Klinische Neurophysiologie 2009; 40 - A118
DOI: 10.1055/s-0029-1216112

Explorationsverhalten bei Patienten mit homonymen Gesichtsfeldausfällen

U Schiefer 1, E Papageorgiou 1, G Hardieß 1, HA Mallot 1
  • 1Tübingen

Einleitung: In der (Fahr-)Tauglichkeits-Beurteilung wird der Gesichtsfeldfunktion eine hohe Bedeutung beigemessen. Ziel dieser Untersuchungen war es, den Einfluss homonymer Skotome auf die Passage einer Kreuzung mit Querverkehr unter „Virtual reality (VR)“-Bedingungen bei zusätzlicher Berücksichtigung des visuellen Explorationsvermögens (Einsatz von Augen- und Kopfbewegungen) zu untersuchen.

Methodik: Im Rahmen der Versuchsauswertung wurde den „Trajektorien“ der virtuellen Fahrzeuge die Lokalisation und Ausdehnung des ggf. vorhandenen Gesichtsfelddefekts (semi-automatisierte kinetische Perimetrie, Marke III4e, 3°/s, mit Reaktionszeitkorrektur) sowie die visuellen Explorationsbewegungen (erfasst mittels „Eye tracking“ und „Head tracking“) – jeweils zeitlich bzw. örtlich aufgeschlüsselt –überlagert. Hierdurch ließ sich unmittelbar visualisieren und analysieren, (i) ob überhaupt und falls ja, (ii) zu welchem Zeitpunkt/in welchem Kreuzungsabstand, (iii) über welchen Zeitraum/über welche Fahrstrecke ein potentiell Kollisions-relevantes Querfahrzeug exploriert wurde und – mindestens ebenso wichtig – (iv) ob aus dieser Konstellation eine Änderungen des Fahrverhaltens (' Geschwindigkeitsänderung) des Fahrzeugsführers resultierte.

Ergebnisse: 27 Patienten (10 Frauen, 17Männer, im Alter zwischen 19 und 71 Jahren) mit vaskulären Hirnläsionen (Eintrittszeitpunkt mind. 6 Monate vor Untersuchungsbeginn) und daraus resultierenden homonymen Gesichtsfelddefekten wurden untersucht; das Vergleichskollektiv umfasste 16 augengesunde Normalpersonen mit vergleichbarer Alters- und Geschlechtsverteilung.

17 der 27 Patienten mit homonymen Skotomen waren bezüglich der Güte der Kreuzungspassage (' Zahl der Kollisionen) dem Normalkollektiv vergleichbar. Patienten mit homonymen Ausfällen nach links – hervorgerufen durch rechts-hemisphärische Läsionen – zeigten i.a. schlechtere Passageergebnisse als solche mit homonymen Skotomen nach rechts.

Schlussfolgerung: Existenz und Ausdehnung eines homonymen Gesichtsfeldausfall allein scheinen also keine hinreichenden Prädiktoren für die erfolgreiche Passage einer Kreuzung mit Querverkehr unter VR-Bedingungen zu sein.