Z Geburtshilfe Neonatol 2009; 213 - FV_N_09_01
DOI: 10.1055/s-0029-1222817

Ist die postnatale Versorgung mit Cholin und Methylgruppendonatoren bei Frühgeborenen (FG) ausreichend? – Berechnungen anhand von Literaturdaten und klinischen Ernährungsempfehlungen

W Bernhard 1, J Gesche 1, A Franz 1, CF Poets 1
  • 1Abteilung Neonatologie, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen

Hintergrund: Cholin ist ein essentielles Substrat für die Synthese von Membran- und Sekretphospholipiden, Botenstoffen und übertragbaren Methylgruppen. Es ist essentiell für die Entwicklung und Funktion aller Organe und wird in utero aktiv diaplazentar auf den Feten übertragen (1, 2). Die Plasmaspiegel reifer Neugeborener liegen mit 28–49µmol/l über denen Schwangerer (8–12µmol/l) (3) und im Tierversuch führt Cholinmangel u.a. zu Minderfunktionen des ZNS (2). Bei FG unterbleibt die diaplazentare Cholinzufuhr während möglicherweise kritischer Entwicklungsphasen. Ziele: Ermittlung der durchschnittlichen Zunahme des Cholinpools von Feten und der Cholin-Versorgung von FG bei Ernährung mit Muttermilch (MM), Frühgeborenen-Formula (FF) und parenteraler Fettzufuhr (PF). Vergleich mit für Erwachsene optimaler Zufuhr (4,5). Methodik: Berechnung der Konzentrationen und Zufuhr von Cholin anhand von Referenzwerten und gängigen Ernährungsempfehlungen. Ergebnisse: Der Cholinpool steigt zwischen 24 und 42 SSW von 486 auf 2730mg. Der Zuwachs des Cholinpools beträgt 15–25mg/d (Maximum: 36. SSW). Die Cholinzufuhr erreicht bei FG aus 28 SSW (1000g) frühestens nach 5–6d den Erwachsenenbedarf (Anstieg von 0 auf 12mg/kg/d). Nach 8d ist im Idealfall die maximale Cholinzufuhr erreicht. Diese beträgt bei Ernährung mit MM, FF oder PF 21, 18 bzw. 21mg/kg/d. Schlussfolgerung: Die Cholinversorgung erreicht bei FG erst nach 5–6d die optimale Versorgung Erwachsener und ist deshalb bis dahin mit großer Wahrscheinlichkeit inadäquat. Ob bei FG die gegenwärtig maximal erreichbare Versorgung mit 18–21mg/kg/d für adäquate Plasmaspiegel und optimale Entwicklung, insbesondere des ZNS, ausreicht, bedarf weiterer Untersuchungen.

Literatur: 1. Zeisel SH. 2004. Nutritional importance of choline for brain development. J. Am. Coll. Nutr. 23, 621S–626S. 2. Perinatal choline supplementation: a smart lifelong solution to age-related dementia. Gutierrez R, Simon SA. 2008. Front. Neurosci. 2, 135-136 3. Signore C, Ueland PM, Troendle J, Mills JL. 2008. Choline concentrations in human maternal and cord blood and intelligence at 5 y of age. Am. J. Clin. Nutr. 87, 896-902. 4. Zeisel SH. 2007. Gene response elements, genetic polymorphism and epigenetics influence the human dietary requirement for choline. IUBMB Life 59, 380-387. 5. Fischer LM, daCosta KA, Kwock L, Stewart PW, Lu T-S, Stabler SP, Allen RH, Zeisel SH. 2007. Sex and menopausal status influence human dietary requirements for the nutrient choline. Am. J. Clin. Nutr. 85, 1275-1285.