen zu können [2,3]. Das Ziel dieser Arbeit war zum einen die Erstellung einer systematischen Übersichtsarbeit über Qualitätskriterien zur Bewertung von evidenzbasierten PI und zum anderen die Entwicklung eines Bewertungsinstruments für Patienteninformationen zur Krebsfrüherkennung mit Biomarkern. Zunächst sollte das Bewertungsinstrument auf Grundlage der identifizierten Qualitätskriterien unter Berücksichtigung der speziellen Anforderungen an Screening-Interventionen als IGeL erstellt werden. Anschließend sollten mithilfe dieses Instruments im Internet verfügbare PI zu Krebsfrüherkennung evaluiert werden. Methodik: Zunächst wurde ein systematischer Review von Übersichtsarbeiten zu Qualitätskriterien zur Bewertung von PI gemäß den Methoden der evidenzbasierten Medizin erstellt. Die Suche beinhaltete Leitlinien, Informationsbroschüren, Empfehlungen, Stellungnahmen, Checklisten, Fragebögen, Handbücher und andere Texte, in denen es um die Erstellung oder Bewertung von schriftlichen PI im Allgemeinen oder im besonderen Fall der Krebsfrüherkennung ging. Mithilfe von standardisierten Extraktionsbögen wurden aus den eingeschlossenen Dokumenten formale und inhaltliche Qualitätskriterien, sowie solche zur Darstellung und zum Erstellungsprozess erfasst. Auf dieser Grundlage konnte ein Bewertungsinstrument erstellt werden, das die speziellen Anforderungen an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen und IGeL berücksichtigt. Anschließend wurden PI zur Krebsfrüherkennung mittels verschiedener Biomarker (AFP, CA125, CA15 – 3, CA19 – 9, CEA, Cyfra21 – 1, β-HCG, NMP22, M2-PK, NSE, PCA3, Septin9), die im Internet als IGeL angeboten werden, gesucht und deren Qualität mit dem entwickelten Bewertungsinstrument evaluiert. Ergebnisse: Das adaptierte Bewertungsinstrument zur Evaluation von PI zur Krebsfrüherkennung enthielt insgesamt 42 Kriterien. Es wurden 21 online erhältliche PI zu den Biomarkern PCA3, NMP22, M2-PK und Septin 9 gefunden. Darüber hinaus wurden 4 PI, die allgemein zu verschiedenen Biomarkern verfasst waren, bewertet. Zweiundzwanzig der 25 PI stammten von Erstellern, die finanzielle Interessen am Einsatz der beschriebenen Biomarker haben (Labore, Hersteller, Serviceleister für Hersteller). Angaben zur Einschätzung der Unabhängigkeit der Erstellung und Quellenangaben für die Evidenz fehlten durchgehend. Nur eine von 25 Informationsbroschüren [4] enthielt Angaben zu Wahrscheinlichkeiten von Nutzen, Schaden und der zugrunde liegenden (bzw. fehlenden) wissenschaftlichen Evidenz zu patientenrelevanten Endpunkten (krebsspezifische Mortalität und Morbidität, gesundheitsbezogene Lebensqualität). Insgesamt wurde die Qualität der bewerteten PI als niedrig eingeschätzt. Schlussfolgerung: Die Qualität der bewerteten PI zur Krebsfrüherkennung mittels Biomarkertests, die als IGeL angeboten werden, reichte mit Ausnahme einer PI nicht aus, um Versicherten eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. Häufig wurde lediglich der Hersteller angegeben, ohne Verweis auf den Autor oder dessen Qualifikation, sodass eine erste Einschätzung über Vertrauenswürdigkeit und Unabhängigkeit der PI nicht getroffen werden konnte. Vor allem im Bereich IGeL sind unabhängige evidenzbasierte PI von großer Wichtigkeit, damit der Patient eine informierte Entscheidung treffen kann.