Z Geburtshilfe Neonatol 2011; 215 - PO07_11
DOI: 10.1055/s-0031-1293381

Die Vernix-Peritonitis – Das Chamäleon des aktuen Abdomens

JK Wagner 1, B Ramsauer 2, K Vetter 2
  • 1Vivantes Klinikum Neukölln, Klinik für Geburtsmedizin, Berlin
  • 2Vivantes Klinikum Neukölln, Geburtsmedizin, Berlin

Ziel: Die Vernix-Peritonitis stellt eine ernste, allerdings schwer zu diagnostizierende Form des akuten Abdomens nach Sectio caesaria dar. Aufgrund der steigenden Zahlen der Sectiones weltweit nehmen die Komplikationen somit zu, so dass die seltene Vernix-Peritonitis näher betrachtet werden sollte, um die adäquate und rechtzeitige Therapie sicher zu stellen.

Es werden neben möglichen ätiopathologischen Faktoren Klinik, Diagnostik, Differentialdiagnostik und Therapie betrachtet.

Methodik: Literaturrecherche bei PubMed und Hinzuziehung eines Falles in domo.

Ergebnis: Die Vernix-Peritonitis wird durch fetale Vernixzellen verursacht, die während der Sectio im Fruchtwasser oder durch eine manuelle Verschleppung in den mütterlichen Bauchraum gelangen. Vernixzellen zeichnen sich durch ihre unterschiedlichen Funktionen (fettend, anit-infektiös, anti-oxidativ, wasserfest) aus. Aufgrund der peritonealen Reizung durch die keratinösen fetalen Zellen und einer überschießenden maternalen Immunantwort kommt es zum klinischen Bild des akuten Abdomens (s. Tabelle 1). Die Diagnostik zeigt Tabelle 2. Intraoperativ zeigen sich typische "käseschmierartige" Plaques im Bauchraum und auf dem Peritoneum viscerale der Organe (s. Abbildung 1). Prädisponierende Faktoren können sein: Nulliparität, höheres Alter, BEL und intraoperatives Vorgehen. Der Zeitrahmen beträgt 3–35 Tage nach Sectio. Als Differentialdiagnosen müssen ausgeschlossen werden: Appendizitis und Komplikationen, Perforation von Dünn-/Dickdarm, Endometritis, Zystenruptur uvm. Die Therapie beinhaltet trotz sämtlicher blander mikrobiologischer Befunde (auch negative intraoperative Abstriche) Breitbandantibiotika, ggf. Steroide, Antipyretika, Analgesie sowie die Operation mit Lavage, Adhäsiolyse und Appendektomie.

Schlussfolgerung: Eine mögliche Hypersensitivität und unzureichende Immunisierung bei älteren Nulliparae könnte die Entstehung einer Vernix-Peritonitis begünstigen. Die abakterielle Vernix-Peritonitis stellt eine Herauforderung bei Diagnose und Therapie dar.

Tab.1: Typisches klinisches Bild der Vernix-Peritonitis und Befunde der Bildgebung

Klinik

Schmerzen

Peritonitis

Fieber

Leukozytose

CRP-Anstieg

Bildgebung

unspezifische Veränderungen

Aszites

abgekapselte Abzesse unterschiedlicher Lokalisation

Adhäsion von Dünn-/Dickdarm, Omentum majus

Koprostase

Tab.2: Diagnostische Maßnahme bei Verdacht auf Vernix-Peritonitis

Diagnostik

Anamnese

zeitliche Beziehung der Symptome zur Sectio

Infektiologie/Mikrobiologie (Kulturen aus Vagina, Urin, Stuhl)

klinische Chemie

Bildgebung: Sonografie, CT mit KM

diagnostische bzw. therapeutische Laparoskopie/Laparotomie

Histologie (beweisend): kernlose squamöse, fetale Zellen, neutrophile Granulozyten

Abb. 1: „Käseschmierartige“ Plaques Bauchraum sowie aufgelagert auf das Omentum majus. Stuart OA, Morris AR, Baber RJ. Vernix caseosa peritonitis – no longer rare or innocent: a case series. Journal of Medical case reports. 2009, 3:60