Gesundheitswesen 2010; 72 - V65
DOI: 10.1055/s-0030-1266239

Wie verlässlich sind hausärztliche Prävalenzangaben von KHK, Insult und Diabetes älterer Menschen?

T Zimmermann 1, H Kaduszkiewicz 1, G Schön 2, H van den Bussche 1
  • 1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • 2Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie, Hamburg

Einleitung: Die Prävalenzangaben von chronischen Erkrankungen älterer Menschen basieren häufig auf epidemiologischen Daten, die auf Querschnitts-Designs beruhen. Liegen den Häufigkeitsangaben Zeitverläufe zugrunde, werden Teilpopulationen (bspw. Gruppen von Menschen ≥75 Jahre) über die Zeit betrachtet, nicht aber dieselben Individuen. Das ist sowohl bei Routinedaten der Krankenkassen als auch bei Surveydaten aus Bevölkerungsbefragungen der Fall. Die Entwicklung der Prävalenzen chronischer Erkrankungen in Panel-Designs wurde bisher nicht untersucht. Dies ist aber von großer Bedeutung, um die Reliabilität/Validität sowohl der Zeitreihen als auch der Querschnittsdaten einschätzen zu können. Methoden: In der versorgungsbasierten AgeCoDe-Kohorte des Kompetenznetz Degenerative Demenzen (KNDD) dokumentierten Hausärzte die Morbidität von KHK, Insult, Diabetes sowie peripherer arterieller Verschlusskrankheit (paVK) über drei Zeitpunkte und einen Untersuchungszeitraum von 4,5 Jahren. Von 2033 Patienten im Alter von 79 bis 97 Jahren lag zu diesem Zeitpunkt eine vollständige Dokumentation vor. Für diese Patienten bildeten wir Morbiditätsverlaufsmuster und analysierten die Faktoren, die zu einem Verlust der chronischen Erkrankungen bzw. Erkrankungskomplexe in der Dokumentation im Zeitverlauf führten. Ergebnisse: Drei Muster der Dokumentation sind zu erkennen: Erkrankung im Zeitverlauf stabil vorhanden, Erkrankung im Zeitverlauf verloren, Erkrankung im Zeitverlauf fluktuierend. Bei Diabetes gehen 16%, bei kardialen Ereignissen 29%, bei vaskulären Ereignissen 42% und bei paVK rund 44% der Erkrankungsfälle in der ärztlichen Dokumentation im Zeitverlauf wieder verloren. Männer haben ein verringertes Risiko, die dokumentierte KHK wieder zu verlieren (OR 0,44). Bei den vaskulären Ereignissen sind es Demenzkranke, die ein erhöhtes Risiko haben, das die Erkrankung aus der Dokumentation verschwindet. Diskussion: Solche Verluste in der Dokumentation sind nicht auf die hier vorgestellte Primärerhebung begrenzt. Auch in den Routinedaten der Gmünder ErsatzKasse lassen sich solche Verlustraten belegen. Möglichkeiten und Grenzen, die Validität/Reliabilität der Prävalenzangaben zu verbessern, werden vorgestellt. Mögliche Konsequenzen in der Versorgungswirklichkeit werden diskutiert.