Diabetologie und Stoffwechsel 2011; 6 - P177
DOI: 10.1055/s-0031-1277448

Psychosoziale Ausgangssituation und subjektive Bedürfnisse einer repräsentativen Stichprobe von Familien bei Manifestation eines Diabetes mellitus Typ 1 eines Kindes/Jugendlichen

C Ziegler 1, T Danne 1, B Aschemeier 1, E Marquardt 1, O Kordonouri 1, C Krowicky 1, U Rischer 1, B Götz 1, K Schnell 1, K Lange 2
  • 1Kinderkrankenhaus auf der Bult, Diabetes-Zentrum für Kinder und Jugendliche, Hannover, Germany
  • 2Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Psychologie, Hannover, Germany

Zielsetzung: Ziel der vorliegenden Arbeit ist die strukturierte Erfassung der psychosozialen Ausgangssituation der betroffenen Kinder und Jugendlichen mit Typ 1 Diabetes sowie die frühzeitige Identifikation der aktuellen Bedürfnisse von Familien in der ersten Phase nach der Diabetesdiagnose.

Methode: Alle Familien mit einem neu an Diabetes erkrankten Kind wurden mit einem standardisierten Leitfaden-Interview befragt. Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen der psychologischen Begleitung während des stationären Aufenthalts nach Manifestation eines Typ 1 Diabetes. Die Studie erstreckte sich über den Zeitraum von 12 Monaten (07/2009–06/2010). Die Daten wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet.

Ergebnisse: Insgesamt konnten 67 von 75 (89,3%) Familien befragt werden. Das durchschnittliche Alter der Kinder zum Zeitpunkt der Manifestation betrug 10,03±4,5 Jahre, 59,7% waren Jungen. 13,4% der Kinder hatten einen Migrationshintergrund, 14,3% lebten bei einem alleinerziehenden Elternteil. 77,6% der Kinder hatten mindestens ein Geschwisterkind und 91,0% der Kinder besuchten zum Zeitpunkt der Manifestation eine Kindertagesstätte bzw. Schule. 90,0% der Väter waren ganztags berufstätig, 57,9% der Mütter waren teilzeitbeschäftigt. Eine zusätzliche psychische oder körperliche Beeinträchtigung lag bei 31,3% der Kinder und 23,9% der Eltern vor. Die Bedürfnisse und Sorgen der Eltern zum Zeitpunkt der Manifestation lassen sich in 6 Kategorien einteilen. Die meisten Sorgen der Familien bei Manifestation bezogen sich auf das „Familienleben„ (29,5%) und das „Alltagsleben des Kindes„ (29,1%). Die dritthäufigste Kategorie betraf Sorgen um die „Entwicklung des Kindes„ (20,75%), gefolgt von Sorgen bezogen auf „kritische Situationen„ (10,0%). Sorgen bezogen auf das „Berufsleben der Eltern„ (4,6%) oder „Verursachung der Erkrankung„ (6,2%) wurden in der Phase nach der Diagnosestellung weniger häufig genannt. Es gab keine Unterschiede im Bezug zur Ketoazidose bei Manifestation, aber im Bezug zu Alter und initialem HbA1c. Sorgen um das „Familienleben„ dominierten bei jüngeren Kindern (38,2%) und Kindern mit einem höheren initialen HbA1c (36,36). Sorgen bezogen auf das „Alltagsleben des Kindes„ wurden vorrangig bei Kindern zwischen 6 und 12 Jahren (34,8%) und Kindern mit einem niedrigeren initialen HbA1c (34,4%) genannt.

Zusammenfassung: Sämtliche Familien, die angefragt wurden, nahmen das Angebot der psychologischen Begleitung an. Bereits bei Diagnosestellung berichteten 1/3 der Kinder und 1/4 der Eltern über zusätzliche psychische oder körperliche Beeinträchtigungen. Die häufigsten Sorgen der Eltern bei Diabetesdiagnose bezogen sich auf das „Familienleben„ und das „Alltagsleben des Kindes„ sowie die weitere „Entwicklung des Kindes„. Entsprechend sollte initial eine ressourcen- und bedürfnisorientierte Beratung zur Integration des Diabetes in den Alltag der Familien angeboten werden.