Geburtshilfe Frauenheilkd 2009; 69 - A036
DOI: 10.1055/s-0029-1208292

„Wie ein Vieh auf der Schlachtbank“– Traumatisierende Erlebnisse im Rahmen einer Brustkrebserkrankung

M Wollenschein 1, S Tagay 2, H Brauch 3, T Brüning 4, U Hamann 5, Y Ko 6
  • 1Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Gynäkologische Psychosomatik, Bonn, Germany
  • 2Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • 3Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie, Stuttgart und Tübingen, Germany
  • 4Berufsgenossenschaftliches Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin (BGFA), Ruhr Universität Bochum, Bochum, Germany
  • 5Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg, Germany
  • 6Evangelische Kliniken Bonn gGmbH, Betriebsstätte Johanniter Krankenhaus, Bonn, Germany

Einleitung: In der Behandlung potentiell lebensbedrohlicher Erkrankungen kann es zu Situationen kommen, in denen Menschen sich hilflos ausgeliefert fühlen und Angst um ihr Leben haben. So können Erlebnisse im Zusammenhang mit einer Brustkrebserkrankung traumatisch verarbeit werden und posttraumatische Symptome bis hin zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) auslösen. Bislang liegen nur wenige Daten darüber vor, welche Erlebnisse Frauen mit Brustkrebs im Rahmen der Diagnostik und Behandlung als potentiell traumatisierend erleben.

Methode: 267 (Alter M=60,2 Jahre) Brustkrebspatientinnen der GENICA-Studie, einer molekular-epidemiologischen Studie zu den Entstehungsbedingungen des sporadischen Mamma-Ca, wurden 2–5 Jahre nach Erstdiagnose u.a. zu Stressoren im Verlauf ihrer Erkrankung und damit verbundenen posttraumatischen Symptomen (Essener Trauma-Inventar) befragt.

Ergebnisse: Bei 9,5% der Patientinnen zeigten sich ausgeprägte PTSD-Symptome, bei 29% lag eine subsyndromale Ausprägung vor. Als Stressoren wurden von 49% der Patientinnen die Mitteilung der Diagnose (Ersterkrankung, Rezidiv oder Metastasenbildung) genannt. Weitere 30% benannten Erlebnisse in der onkologischen Therapie: Hier wurden am häufigsten Erfahrungen rund um Operation und Chemotherapie als äußerst belastend erlebt. Die Stressoren unterschieden sich nicht zwischen Frauen mit ausgeprägter PTSD-Symptomatik und denen mit nur wenigen PTSD-Symptomen. Ein Unterschied bestand in der Anzahl der genannten Stressoren: Frauen mit PTSD-Diagnose nannten signifikant häufiger mehr Stressoren (p<0,01).

Diskussion: In dieser Stichprobe persistieren posttraumatische Symptome nach einer Brustkrebserkrankung auch noch 2–5 Jahren nach Erstdiagnose. 79% der Nennungen beschrieben als Stressoren Aspekte des medizinischen Behandlungsprozesses. Daher sollte nach Wegen der Risikominimierung für eine Traumatisierung durch ärztliches Handeln gesucht werden. Verbesserungspotential liegt möglicherweise in der Gesprächsführung bei der Diagnosemitteilung sowie während der onkologischen Therapie. Trainingsmaßnahmen zu Kommunikationsstrategien können hierbei hilfreich sein.