Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_FV_5
DOI: 10.1055/s-0030-1261291

Wertigkeit von klinischen Symptomen und Kombinationsbestimmungen von Procalcitonin, C-reaktivem Protein und Interleukin 6 in der Diagnostik der neonatalen Sepsis

B Bohnhorst 1, M Lange 2, L Bejo 1, DB Bartels 3, L Hoy 4, C Peter 1
  • 1Kinderklinik der Med. Hochschule, Hannover
  • 2Kinderklinik, Westküstenklinikum, Heide
  • 3Abteilung für Epidemiologie, Boehringer Ingelheim GmbH, Hannover
  • 4Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Biometrie, Hannover

Hintergrund: Wird bei Früh- und Neugeborenen (FG/NG) aufgrund klinischer Symptome das Vorliegen einer Sepsis vermutet, werden zur Sicherung der Diagnose Laborparameter wie C-reaktives Protein (CrP), Interleukin 6 (IL 6) und in jüngerer Zeit Procalcitonin (PCT) bestimmt.

Fragestellung: (1) Welche klinischen Symptome weisen am zuverlässigsten auf eine Sepsis hin? (2) Erhöht die zusätzliche Bestimmung von PCT die Sensitivität und Spezifität der bisher üblichen Kombination von CrP und IL 6 in der Diagnostik der neonatalen Sepsis?

Studiendesign: In einer prospektiven Beobachtungsstudie wurden bei 170 FG/NG bei klinischem V.a. eine Sepsis (vermehrte Apnoen, Bradykardien, Hypoxämien, graues Hautkolorit, Nahrungsunverträglichkeit, Temperaturinstabiltität, arterielle Hypotension, verlängerte Rekapillarisierungszeit) nach dem 4. Lebenstag CrP, IL 6 und PCT bestimmt. Eine Sepsis wurde als gesichert angesehen, wenn ein Keimnachweis in ansonsten sterilen Körperflüssigkeiten bzw. -geweben gelang (Blut, Liquor, Aszites, intraoperativer Abstrich vom Peritoneum) oder eine Erhöhung der Laborparameter und ein gleichzeitiger radiologischer Pneumonienachweis oder eine positive Urinkultur bestand. Ergebnisse: 58 FG/NG hatten eine gesicherte Sepsis. Sie wurden mit 112 FG/NG verglichen, die aufgrund obiger Definition keine gesicherte Sepsis hatten. Die klinischen Symptome: arterielle Hypotension (OR 2,6, KI 1,1–6,5), Nahrungsunverträglichkeit (OR 5,2, KI 2,6–10,4) und verlängerte Rekapillarisierungszeit (OR 9,2, KI 4,1–20,6) waren signifikant mit einer gesicherten Sepsis assoziiert, wohingegen Temperaturinstabilität, Bradykardien, neu/vermehrt aufgetretene Apnoen oder ein graues Hautkolorit keine Signifikanz aufwiesen. Die Kombination von CrP/IL 6 (Grenzwerte >10mg/l und >100 pg/ml) ergab eine Sensitivität von 91,4%, eine Spezifität von 80,4%, einen positiven prädiktiven Wert von 70,7%, einen negativen prädiktiven Wert von 94,7% und einen Youden-Index von 0,718. Die Dreifachbestimmung CrP/IL 6/PCT (Grenzwerte >10mg/l, >100 pg/ml, >0,7µg/l) ergab eine Sensitivität von 98,3%, eine Spezifität von 65,2%, einen positiven prädiktiven Wert von 58,8%, einen negativen prädiktiven Wert von 98,6% und einen Youden-Index von 0,635.

Zusammenfassung: Symptome wie arterielle Hypotension, Nahrungsunverträglichkeit und insbesondere eine verlängerte Rekapillarisierungszeit sind in der Neonatalperiode signifikant mit dem Vorliegen einer Sepsis korreliert. Durch die zusätzliche Bestimmung von PCT zur kombinierten Bestimmung von IL 6 und CrP wird zwar die Sensitivität etwas erhöht, die Spezifität sinkt aber deutlich. Im klinischen Alltag hat die routinemäßige Dreifachbestimmung von CrP, IL 6 und PCT in der Neonatologie deshalb keinen grundsätzlichen Vorteil, sondern sollte nur in ausgewählten Fällen erfolgen.