Klinische Neurophysiologie 2009; 40 - A14
DOI: 10.1055/s-0029-1216045

Der bogengangvermittelte vestibulo-okuläre Reflex – Physiologische Grundlagen und klinische Aspekte

M Fetter 1
  • 1Karlsbad-Langensteinbach

Die beste Methode die Funktion der Gleichgewichtsorgane zu überprüfen ist die Untersuchung des vestibulo-okulären Reflexes (VOR). Dieser Reflex hat die Aufgabe, während Kopf- und Körperbewegungen im dreidimensionalen Raum das Bild auf der Netzhaut in allen Freiheitsgraden stabil zu halten, indem die Augen genau gegensinnig zur Kopfdrehung bewegt werden. Wenn Störungen im VOR auftreten, kommt es zu Fehlern bei den erzeugten Augenbewegungen, die der Patient als Scheinbewegungen der Umwelt und als Schwindel empfindet. Durch genaue Beobachtung der Augenbewegungen (z.B. Spontan- und Provokationsnystagmus, pathologische Einstellbewegungen) ist eine Diagnostik auf der Funktionsebene einzelner Bogengänge möglich. Man macht sich dabei die bekannte Eigenschaft des VOR zunutze, dass eine isolierte Stimulation der Nervenfasern eines Bogengangs Augenbewegungen ungefähr in der Ebene des jeweils stimulierten Bogengangs auslöst. Werden gleichzeitig die Nervenfasern zweier Bogengänge stimuliert, ergibt sich eine Augenbewegungsrichtung, die dem geometrischen Mittel der beiden stimulierten Ebenen entspricht. Dieser einfache geometrische Zusammenhang ermöglicht, z.B. bei einem Spontan- oder Provokationsnystagmus auf die auslösenden Bogengänge zurück zu schließen. Grundsätzlich kann man zwei wesentliche Störungmuster unterscheiden, entweder es kommt zu inadequater Übererregung einer Seite (Reizschwindel) oder zum einseitigen Ausfall einer Seite (Ausfallschwindel). Die komplexe Funktionsweise der Gleichgewichtsorgane und der durch sie ausgelösten Reflexe konnte durch moderne neurootologische Untersuchungstechniken in den letzten Jahren weitgehend entschlüsselt werden. Dies hat zur Entwicklung einfacher klinischer Untersuchungsmethoden geführt, die direkt am Krankenbett eingesetzt werden können und sehr präzise die Funktion der verschiedenen Anteile der Gleichgewichtsorgane überprüfen. Anhand typischer klinischer Beispiele werden die Möglichkeiten dieser Untersuchungsmethoden dargestellt.