Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_46
DOI: 10.1055/s-0030-1261508

Kongenitale myotubuläre Myopathie als seltene Ursache einer postnatalen Asphyxie – Fallbeispiel

C Bender 1, C Cavelius 1, B Zabel 2, J Kirschner 3, R Korinthenberg 3, M Henschen 1
  • 1Kinderabteilung, Städt. Kinderkrankenhaus, Villingen-Schwenningen
  • 2Abteilung Humangenetik, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin der Universität Freiburg, Freiburg
  • 3Abteilung Neuropädaitrie, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin der Universität Freiburg, Freiburg

Einleitung: Die x-chromosomal vererbte myotubuläre Myopathie (MTM) ist eine sehr seltene angeborene strukturelle Muskelerkrankung und kann beim Neugeborenen zu einer primären respiratorischen Insuffizienz führen und auch zum dauerhaften Beatmungsbedarf. Wir möchten anhand einer Kasuistik den klinischen Verlauf und die Diagnosestellung eines Neugeborenen mit einer kongenitalen MTM beschreiben. Fallbericht: Levin wurde nach einem unauffälligen Schwangerschaftsverlauf termingerecht geboren. Postnatal präsentierte er sich schlapp und leblos, zeigte keine Eigenatmung und hatte ein fahles Hautkolorit, so dass umgehend der Kinderarzt hinzugerufen wurde. Unter kurzfristiger Herzdruckmassage und zügiger nasotrachealer Intubation gelang die Stabilisierung des Neugeborenen, Apgar 1/3/6, NS-pH 7,44. Was den klinischen Befund betrifft zeigten sich bei L. folgende Auffälligkeiten: deutliche muskuläre Hypotonie, abgeschwächte Muskeleigenreflexe, Schluckstörung, langes und schmales Gesicht, geöffneter Mund, hoher Gaumen, Ptosis beidseits, Hypertelorismus, Trichterbrust und Arachnodaktylie. In einer interdisziplinären Konferenz konnte aufgrund der aufgeführten Stigmata die Verdachtsdiagnose einer X-chromosomal vererbten myotubulären Myopathie gestellt und im Anschluss auch genetisch gesichert werden (in ca. 75% der Fälle möglich). Weiterer Verlauf: seit der zweiten Lebenswoche atmete L. spontan, einen kontinuierlichen O2-Bedarf hatte er über die ersten beiden Lebensmonate. Seine Nahrung erhielt er zunächst vollständig über eine Magen-, dann über eine PEG-Sonde. Aufgrund seiner Schluckstörung muss er regelmäßig abgesaugt werden. Außerdem erhält er eine intensive krankengymnastische Therapie. Im 6. Lebensmonat konnte Levin nach Hause entlassen werden. Diskussion: Eine schwere postnatale Asphyxie kann leider häufig auch nach einem absolut unauffälligen SS-Verlauf auftreten und kann daher vom somit unvorbereiteten und ggfs. noch unerfahrenen Erstversorger nicht immer sofort beherrscht werden. Das kann dann für das betroffene Kind ein zusätzliches Risiko bedeuten. Zu den möglichen Ursachen einer postnatalen Asphyxie gehören auch eine Reihe von Muskelerkrankungen wie z.B. die x-chromosomal vererbte myotubuläre Myopathie. Die primäre Ateminsuffizienz dieser Erkrankungen ist dann meist der Grund für die Asphyxie. Die Prognose der MTM ist in den meisten Fällen sehr ernst: ein Teil der betroffenen Kinder bleibt beatmungspflichtig und/oder verstirbt in den ersten Lebensmonaten meist aufgrund von pulmonalen Infektionen, es gibt jedoch auch Fallberichte, in denen Betroffene das Erwachsenenalter erreichen. Levin selbst ist mittlerweile 12 Monate alt, inzwischen tracheotomiert, seine Lebenserwartung schätzen wir als sehr begrenzt ein.