Gesundheitswesen 2010; 72 - P79
DOI: 10.1055/s-0030-1266586

Stationäre Versorgung: Gibt es Unterschiede in der Versorgung von Menschen mit Demenz im Vergleich zu einer nicht-dementen Kontrollgruppe?

M Eisele 1, H van den Bussche 1, D Koller 2, B Wiese 3, H Kaduszkiewicz 1, K Wegscheider 1, G Glaeske 2, G Schön 1
  • 1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
  • 2Universität Bremen, Bremen
  • 3Medizinische Hochschule Hannover, Hannover

Hintergrund: Im Zeitraum 1993–2003 stieg der Anteil von Krankenhauspatienten ab 75 Jahre um 25%. Da mit zunehmendem Alter auch die Wahrscheinlichkeit steigt eine Demenz zu entwickeln, werden die Krankenhäuser in Zukunft eine steigende Anzahl von Patienten mit Demenz behandeln müssen. Diese Studie untersucht die Gründe und Bedingungen von Krankenhaubehandlungen sowie die Anschlussbehandlung von Menschen mit Demenz im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Methoden: Die Krankenkassendaten von 1.848 Menschen mit Demenz und einer nicht-dementen Kontrollgruppe (1:4 Matching nach Alter, Geschlecht, Anzahl der ambulanten Arztkontakte und aufgesuchten Ärzte im ersten Quartal des Beobachtungszeitraums) wurden im Hinblick auf Anzahl und Gründe stationärer Aufnahmen, Diagnosen, Liegezeiten und Entlassungsgründe innerhalb des Jahres vor und nach Erstdiagnose einer Demenz verglichen. Mit einer multiplen logistischen Regression wurde untersucht, welche Faktoren mit einer Notfallaufnahmeassoziiert sind. Ergebnisse: Während 38,9% der späteren Dementen im Jahr vor Diagnosestellung mindestens einen stationären Aufenthalt vorwiesen, belief sich der Anteil der Kontrollen auf 25,6%. Im ersten Jahr nach Diagnosestellung vergrößert sich dieser Unterschied weiter auf 44,2% versus 26,4%. Die durchschnittliche Anzahl von Leistungstagen pro Aufenthalt ist bei der Demenzgruppe um 3,6 Tage vor und 1,8 Tage nach Inzidenz gegenüber der Kontrollgruppe erhöht, während der Anteil der Notfallaufnahmen sowohl im Jahr vor als auch im Jahr nach Erstdiagnose einer Demenz um 10% erhöht ist. Im Regressionsmodell waren neben der Diagnose, das Alter (OR=1,03 pro Lebensjahr; p<0,001) und Geschlecht (OR=1,16 für Frauen; p=0,048) sowie die urbane Umgebung (OR=1,18; p=0,048) signifikant mit der Notfallaufnahme assoziiert. Unter Kontrolle dieser Einflussgrößen wies die Demenzgruppe ein um 26% erhöhtes Risiko (OR=1,26; p<0,01) auf, als Notfall aufgenommen zu werden. Diskussion: Menschen mit Demenz haben häufigere und längere Krankenhausaufenthalte als Nicht-Demente, dies wurde auch in anderen europäischen Ländern gefunden. Ihre häufigeren Aufnahmen als Notfall können nur teilweise durch verschiedene Diagnosen erklärt werden. Diskussionswürdig erscheint die erhöhte Notfallrate in urbanen gegenüber ländlichen Regionen.