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Ein unveröffentlichter Brief von Karl Marx an Sophie von Hatzfeldt — Zum Streit mit Karl Blind nach Ferdinand Lassalles Tod

Published online by Cambridge University Press:  18 December 2008

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Abstract

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Research Article
Copyright
Copyright © Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis 1982

References

1 Die Originalhandschrift befindet sich im Besitz von Hermann Graf Hatzfeldt auf Schloβ Schönstein, Wissen/Sieg. Der Brief besteht aus einem Bogen im Format 224 x 179,5 mm, ist zu zwei Blättern gefaltet und nur auf der Vorderseite des ersten Blattes von Marx beschrieben. Der Umschlag fehlt. Erstveröffentlichung nach einer Abschrift in F. Lassalle, Nachgelassene Briefe und Schriften, hrsg. von G. Mayer, Stuttgart, Berlin 1921-25 (weiter NBS). Bd 3, 5. 408-09. Marx, der die damalige Anschrift der Gräfin in Berlin nicht kannte, lieβ den Brief durch W. Liebknecht zustellen, als sie nach der Reise mit Lassalles Leiche in Berlin eintraf (W. Liebknecht an Marx, Ca 16.9.1864, Marx-Engels-Nachlaβ D 3090, IISO).

2 Die Nachricht von Lassalles Duell (am 28.8.1864 in der Nähe von Genf an der Straβe zwischen Carouge und Veyrier) mit J. v. Racowitza wegen H. v. Dönniges und von Lassalles Tod (in Genf am 31.8.) gelangte über G. Bethlen, einen der Sekundanten Lassalles, und über G. Klapka an F. Freiligrath nach London (1. bzw. 2.9.). Freiligrath informierte sogleich Marx, dieser Engels in Manchester. Freiligrath an Marx, I. und 2.9., in Freiligraths Briefwechsel mit Marx und Engels, bearb. und eingel. von M. Häckel, Berlin 1968, Bd 1, S. 176f.; Marx an Engels, 2.9., in K. Marx, F. Engels, Werke, Berlin 1957-68 (weiter MEW), Bd 30, S. 427; vgl. 1. Britschgi-Schimmer, Lassalles letzte Tage, Berlin 1925; M. F. Compagnon, „Le duel et Ia mort de Ferdinand Lassalle (Genève, aoôl;t 1864)”, in: Revue 'Histoire Suisse, Bd 21(1941), S.79-115.

3 In ihren unmittelbaren Reaktionen auf den Duellausgang zeigten sich Freiligrath „,tief ergriffen” (an Marx, 1.9., vgl. aber Marx an seine Frau, 2.9.), Marx „,bestürzt” und Engels „überrascht” (an Marx, 4.9.), MEW, Bd 30, S. 429, 671.

4 Engels an Marx, 4.9.: ,„Lassalle mag sonst gewesen sein, persönlich, literarisch, wissenschaftlich, wer er war, aber politisch war er sicher einer der bedeutendsten Kerle in Deutschland.” Marx an Engels, 7.9.: „,Er [Lassalle] war doch noch immer einer von der vieille souche und der Feind unsrer Feinde.” (ebd., 5. 432)

5 Dieser Zusammenhang war seit zwei Jahren gelockert. Lassalles Besuch in London von Juli bis Anfang August 1862 hatte Marx deutlich gemacht, daβ es zusätzlich zu den politischen Kontroversen und wissenschaftlichen Divergenzen auch noch em tiefes menschliches Miliverständnis zwischen ihnen gab. Mayer, Einführung in NBS, Bd 3, 5. 21f.; H. Oncken, Lassalle. Eine politische Biographie, 4. Aufl., Berlin 1923, S. 272f., 352-73; Sh. Na'aman, Lassalle, Hannover 1970, S. 496-99.

6 Lassalle hatte nach Marx' bitterem Brief vom 20.8.1862 über eine zwischen ihnen vereinbarte Wechseltransaktion die freundschaftlichen Beziehungen unterbrochen und Marx' einlenkendes Schreiben vom 7.9. nicht mehr beantwortet (MEW, Bd 30, S. 633, 636f.). Die Gräfin war über die Gründe des ZerwUrfnisses unterrichtet (s. Anm. 18).

7 Für Marx' Furunkulose s. Nr 4, S. 237.

8 Seine Empfindungen für Lassalle versuchte Marx der Gräfin noch einmal mitzuteilen in dem als Fragment überlieferten Brief vom 16.10.1864 (MEW, Bd 31, S. 419), der eine Antwort (s. Anm. 21) auf den hier als Nr 2 wiedergegebenen Brief darstellt.

9 Zur „Identität des innersten geistigen Wesens”, die Lassalle mit der Gräfin verband, und zum Auβergewöhnlichen dieser Verbindung s. Oncken, Lassalle, a.a.O., S. 67f., 7f.

10 „Er starb jung – im Triumphe – als Achilles”, stand als Motto – unter Hinweis auf Marx' Brief an die Gräfin – über dem Lassalle-Nekrolog in der Probenummer des Social-Demokrat, Organ des Allgemeinen deutschen Arbeiter-Vereins, Red. J. B. v. Hofstetten und J. B. v. Schweitzer, Berlin, 15.12.1864. 5. 2. Marx' Würdigung, die die Gräfin bewegte (s. Nr 2-3), wurde im Text des Nekrologs durch mehrfache Paraphrasierung abgewertet (Marx an Engels, 13.3.1865, MEW, Bd 31, S. 99). Anhand der öffentlichen Verwendung seiner in einer privaten Kondolenz gemachten Äβerung erkannte Marx, daβ er für die Lassalle-Apotheose benutzt werden sollte, s. W. Liebknecht an Marx, 20.12.1864, Marx-Engels-Nachlaβ D 3099.

11 Kopie der Originalhandschrift im Marx-Engels-Nachlaβ D 2252, Original im IML Moskau.

12 Nach Liebknecht hatte Marx' Kondolenzbriefder Gräfin „viel Freude” gemacht. Sie war jedoch noch immer erzürnt, weil Lassalle von Marx „im Stich gelassen” worden sei (an Marx, ca 30.9.1864, Marx-Engels-Nachlalβ D 3091). Marx kommentierte, er habe Lassalle keinen „bessern Dienst” erweisen können, „als das Maul zu halten und ihn gewähren zu lassen” (an Engels, 4.11., MEW, Bd 31, S. 10).

13 Bei der Verwirklichung ihres Schwurs, Lassalles Tod zu rächen, sein Andenken zu ehren und sein Werk fortzusetzen (s. Anm. 15), ging die Gräfin eigentümliche Wege. W. Rüstow war von einer „tiefen mentalen Störung” der Gräfin überzeugt. „Von einem Tag zum andern war bald dieser bald jener ein wahrer Freund und in der nächsten Stunde wieder em Feind ohne gleichen.” (an J. Ph. Becker, 16.5.1865, J. Ph. Becker-Nachlaβ D II 900 b, IISG)

14 Ferdinand Lassalle. Dokumentarische Darstellung seiner letzten Lebenstage. Von Augenzeugen und Freunden, Berlin 1865 (B.Andréas, Ferdinand Lassalle – Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein. Bibliographie ihrer Schriften und der Literatur über sie 1840 bis 1975, Bonn 1981 (weiter FL-ADAV), S. 137, B I; zum Schicksal dieser fast gānzlich vernichteten Schrift s. Britschgi-Schimmer, Lassalles letzte Tage, a.a.O., S. 12-28).Die Gräfin lieβ die Broschüre hauptsächlich von Liebknecht (s. Anm. 23) redigieren. Vorher hatte sie zwei Lassalle-Freunde, die als Augenzeugen selbst Publikationsabsichten hatten, brüskiert. J. Ph. Becker, der unmittelbar auf die Lassalle-Angriffe der liberalen Presse, z.B. der Neuen Frankfurter Zeitung (s. den Exkurs, S. 237f.), mit seiner Darstellung Die letzten Tage von Ferdinand Lassalle (FL-ADAV, S. 183. C 100) antworten wollte,hinderte sie,weil „Beleidigungen, Verleumdungen, Hinterlist, Komödie u. Betrug gegen Lassalle” zu wenig herausgearbeitet seien (S. v. Hatzfeldt an Becker, 29.10.1864, Becker-Nachlaβ D I 933). W. Rüstow, der eigene Aufzeichnungen zur Verfügung gestelit hatte (an Becker, 26.1.1865, ebd., 11899), sah die Hauptfehler der Broschüre in der „Verhimmelung” Lassalles und in dem krampfhaften Bemühen, nachzuweisen, Lassalle habe H. v. Dönniges nicht geliebt: er erhob Einspruch gegen den Druck (an R. Schlingmann, nach dem 18.2., Sammlung ADAV/Hatzfeldt (weiter ADAV/H) 262, IISG). Am 22/23.2. schlossen der Verleger, mit deni die Gräfin sich ebenfalls zerstritten hatte, und diese einen Vergleich über das Nichterscheinen der Broschüre (ebd., 267).

15 Die Gräfin spricht nicht vom „Verein”, sondern von der „ganzen Partei”, die sich zu Lassalle bekenne, um die Sinnlosigkeit von Überlegungen, die auf Marx’ Übernahrne der Präsidentschaft zielten, anzudeuten. Liebknecht, dem sich andere anschlossen, hatte nämlich Marx unmittelbar nach Lassalles Tod gefragt, ob er nach Deutschland kommen und die „Leitung desVereins” übernehmen wolle (an Marx, ca 2.9.1864, Marx-EngelsNachiaβ D 3089). „Unter gewissen Bedingungen” erklärte sich Marx am 12.9. bereit (Karl Marx. Chronik seines Lebens in Einzeldaten, Moskau 1934, 5. 230). Noch am 4.10., als Marx’ Interesse sich schon auf die Internationale Arbeiterassoziation (s. Anm. 104) gerichtet hatte, lieβ er wissen, daβ er es für eine „gute Parteidemonstration” halte, wenn er gewählt würde, aber öffentlich ablehnen könnte (an C. Klings, 4.10., MEW, Bd 31, S. 4l7f.). Die Gräfin rechnete es sich als Verdienst an, die Pläne der „Marxianer, die Marx an die Spitze bewegen wollten, womit die Organisation Lassalle's zertrümmert” würde, vereitelt zu haben (an Becker. 29.10.). Trotz ihres Bestrebens, Marx für den Lassalle-Kult zu gewinnen, stand ihre Überzeugung fest: „Marx, sein [Lassalles] politischerAntipode, intriguirt unablässig, seine Erbschaft anzutreten. Dazu muβ er die Organisation auflösen, damit, wie er sagt, ,der Verein in die Partei’, d.h. Person Marx, aufgehe. Wo ist die Partei? Wo war sie 15 Jahre lang […]?” (an Becker, 10.3.1865, Becker-Nachlaβ D I 938) Zum Parteiverständnis innerhaib des ADAV s. A. Herzig, Der Ahlgemeine Deutsche Arbeiter-Verein in der deutschen Sozialdemokratie, Berlin 1979, Kap. 2-3.

16 Marx. der den vorliegenden Brief Engels zur Kenntnis schickte, hatte die Absicht der Gräfin sogleich durchschaut und ihr am 16.10.„sehr freundlich, aber dennoch diplomatisch abwehrend geantwortet” (s. Anm. 21). Er fügte hinzu: „Der moderne Erlöser! Die Person und die Sykophanten, die sie umgeben, sind toll.” Den Apotheose-Verdacht ubertrugen Engels und Marx auch auf den in der Gründung begriffenen Social-Demo-kraten. Marx an Engels, 4.11.. Engelsan Marx, 7. und 16.11., MEW, Bd 31, S. 10, 17, 23.sowie Anm. 10.

17 Über „Schwierigkeiten, nüchterne Ausbesserungen, Verständigkeits- und Moralitätsrücksichten” bei der Abfassung der .,Partei- und Vertheidigungsschrift, eine Apotheose und ein Racheschrei” beklagte sich die Gräfin auch in ihrem Brief an Emma Herwegh vom 5.10. (Ferdinand Lassalle's Briefe an Georg Herwegh. Nebst Briefen der Gräfin Sophie Hatzfeldt an Frau Emma Herwegh, hrsg. von M. Herwegh, Zürich 1896, S. 1 18f.). Dabei unterschätzte sie die rechtlichen Probleme, wenn sie z.B. Korrespondenzen W. und H. v. Dönniges' mit veröffentlichen wollte (R. Schlingmann an W. Rüstow, 10.2.1865, ADAV/H 263,s. ferner für die Kriterien. nach denen Liebknecht redigierte. Britschgi-Schimmer, Lassalles Ietzte Tage. S. 16-17).

18 Der Briefwechsel zwischen Lassalle und Marx zur italienischen Frage hatte der Gräfin vorgelegen, daher datierte sic die politische Trennung zwischen beiden auf 1859. Sie war auch darüber informiert, daβ Lassalle sich mit Marx wegen einer „Geldangelegenheit, die selbst dem gutmüthigen Lassalle zu stark wurde”, völlig entzweit hatte. S. v. Hatzfeldt an Becker, 1.4.1865, Becker-Nachlaiβ D I 939.

19 Marx wollte mit den drei Töchtern im August 1864 Verwandte in Zaltbommel besuchen, die Reise fand aber nicht statt (Marx an L. Philips, 25.6., an Engels. 25.7. und 31.8., MEW, Bd 30, S. 666, 421,423).

20 Marx hätte, wie im Frühjahr 1861, mit einem ihm verfugbaren Paβ vorübergehend nach Berlin kommen können, durfte sich aber nicht in Preuβen ansiedein, weil seine Renaturalisation, die Lassalle und die Gräfin betrieben hatten, von der preuβischen Regierung wegen fehlender „royalistischer Gesinnungen” abgelehnt worden war (S. v. Hatzfeldt an Marx, 14.6.1861, Marx-Engels-Nachlaβ D 2249; Lassalle an Marx, 1.7., NBS, Bd 3, S. 366-70).

21 Für das inkonstante Freund-Feind-Denken der Gräfin s. Anm. 13, für Marx' diplomatische Abwehr s. Anm. 16. Bei J. Ph. Becker beklagte sich die Gräfin am 29.10.. daβ sie keine Freunde urn sich finde. Sie habe „verzweiflungsvoll an Marx nach London geschrieben, ihn beschworen zu kommen, er 1st krank.” Später gab sie Marx' Argumentation, die nicht in seinem Brieffragment vom 16.10. überliefert ist, wieder. Marx hatte demnach geantwortet. die Gräfin könne die Broschüre allein fertigstellen: sie brauche nur jemanden. der aufsetze, was sie sage. „es müsse aus dem Herzen geschrieben sein, die menschliche Seite, die Hauptsache hierbei, menschlich erklärend.” (an Becker, vor dem 11.12., Becker-Nachlaβ D 1 943) Becker erklärte sich am 11.12. der Gräfin gegenüber mit Marx’ Ansicht einverstanden (ADAV/H 6/8). Wahrscheinlich führte Marx' Rat an die Gräfin zur Beauftragung Liebknechts. Wesentlich ist. daβ Marx nur noch von der „menschlichen” Seite. nicht aber vom Parteischriftcharakter der Broschüre sprach. Zu der dialektischen Beziehung zwischen Marx und der Gräfin s. H. Hirsch. Sophie von Hatzfeldt, Düsseldorf 1981, Kap. 5-6.

22 Kopie im Marx-Engels-Nachlaβ D 2253, Original im IML Moskau.

23 Liebknecht hatte die Redaktionsarbeit nach L. Buchers und B. Beckers gescheiterten Versuchen und nach Marx’ Absage bei aller Sympathie für die Gräfin nur unwillig als Parteipflicht übernommen (B. Becker, Enthüllungen über das tragische Lebensende Ferdinand Lassalles. Auf Grund authentischer Belege. Schleiz 1868, S. III-IV (zur Geschichte dieser Broschüre vgl. FL-ADAV, S. 138f., B 4); Wilhelm Liebknecht, Briefwechsel mit deutschen Sozialdemokraten, Bd 1, 1862-1878, hrsg. und bearb. von G. Eckert, Assen 1973, S. 30, Anm. I, Auszug aus dem Brief an Marx, 5.12.. Marx-EngelsNachlaβ D 3097). Anfang Februar 1865 kam es in der Broschürenangelegenheit aus Anlaβ von Rüstows Intervention (s. Anm. 14) zwischen der Gräfin und Liebknecht zu Verstimmungen, Mitte Februar zum Bruch (Wilhelm Liebknecht, Briefwechsel mit Karl Marx und Friedrich Engels, hrsg. und bearb. von G. Eckert. Den Haag 1963, S. 41,43; Briefwechsel mit deutschen Sozialdemokraten, a.a.O., S. 43. Anm. I, Auszug aus dem Brief an Marx, 16.2., sowie S. 51. Anm. 4). Das politische Zerwürfnis war kurz vorher erfolgt, als Liebknecht von der Bismarck-Faszination der Gräfin (vgl. Botschafter Paul Graf von Hatzfeldt, Nachgelassene Papiere 1838-1901, hrsg. und eingel. von G. Ebel, Boppard/Rh. 1976) und von Lassalles Bismarck-Verhandlungen erfahren hatte. Er berichtete an Marx: „Die Gräfin hat sich (durch Wagner [sic]) dem Bismarck zur Verfügung gestellt, und ihm – in partibus – die ganze ,Partei’ Lassalle, Verein und alles verhandelt. Bismarck sollte d. allg. direkte Wahlrecht bewilligen, ein paar sozialistische Konzessionen machen, und dafür agitierten wir für die Annexion Schl. Holsteins an Preuβen. Der gemeine Plan ist Lassalle's own – sein ,Vermächtnis’.” (vor dem 25.1., MarxEngels -Nachlaβ D 3102) Für erste Reaktionen von Marx und von Engels – „objectiv war es eine Schufterei– ” – vgl. Marx an Engels. 25.1., Engels an Marx, 27.1., MEW, Bd 31, S. 43, 46; ferner G. Mayer, Bisrnarck und Lassalle. Ihr Briefwechsel und ihre Gespräche. Berlin 1928.

24 Am 25.11. schioβ die Gräfin mit R. Schlingmann ellen Vertrag, wonach 1800 Exemplare der Broschüre in erster Auflage gedruckt werden soliten. Verlagsvertrag ADAV/H 264.

25 Das Rachebedürfnis, das bei ihr und den Anhängern Lassalles herrschte, wollte die Gräfin durch die Verfolgung H. v. Dönniges' und J. v. Racowitzas als „Mörder” Lassalles befriedigen (G. Mayer. „Gräfin Sophie von Hatzfeldt, Bismarck und das Duell Lassalle-Racowitza”, in: Historische Zeitschrift, Bd 134 (1926), S. 47–56). Für Marx' geschicktes Eingehen auf die Rachegedanken der Gräfin s. Nr 4, für Lassalles Rachemotiv Anm. 30.

26 Einige Stunden nach seinem Tod wurde Lassalle in seinem Sterbebett auf Veranlassung der Gräfin photographiert, der Genfer Bildhauer F. G. Dufaux nahm ihm die Totenmaske ab (Britschgi-Schimmer, Lassalles letzte Tage. S. 292 Compagnon, „Le duel et la mort”, a.a.O., S. 100). Für die Broschüre lieβ die Gräfin 1600 Exemplare des Leichenbildes herstellen (vgl. den in Anm. 14 erwähnten Vergleich). Ein Exemplar der Lassalle-Broschüre mit dem genannten Bild befindet sich im Besitz von B. Andréas. Versoix.

27 Die Gräfin hatte, seit ihrem Scheidungsprozeβ mit detektivischen Methoden vertraut, kurz nach dem Duell das Signalement J. v. Racowitzas verbreitet und sich auch die Photographien von ihm und von H. v. Dönniges zu verschaffen gewuβt (S. v. Hatzfeldt an Becker, 11.9. und 17.10., Becker-Nachlaβ D I 927, 930. ferner ihre Bemerkungen zum Verlagsvertrag ADAV/H 266). Auβerdem lieβ sie Racowitza durch Louis Weber verfolgen (Marx an S. Meyer, 27.8.1867, MEW, Bd 31, S. 558).

28 Siehe Anm. 46.

29 Worte der Dido in Vergils Aeneis, Buch IV, Vers 625.

30 Am Schiuβ der Ronsdorfer Rede hatte Lassalle seine Todesahnung ausgesprochen und das „Exoriare aliquis nostris cx ossibus ultor” übertragen mit „Möge, wenn ich beseitigt werde. irgend ein Rächer und Nachfolger aus meinen Gebeinen auferstehen!” Die Versammelten waren laut Lassalles effektvollem Vermerk zum Schwur aufgefordert worden. In der Broschüre sollte das Ende der Ronsdorfer Rede hinter Lassalles Photo (s. Anm. 26) als Motto erscheinen. Das Vergil-Zitat hatte Lassalle auch anläβlich seiner Geburtstagsfeier im Berliner ADAV am 11.4.1864 vorgetragen. F. Lassalle, Gesammelte Reden und Schriften, hrsg. und eingel. von E. Bernstein, Berlin 19 19–20, Bd 4, S. 228f.; Ferdinand Lassalle. Dokumentarische Darstellung, a.a.O., Motto und S. 75. Nach Lassailes Tod hallte die Parole „Ex ossibus ultor” von alien Seiten wider; G. Herwegh schrieb sogar ein Gedicht unter dieser überschrift, das die Gräfin namentlich zeichnete und das als lnschrift für Lassailes Sarg vorgesehen war (Nordstern. Organ für das deutsche Volk, 24.9.1864, S. 1).

31 Für die Beurteilung H. v. Dönniges' vgl. ihre beiden Schriften (H. v. Racowitza, Meine Beziehungen zu Ferdinand Lassalie, Breslau 1879: dies., Von Anderen und mir, Berlin 1909), in denen sic bemüht war, der Gräfin die Schuld am verhängnisvolien Duell zuzuschieben. Von „verworfener Dime” war in Lassalles Brief an W. v. Dönniges, 26.8.1864, in dem auch die Duellforderung stand, die Rede (Britschgi-Schimmer, Lassalles letzte Tage, S. 271f., ebd. auch die Kritik an H. v. Dönniges' Memoiren, S. 297–310).

32 Lassalle an H. v. Dönniges, 20.8.: „Aber wenn Du mich zerbrichst durch diesen bübischen Verrath, den ich nicht überwinde, so möge mein Loos auf Dich zurückfallen und mein Fluch Dich bis zum Grab verfolgen.” Ferdinand Lassalle. Dokumentarische Darsteliung, S. 149.

33 Diese Unterschrift hätte gleich zwei Unrichtigkeiten enthalten (s. Anm. 2).

34 Vorstehender Satz bildet im Brief der Gräfin eine Anmerkung am linken Briefrand. Wegen des Rachethemas s. Anm. 27.

35 Der „Republikanischer Protes” war in der Neuen Frankfurter Zeitung vorn 29.9., S. 3. erschienen; für seine Verbreitung und Bedeutung s. den Exkurs.

36 Eine ADAV-Erklärung scheint nicht erfolgt zu sein. Auβer Marx' Blind-Erklärung (s. Anm. 105) erschien noch F. Reusche, „Der blinde badische Diplomat und seine neueste eaktions-Entdeckung”, in: Nordstern, 17.12., S. 2–3.

37 Unter der Überschrift „Ein republikanischer Protest, London 17. Sept. 1864” erschien eine weitere Fassung von Blinds Lassalle-Attacke in der Westlichen Post (St Louis), Ende Oktober oder Anfang November. Ein exakter Nachweis konnte wegen der bruchstückhaften Überlieferung dieser deutschamerikanischen Zeitung, zu der Blind über K. Schurz Verbindung hatte (s. K. Blind, „Karl Schurz”, in: Die Gartenlaube, 1906, S. 489), nicht geführt werden. Seine Existenz ist bezeugt von J. Weydemeyer, der ihn Engels zusandte, und von Marx, der ihn für seine Blind-Erkiarung benutzte (Weydemeyer an Engels, Oktober 1864, Weydemeyer-Nachlaβ 254, IISG; Marx an Engels, 25.11., MEW, Bd 31,S.31, sowie Anm. 105).

38 Marx nimmt diese Anspielung auf Aesops Fabel „Der vorn Alter entkräftete Löwe” in seiner Blind-Erklärung wieder auf(MEW, Bd. 16, S. 24).

39 Lassalle wollte sich „dieses” Staats, d.h. des vorhandenen preuβischen, monarchischen Staats, „als eines unentbehrlichen Mittels” bedienen, urn „den Staat”, d.h. den „demokratischen Nationalstaat” mit semen „groβen sozialen Zukunftsaufgaben” herbeiführen zu helfen (Oncken, Lassalle, S. 365). Vgl. auch Lassalles Äuβerungen über den Staatszweck des Arbeiterstandes am Anfang und – über die rnogliche Rolle des preuβi- schen Königtums. „wahrhaft groβe nationale und volksmäβige Ziele zu verfolgen” – am Ende seiner Agitation (F. Lassalle, Das Arbeiterprogramm; ders., Der HochverrathsProceβ, in Gesammelte Reden und Schriften, Bd 2, S. 194–200; Bd 4, S. 159). Einen Ansatzpunkt zu dieser Entwicklung sah Lassalle im Sommer 1864 in der SchleswigHolstein-Frage (s. Anm. 42).

40 Garibaldi hatte bei seiner Groβkundgebung im Londoner Kristall-Palast am 16.4.1864 (für Garibaldi in London s. Anm. 76) von Preuβen und Österreich gesprochen, die die Landung in Neapel gem verhindert hätten und die nun „poor little Denmark” niederdrucken wollten. „It is sad that two colossi are soon trying to put down a little country that has no assistance from any one, and has only his native strength to resist the invaders” (The Times, 18.4., S. 9) Blind hatte vor der Rede auf Garibaldi im Sinne einer prodeutschen Schleswig-Holstein-Lösung (s. Anm. 42) einzuwirken versucht und wurde von Freiligrath, der zur deutschen Garibaldi-Delegation (s. Anm. 78) gehörte, sogleich kritisiert. Garibaldi scheme die bei Blind “genommene Lection schon vergessen zu haben. Wie konnte er sich nur so ausdrücken?!' österreich u. Preuβen – preisgegeben! Natürlich! Aber ,little Denmark?!' Und von der eigentlichen, brennenden Frage, von den Herzogthümern u. deren Analogie mit Venetien, kein Wort! Ich verstehe dies nicht, – vollends, wie gesagt, nicht nach lhrer Mittheilung am Freitag Abend, die inzwischen, mehr oder weniger ausführlich, auch schon die Mehrzahl der deutschen u. englischen Blätter gebracht hat.” An Blind, 18.4., Blind Papers, Vol. 2, f. 310, British Library, London; für Blinds Reaktion aufdiese Kritik s. Anm. 41.

41 Die deutsche Deputation war am 19.4. mit Garibaldi zusammengetroffen. Blind begrüβte den General als „the representative of revolution and national independence”. Als Demokraten und Liberale würden sie nichts gemein haben mit den Herrschern von Osterreich und Preuβen, „who were tyrants at home, unjust to other nations, and whose acts in the Duchies were impressed with the stamps of treachery”. Vom Nationalitätenproblem her betrachtet. sei der Fall Venetien derselbe wie der Fall Schleswig-Holstein. Blind erinnerte daran, Garibaldi „had declared to him in repeated interviews that on the day when the German nation did unfurl her banner, he (Garibaldi) would be on the side of the oppressed people of the Duchies”. Garibaldi antwortete u.a.: „As to the Duchies, I neither desire to see Denmark oppressing them, nor can I wish that a little kingdom should be invaded on its own soil by two great despots”. [K. Blind?] .,Garibaldi and the Germans”, in: The Morning Advertiser (London), 20.4., S. 6; s. ferner Anm. 78.

42 Garibaldi hatte seine Londoner Stellungnahme (s. Anm. 40) zwei Tage vor der Erstürmung der Düppeler Schanzen abgegeben. Die preuβisch-österreichischen Truppen hatten gesiegt und am 31.10. war der Friede mit Dönemark, das die Herzogtümer abtreten muβte, geschlossen worden (s. [E. Bauer,] „Schleswig-holsteinischer Krieg”, in: Staats- und Gesellschafts-Lexikon, hrsg. von H. Wagener, Berlin 1865, Bd l8,S.31l-15). Eine garibaldinische Lösung des Schleswig-Holstein-Konflikts war durch diese Ereignisse unmöglich geworden. Lassalle hatte noch vor seiner Reise in die Schweiz die Gräfin über seinen geplanten ,,Coup” in der Schleswig-Holstein-Frage unterrichtet. Er wollte auf einer groβen Arbeiterversammlung in Hamburg am 25.9. die Resolution durchsetzen, „daβ Bismarck verpflichtet sei, die Groβherzogthumer zu annexieren gegen den Willen österreichs und der übrigen Sraaten ” S. v. Hatzfeldt Lassalle zitierend an Becker, 1.4.1865; Liebknechts Version im Brief an Marx, vor dem 25.1., s. Anm. 23; zum Hamburger „Coup” ferner E. Bernstein, Ferdinand Lassalle. Eine Würdigung des Lehrers und Kämpfers, Berlin 1919, S. 288; Na'aman, Lassalle, a.a.O., 5. 750–54.

43 Die Gräfin konnte auf Marx' Bereitschaft zählen, gegen Blind öffentlich aufzutreten, da sie über Blinds Rolle in der Vogt-Affäre und Marx' Feindschaft ihm gegenüber unterrichtet war (s. Anm. 54).

44 Die Gräfin und Lassalle hatten Garibaldi im November 1861 auf Caprera besucht; Lassalle traf im Juli 1862 in London mit Mazzini zusammen. Diese Kontakte wurden belastet durch Lassalles Ansinnen, die zukünftigen Aktionen der beiden italienischen Nationalisten für seine nationalrevolutionären Ziele auszunutzen. Auβerdem waren diese Treffen zu sporadisch gewesen, um die festeren Beziehungen von Blind, der den Ernigrantenführern die vermeintliche Persigny-Rolle Lassalles vorzeichnete, zu lockern (s. Anm. 62–63).

45 Die Originalhandschrift befindet sich im Besitz von Hermann Graf Hatzfeldt. Der Brief besteht aus 3 Bogen im Format 218 x 178 mm, ist zu 6 Blättern gefaltet und auf 12 Seiten von Marx beschrieben. Der Umschlag fehit.

46 Das Telegrarnm ist bislang nicht bekannt geworden. B. Becker behauptete später, daβ Marx „Telegrarnme und Briefe” an die Gräfin schickte, um sie gegen den ADAV aufzubringen. Marx stellte daraufhin richtig, daβ es sich nur um dieses eine Telegramm handelte, in dem er die Frage nach der „Zugabe gewisser Porträts zur beabsichtigten Broschüre” mit „Nein” beantwortet habe. „Der ,Präsident der Menschheit” (1865), MEW, Bd 16, S. 93, vgl. auch Marx an Engels. 24.11.1864. MEW, Bd 31, S. 30, wo Marx seine Ablehnung unterstreicht.

47 Gemeint sind J. v. Racowitza und H. v. Dönniges.

48 Wohl dem Rechtssatz „Adversus hostem aeterna auctoritas [esto]” des altrömischen Zwölftafelgesetzes (III 7) nachgebildet; „vindicatio” ist von Marx im Sinne von „Rache” gebraucht.

49 Siehe Nr 3 und Anm. 25.

50 Wilhelm Wolff war am 9.5. in Manchester gestorben. Marx hielt beim Begräbnis am 13.5. eine „kleine Grabrede”. Karl Marx. Chronik, a.a.O., S. 228; MEW, Bd 30, S. 659; ferner W. Schmidt, Wilhelm Wolff. Kampfgefährte und Freund von Marx und Engels, Berlin 1979, S. 310f.

51 Bei seiner Agitation im Sommer 1847 wurde Blind in der Presse als „Student” vorgestellt, Deutsche-Brüsseler-Zeitung 1. Januar 1847 – 27. Februar 1848. Faksimile mit Einführung und Anmerkungen von B. Andréas, J. Grandjonc und H. Pelger, Brüssel 1981, 9.9.1847, S. 2. Blind hatte u.a. mit G. A. Schlöffel und J. Miquel in Heidelberg studiert und agitiert. J. H. Schoeps, „lm Kampf urn die deutsche Republik. Karl Blind und die Revolution in Baden 1848/49”, in: Revolution und Demokratie in Geschichte und Literatur. Zum 60. Geburtstag von Walter Grab, hrsg. von J. H. Schoeps und I. Geiss, Duisburg 1979. S. 259–61; für Schlöffel s. G. Rasch, „Ein Streiter der Revolution”, in: Der Deutsche Eidgenosse, hrsg. von K. Blind u.a. (London und Hamburg, Reprint Glashütten/Ts 1973), 15.7.1865, S. 82–88, sowie Miquel an Marx, Sommer 1850, in K. Marx, F. Engels, Gesamtausgabe (MEGA), Dritte Abteilung, Bd 3, Berlin 1981, S. 592. Für Marx und Blind s. auch G. Mayer, ,,Letters of Karl Marx to Karl Blind”, in: International Review for Social History, Bd 4(1939), S. 153–59.

52 Der „Student Blind und Frau Cohen” wurden wegen Verbreitung der Flugschrift Deutscher Hunger und deutsche Fürsten verhaftet. Der Aufruf wurde zeitgenössisch fälschlicherweise als kommunistisch betrachtet. Solcher ,,Unsinn”, steilte die DeutscheBrüsseler-Zeitung, 12.9.1847, S. 3, richtig, „ist kraβ. Der Aufruf wurde uns von Karl Heinzen zugeschickt, und bekanntlich hat Heinzen rnehrrnals den Kommunismus angegriffen”. (Das Flugblatt war abgedruckt worden ebd., 20.6., 5. 1. Wegen eines weiteren Abdrucks in der Deutschen Londoner Zeitung und wegen Heinzens Verfasserschaft vgl. die Einfuhrung in die Deutsche-Brusseler-Zeitung, S. 68–69, Anm. 141. Schoeps, „Im Karnpf urn die deutsche Republik”, S.261, hat die Flugschrift noch, J. Peiser, „Gustav Struve als politischer Schriftsteller”, Phil. Diss. Frankfurt 1973, S. 45, folgend, Blind zugeschrieben.) Für Blinds Beziehung zu Heinzen s. Anm. 87.

53 Friederike Ettlinger aus Karlsruhe, verwitwete Cohen (F. Lautenschläger, „Karl Blind”, in: Neue Deutsche Biographie, Bd 2,S. 304f.), „eine von jenen deutschen Frauen […], welche mehr Entschiedenheit besitzen, als 50 Maulhelden und Festessen-Liberale zusammen” (Deutsche-Brüsseler-Zeitung, a.a.O.). F. Cohen, eine „lebhafte Jüdin”, war Feuerbach-Anhängerin (Marx an Engels, 13.10.1851. MEW, Bd 27. S. 357f) und Goethe-Kennerin (0. Bielefeld, „Karl Blind in London”, in: März, Jg. I (1907), Bd 3, S. 354). Auch später, als ihrzweiter Mann, K. Blind, Mitglied des Bundes der Kommunisten geworden war, nahrn sic an der politischen Tätigkeit Anteil (C. Schrarnm an Marx, 9.9.1850, in MEGA, a.a.O., S. 632). Im Londoner Exil verkehrten die Familien Blind und Marx eine Zeit lang freundschaftlich miteinander (s. Anm. 96). Für den ersten Mann Friederikes, einen “banker of independent means, elderly and widowed”, sowie für die Ungleichheit der Ehepartner „both in age and temperament” s. die biographische Skizze in The Poetical Works of Mathilde Blind, ed. by A. Symons with a memoir by R. Garnett, London 1900.

54 Marx hatte Lassalle und auch der Gräfin, die zusammen 80 RT zur Drucklegung von Herr Vogt zugeschossen hatten (Lassalle an Marx, 30.10.1860, NBS, Bd 3, S. 341), je ein Exemplar Übersandt. Lassalle dankte für den „herrlichen Genuβ” mit Brief vom 19.1.1861. „Wir haben wie toll gelacht, als ich es vorlas, die Gräfin und ich. Sie dankt Dir aufs herzlichste fur das Buch. Seit lange hatte sic sich nicht so gut amüsiert, als bei dieser Lekture.” (ebd., 5. 347)

55 K. Marx, Herr Vogt, London 1860, MEW, Bd 14, 5. 473–89, 672, 673. Marx beschreibt in der von ihm, angegebenen Stelle die „Augsburger Campagne”. Blind hatte Marx am 9.5.1859 Uber Vogts „bonapartistische Subsidien” und „landesverräterische Umtriebe” informiert. Diese Nachricht gelangte nicht durch Marx, sondern durch E. Biscamp und Liebknecht in die Presse, woraufhin Vogt gegen die Augsburger Ailgemeine Zeitung wegen Liebknechts Londoner Korrespondenz Klage erhob. Blind, zur Beweisfuhrung aufgefordert, erklärte, „gar kein Anteil” an der Affäre zu haben und suchte seine Nichtbeteiligung mit Falschaussagen anderer (s. Anm. 75) zu belegen. Bei Beilage 9 handelt es sich urn einen Artikel Blinds, mit dessen Hilfe Marx ihn als Verfasser des anonymen Flugblatts gegen Vogt identifizierte, und Beilage II stellt einen Auszug aus Marx' Zirkular gegen Blind vom 4.2.1860 dar, in dem Marx von einer „wilfully false declaration in the Augsburg Gazette” und von ihrem Verursacher Blind als einem ,,deliberate liar” sprach.

56 Siehe Anm. 105.

57 Blind, der in freundschaftlicher Verbindung zu Freiligrath stand, hatte diesem nach Marx' Brief an Freiligrath vom 23.11.1859 (Freiligraths Briefwechsel, a.a.0., 5. 121–23) vorgesehlagen, auf Schreiben von Marx und Liebknecht „einstweilen nicht einzugehen”, urn nicht „neues Material zu Insinuationen” zu liefern (an Freiligrath, nach dem 23.11., Blind Papers, Vol. 4, ff. 92–93).

58 Freiligrath trat nicht nur öffentlich weiterhin als Freund Blinds auf (s. Anm. 78). sondern stellte „die Freundschaft zu Blind uber die zu Marx” (Hckel, Einleitung in Freiligraths Briefwechsel, Bd 1, S. xci; Marx an Lassalle, 7.9.1860, NBS, Bd 3, S. 317). So teilte er Blind mit, daβ Marx ihrn „den Krieg erklärt” habe, daβ dieser eine „Broschure” (nämlich den Herrn Vogt) „loslassen” werde und daβ man – nach Marx' Besuch bei Lassalle – in Köln .,etwas stutzig über die übersiedlung des ,Pàre Marx' nach Berlin” sei (an Blind, 2. und 6.2.1860, 12.4.1861, Blind Papers, Vol. 2, ff. l3lf., 133f., 186f.). Vgl. Mayer, ,,Letters”, a.a.O.. S. 155f.; ferner für Freiligrath und Blind noch 0. W. Spink, Ferdinand Freiligraths Verbannungsjahre in London, Berlin 1932 (Reprint Nendeln 1967), bes. S. 62f.

59 Als Marx seine Replik aufeine Erklärung Blinds in der Vogt-AfTäre (s. Anm. 55) an Lassalle mit der Bitte sandte, dieselbe in der Berliner Volkszeitung unterzubringen, sicherte Lassalle seine Bereitschaft zu, net aber grundsätzlich von der Veröffentlichung der Replik ab (Marx, „Erklarung”, 15.11.1859, MEW, Bd 14,S. 692f.; an Lassalle, 15.1 1.; Lassalle an Marx, 20.11., NBS, Bd 3. 5. 236f.). Für Lassalles Haltung in der Vogt-Affäre insgesamt vgl. Oncken, Lassalle, 5. 182–84; Mayer, Einfuhrung in NBS, Bd 3, S. 14–18. Lassalle hatte schon 1849 em distanziertes Verhältnis zu Blind und sprach sich offen gegen Blinds Artikel ..österreichische und preuβische Parteien in Baden” in der von Marx redigierten Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue (s. Nachdruck mit Einl. von K. Bittel. Berlin 1955, S. 63–69) aus (an Marx, 24.10.1849 und 16.4.1850, NBS, Bd 3, S. 17, 24).

60 Siehe Anm. 103.

61 H. Heine, Atta Troll. Ein Sommernachtstraurn (1847), Kap. xi. in Werke und Briefe, Berlin 1961, S. 376: ,,Ja, das Schrecklichste aufErden / 1st der Karnpf mit Ungeziefer, / Dern Gestank als Waffe dient – / Das Duell mit einer Wanze!”

62 Über die persönliche Beziehung zwischen Lassalle und Louis Blanc ist wenig bekannt (NBS, Bd 5,S.312). „Eines Tages [wohl irn Jahre 1863] wandte sich Lassalle brieflich an ihn [Blanc], urn em Schreiben von ihm zu erhalten, das dem sog. ,revolutionären Agitator' in der deutschen Arbeiterwelt als Geleitschein dienen soilte. Louis Blanc bat mich urn meine Meinung, was zu thun sei. Die allgemeine Auffassung ging damals dahin: Lassalle sei em republikanischer Führer von äuβersten Grundsätzen, der eine gewaltige gesellschaftliche Umwälzung anstrebe. Ich rneinerseits hielt ihn von Anfang an für einen ehrgeizigen Catilinarier, der im geheirnen EinverständniB mit der Regierungsgewalt die freisinnigen Bestrebungen des Bürgerthums zu Falle zu bringen suche, urn an ihre Stelle em als Groβ-Alrnosenier auftretendes, despotisches Königthum zu setzen, das sich in der Weise des zweiten napoleonischen Kaiserreiches mit dernokratischen Redensarten und Scheineinrichtungen verbrame. Dieser überzeugung gab ich Louis Blanc gegenüber Ausdruck. […] Lassalle wolite eine Persigny-Rolle spielen.”' K. Blind, ,,Louis Blanc”, in: Die Gegenwart, Bd 23 (1883), S. 4. Dieser Nekrolog gibt auch Auskünfte über die enge Beziehung zwischen Blanc und Blind, vgl. auβerdern die diversen Briefe Blancs an Blind in den Blind Papers.

63 Für die enge Beziehung zwischen Mazzini und Blind s. den umfangreichen Briefwechsel in den Blind Papers, Vol. 1, veröffentlicht als Lettere inedite di Giuseppe Mazzini (il più grande esule) all'esule Carlo Blind, Neapel [1927], und K. Blind, „Josef Mazzini”, in: Die Gegenwart, Bd 1(1872), S. 165–66, 181–82, 214–17; ferner Marx an Engels, 25.2. und 4.3.1865, MEW, Bd 31, S. 86, 90, und F. Della Peruta, „l democratici italiani, i democratici tedeschi e l'unità d'Italia (1859–1861)”, in Democrazia e socialismo nel Risorgimento, 2. Aufl., Rom 1977, bes. S. 210–13.

64 Für die enge Beziehung zwischen Blind und Ledru-Rollin vgl. den Briefwechsel in den Blind Papers. Dieser wurde von A. R. Calman, Ledru-Rollin après 1848 et les proscrits français en Angleterre, Paris 1921, nicht benutzt; Blind wird nur unter Hinweis auf seine „Personal Recollections about Ledru-Rollin”, in: Fraser's Magazine, Neue Serie, Bd 11 (1875), S. 243–53, zitiert; s. ferner ders., „Erinnerungen an Ledru-Rollin”, in: Die Gartenlaube, 1875, S. 148–5 1, 160–64; „Ledru-Rollin. Aus persönlichen Erinnerungen”, in: Die Gegenwart, Bd 13 (1878), S. 161–63.

65 Siehe Anm. 84–85.

66 Es handelt sich vor allem urn Eduard Bronner und Karl Heinrich Schaible (s. Anm. 74–75).

67 Für diese Formel, die bei Marx und Engels geläufig wurde, s. den von Engels englisch verfaβten und von Marx überarbeiteten Text im Marx-Engels-Nachlaβ H 68, unter der Überschrift „Über Karl Blind” in deutscher Übersetzung veröffentlicht in MEW, Bd 17, S. 267.

68 Blind hatte sich 1849 vor Gericht als Sozial-Republikaner bezeichnet (Verhandlungen der Freiburger Assisen gegen G. Struve und K. Blind, 20–30. Marz 1849, Extra-Beilage zur Mannheimer Abendzeitung, Nr 1–18, S. 1–72, hier S. 57). 1865, als er den Eidgenossen plante, wollte er damit ein „Kampfblatt für die verschiedenen Fraktionen der republ. U. sozialist. Partei bilden” und bekannte sich in Erinnerung an 1849 als „Republikaner, das heiβt als Social-Demokrat”, „wenn auch an pout. Erfahrungen etwas reicher geworden” (K. Blind an NN, o.D. [1865], Blind Papers, Vol. 4, ff. 114–15). An den ,,Sozial-Demokraten” Blind von 1849, der ,,ausschlieβlich Nationairepublikaner” geworden sei und sich ,,öffentlich im Gegensatz zur deutschen demokratischen Partei entschieden für die Annexion von Elsaβ und Lothringen” ausgesprochen habe, erinnert 1876 Blinds ehemaliger Freund Amand Goegg ([A. Goegg,] Nachträgliche authentische Aufschlüsse über die Badische Revolution von 1849 […] Nebst einem Nachtrag, Zürich 1876). Ebenfalls 1876 spricht Blinds ehemaliger Verbundeter G. Rasch (s. Anm. 72) von dern „Sozialrepublikaner” der 48er Revolution, der nicht rnehr von der „deutschen demokratischen und föderalen Republik’ spreche, sondern sich als „guter Deutscher” zum „Nationalliberalen” gewandelt habe („Deutsche Flüchtlinge in London”, in: Volksstaat, 30.7., S. 1–2).

69 Marx denkt wohl an den Verein „Deutsche Freiheit und Einheit”. der etwa 1860 in London gegründet wurde und zu dern auβer Blind, Bronner (s. Anm. 74) und Schaible (s. Anm. 75) auch noch em Ravenstein als Schriftführer und em Wolffsohn als Kassierer (über die beiden letzten lieβ sich nichts errnitteln) gehörten. G. Rasch, „Karl Blind”, in G. Struve und G. Rasch, Zwölf Streiter der Revolution, Berlin 1867, S. 139, und die editorische Notiz in Der Deutsche Eidgenosse, 15.3.1865.

70 Für Blinds Reise nach Straβburg vor der Februarrevolution 1848 im Auftrage F. Heckers und für seine Beteiligung an dessen Aprilaufstand vgl. Schoeps, „lm Kampf urn die deutsche Republik”, S. 26 1–65.

71 Karl von Rottecks Allgemeine Weltgeschichte für alle Stände, 4 Bde, 1835, em Auszug aus seiner Allgemeinen Geschichte, 9 Bde, 1812–27, war von nachhaltigem aufklärerischen Einfluβ aufdas „Geschichtsbild des deutschen Bürgertums im 19. Jahrhundert”; das von ihm und Karl Welcker herausgegebene Staatslexikon. Encyclopädie der Staatswissenschaften, 15 Bde, 1834–43, gaIt als „Lehrbuch des Frühliberalisrnus” (W. Kosch, Biographisches Staatshandbuch, Bern 1963, Bd 2, S. 1051). Beim „Kalender” handelt es sich urn das Republikanische Regierungs-Blatt, hrsg. von G. v. Struve, „im Namen der provisorischen Regierung Deutschlands”, 22.9.1848. Es erschien nur diese Nummer. Der darin enthaltene ,,Aufruf an das deutsche Volk” mit der Parole „Deutsche Republik! Wohlstand, Bildung, Freiheit für Alle!” war gezeichnet „Der Schriftführer: Karl Blind. Im Namen d. provisor. Regierung Deutschlands: Gustav Struve. Hauptquartier Lörrach, am ersten Tage der deutschen Republik, am einundzwanzigsten September 1848” (s. Rasch, „Karl Blind”, a.a.O., S. 125f.). Marx' Bernerkung über die Bildung eines „badischen Wirts” enthalt auch eine Anspielung auf Blinds Vater Johann Adam, der zunächst Wachsfabrikant, dann Gastwirt in Mannheim war (s. auch Marx an Engels, 25.11.1864).

72 Marx kannte Rasch seit dem Frühjahr 1849 (s. Rasch an Marx, 9.4.1849, in MEGA, a.a.O., S. 343); im Juni 1849 trafen Rasch, Blind und Marx in Paris zusammen (G. Rasch, Aus meiner Festungszeit. Ein Beitrag zur Geschichte der preuβischen Reaktion, Pest u.a. 1868, S. 28). Im Herbst 1849 ging Rasch zusammen mit Blind ins englische Exil, kehrte aber dann nach Berlin zurück und wurde in Haft genommen. nachdem er sich vorher für Marx und das Londoner Flüchtlingskomitee eingesetzt hatte. dabei aber auf Marx' Ablehnung gestoβen war (E. Dronke an Engels. 21.2. und ca 7.5.1850, in MEGA, a.a.O., S. 486, 540). Vierzehn Jahre spater traf Rasch wieder mit Blind in London zusammen und verfal3te als Ergebnis dieses Wiedersehens die Skizze ,,Karl Blind” für die Biographiensammlung Zwölf Streiter der Revolution. a.a.O. Später wandte sich Rasch der Sozialdemokratie zu (s. Anm. 68 und Engels an Rasch, Ende November 1876, MEW, Bd 34, 5. 229, sowie die Polemik, die sich zwischen Rasch und Schaible entspann. ebd., S. 58Sf., Anm. 334). Zu Raschsjournalistischer Tätigkeit in der Schleswig-Holstein-Frage s. Anrn. 84.

73 Marx bezieht sich aufeine Episode im Juni 1863. Unmittelbar nach Erscheinen von Blinds „Freundeswort” (s. Anm. 103) waren E. Dronke und W. Eichhoff in Manchester zusammengetroffen, um Lassalle gegen Blind zu Hilfe zu kommen. Dronke wollte für Lassalle eine „komplette Biographie dieses Menschen zur gelegentlichen Benutzung à la Julian Schmidt” vorbereiten, und Eichhoff suchte von B. Becker eine „schriftliche Mitteilung” darüber zu erhalten, ob „alle die Sch–Blindschen Artikelchen […] zum Teil aus Karl Blinds eigener Feder herrührten”, wie B. Becker aus seiner Redaktionstätigkeit am Hermann. Deutsches Wochenblatt aus London bekannt sein muβte. „Mir wurde damals in London erzählt”, führte Eichhoffnämlich aus, „daβ Sie zu euler Zeit, wo Juch [s. Anm. 78] in Deutschland gewesen, die Karl Blindschen Noten nicht zum Druck gegeben hätten, worüber sich Karl Blind in einem an die Redaktion des ,Hermann' gerichteten und in Ihre Hände gelangten Briefe noch dazu extra beschwert habe. Wie steht es hiermit?” (B. Becker an Lassalle, 14.6.1863, NBS, Bd 5, S. 186; Becker teilt Lassalle einen Auszug aus Eichhoffs Brief mit). Becker, der den „Schwindler” Blind „sehr genau” kannte, begann daraufhin, ihn im Berliner Volksfreund anzugreifen. und fragte gleichzeitig bei Lassalle an, ob ihm Dronkes Hilfe genehm sei (ebd., 5. 187). Lassalle hielt eine literarische Unterstützung durch Dronke, hinter dem nach Beckers Meinung auch Marx stand, für „sehr wünschenswert” (B. Becker, Geschichte der Arbeiter-Agitation Ferdinand Lassalle's. Nach authentischen Aktenstucken, mit einer Einl. zum Nachdruck von T. Offermann, Berlin, Bonn 1978, S. 63). Wie die Dronke-Initiative endete, ist unbekannt; Marx zeigte sich jedenfalls enttäuscht darüber, daβ Becker nicht unter Verwendung des Herrn Vogt gegen Blind aufgetreten war (s. unten, 5. 235).

74 Der Arzt Dr Eduard Bronner lebte seit November 1851 im englischen Exil, seit Juli 1852 in Bradford (Badische Biographien, hrsg. von A. Krieger und R. Obser, Bd 4, Heidelberg 1935, S. 57–59). Seine bislang nicht eindeutig identifizierte Korrespondenz mit Blind befindet sich in den Blind Papers. Für Bronners politisches und publizistisches Zusammenwirken mit Blind vgl. seine Beteiligung am Verein „Deutsche Freiheit und Einheit” (Anm. 69), seine Mitwirkung bei der Garibaldi-Deputation (Anm. 78) und seine Rolle in der Episode urn den Stuttgarter Beobachter (Anm. 105).

75 K. H. Schaible, Siebenunddreiβig Jahre aus dem Leben eines Exilierten. Em flüchtiges Lebensbild. Zum Andenken an deutsche und englische Freunde, Stuttgart, London 1895. Schaible hatte in der Vogt-Affäre Blind zu entlasten gesucht, indem er sich als Verfasser des gegen Vogt genchteten Flugblatts „Zur Warnung” ausgab (Marx, Herr Vogt, a.a.O., S. 488.; an Engels, 15.2.1860, MEW, Bd 30, S. 41, s. auch Anm55). Für den Streit zwischen Schaible, der wie Blind nach 1871 Bismarck-Anhänger geworden war, und Rasch (s. Anm. 72) irn Anschluβ an dessen Artikel „Deutsche Flüchtlinge in London”, a.a.O., vgl. Engels an Rasch, Ende November 1876, MEW, Bd 34,S. 229–31.

76 Garibaldi, der sich vorn 11. bis 22.4.1864 in London beim Herzog von Sutherland, Staffordhouse, aufgehalten hatte, urn die Unterstützung der Engländer für einen Kriegszug gegen Österreich und für den Einmarsch in Venetien zu gewinnen, erlebte einen enthusiastischen Empfang – „which has never been equalled at any former period” (The Morning Advertiser, 23.4., S. 5) – durch die verschiedenen Kiassen der Bevölkerung. Gladstone und die englische Regierung sahen sich dadurch gezwungen, unter dem Vorwand von Garibaldis angegriffener Gesundheit dessen Aufenthalt in England vorzeitig zu beenden (für kritische Kommentare s. Marx an L. Philips, 29.3., an Engels, 19.4., sowie Engels an Marx, 29.4., MEW, Bd 30, 5. 650, 390f., 392). Die emotionale Bewegung in der Bevölkerung suchten die verschiedenen Gruppen und Organisationen auszunutzen. So war Marx vom Londoner kommunistischen Arbeiterbildungsverein beauftragt worden, eine Adresse an Garibaldi zu verfassen und eine Arbeiterdeputation anzuführen, was er allerdings ablehnte (an Engels, 19.4.). Die Londoner Gewerkschaften bildeten am 13.4. in einer Versammlung im Whittington Club, Strand, unter Leitung von G. Odgers ein „Working Men's Garibaldi Reception Committee”. Am selben Abend wurde noch in Anwesenheit einer Pariser Arbeiterdeputation em Spezialkomitee gegründet, „who will have power to convene a public meeting of the working classes for the official reception of the address and the French deputation” (The Times, 14.4., S. 14), eine Station, die hin zur Gründung der IAA am 28.9. führte (Marx an Engels, 4.11., a.a.O., 5. 13; H. Hirsch, „Aufstieg und Niedergang der Ersten Internationale”, in Denker und Kampfer. Gesammelte Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Frankfurt/M. 1955, S. 139; weiter s. Anm. 104).

77 Noch bevor eine deutsche Deputation (s. Anm. 78) gebildet worden war, hatte Blind wegen eines Empfangs an Garibaldi geschrieben. Dieser antwortete am 5.4. von der Insel Wight aus und erklärte sich einverstanden (an Blind, Isle Wight, Brooke House, 5.4., Blind Papers, Vol. 2, f. 308; „Garibaldi and the Germans in England”, in: The Morning Advertiser, 8.4., 5. 6, in welchem Artikel Blind die Zuschrift Garibaldis verwertete).

78 Das deutsche Garibaldi-Komitee wurde am 6.4. in Seydt's Assembly Rooms, Finsburysquare, gebildet. lhm gehörten u.a. an: Blind als Sprecher und seine Mitarbeiter Schaible und Ravenstein, E. Juch, Verleger des Hermann, der Blind vorgeschlagen hatte, der Verleger N. Trübner, bei dem Blinds Flugblätter erschienen, ferner Freiligrath und G. Kinkel: insgesamt umfaβte es 23 Personen. Kinkel hielt die Lobrede auf Blind, „who had laboured for so many years past so energetically and faithfully in the cause of international freedom, whilst none, at the same time, had shown more zeal in his own country's cause” (The Morning Advertiser, 7.4., S. 5). E. Bronner berief in Bradford eine Versammlung em, die Blind mit der überbringung ihrer Adresse beauftragte (ebd., 14.4., S. 3). Zum deutschen Garibaldi-Komitee und zu Blinds Auftrag s. ferner The Observer, 10.4., S. 3, zum Zusammentreffen der Deputation mit Garibaldi s. Anm. 41.

79 Blind traf am 9.4. mit Garibaldi in Brooke House, Insel Wight, zusammen, beide drückten „sentiments of fraternity” aus. „Karl Blind then remained closeted with Garibaldi for some time. At the wish of the German Committee, the Address will be presented at the General's residence in London.” The Morning Advertiser, 11.4., S. 5 für das Verhältnis Garibaldi-Blind s. ferner K. Blind, „Lücken in Garibaldi's Denkwürdigkeiten”, in: Das Magazin für die Litteratur des In- und Auslandes. Wochenschrift der Weltlitteratur, Jg. 57 (1888), S. 22 1–26, 245–49 (hier auch die Beschreibung der Episode, die Marx den Bouret-Streich nennt, s. Anm. 83), sowie S. 261–64 und ders., „Eine Erinnerung an Garibaldi”, in: Vossische Zeitung, 24.7.1903, Morgenausgabe.

80 Auf Blind zurückgehende Wortschöpfung, die von Marx verschiedentlich persifliert wurde (an Engels, 10.3.1865, MEW, Bd 31, 5. 95). Andererseits benutzte Marx „Arbeiterkönige” auch in seriösem Sinn(an Weydemeyer, 29.11.1864, ebd., S.428).

81 Anspielung auf K. Marx und F. Engels, Die groβen Manner des Exils (1852), MEW, Bd 8, 5. 233–335, in welchem Pamphlet Mazzini, Ledru-Rollin und Blanc des öfteren erwähnt wurden.

82 „A great many visitors continued to call upon Garibaldi up to 10 o'clock, shortly after which the General left in the Duke of Sutherland's carriage, accompanied by Mr. Karl Blind, to pay visits. The General drove first to the residence of Mr. Karl Blind, in Townshend-road, St. John's-wood, where he paid his respects to Mrs. Karl Blind, and the members of her family. Thence the General proceeded to call on M. Ledru Rollin, in St. John's-wood-park, and subsequently upon M. Louis Blanc in Melina-place, in the same neighbourhood. with both of whom he had short interviews. On leaving Louis Blanc Garibaldi returned direct to Stafford-house.” The Times, 19.4., 5. 11. ferner The Morning Advertiser, 20.4., S. 6, und The Observer, 24.4., S. 3.

83 E.-M. Bouret (gest. 1777), Sohn eines Lakaien, als Generalsteuerpächter zu Reichtum gekommen, Mäzen der Anti-Philosophes, wuβte sich die Zuneigung seines Protektors, des Generalfinanzkontrolleurs und Siegelbewahrers M. d'Arnouville dadurch zu vergröβern, daβ er in in kurzer Zeit sein Hündchen – das dem Siegelbewahrer gefiel, aber vor ihm Angst hatte – durch Maske, Verkleidung und Dressur dazu brachte. seinen Herrn Herrn zu fliehe n und d'Arnouville nachzulaufen. Dies gelang Bouret, indem er selbst sein Hündchen schlecht behandelte, in der Maske d'Arnouvilles aber Sein Vertrauen gewann. D. Diderot, Oeuvres, hrsg. von A. Billy, Paris 1951, 5. 431; ders., Rameaus Neffe und Moralische Erzählungen, übertragen von R. Rütten [Das erzählerische Gesamtwerk, Bd 4], Berlin 1967, 5. 73, 273.

84 G. Rasch, Vom verlassenen Bruderstamm. Das dänische Regiment in SchleswigHolstein, Bde 1–2, Berlin 1862, Bd 3, 1863. Dervon uns eingesehene Bd l ist nicht Blind gewidmet. Bd 2 aber A. v. Baudissin, Bd 3 R. v. Bennigsen. Es ist aber auch möglich, daβ Marx hier auf Raschs Blind-Skizze anspielt, in der Blinds Londoner PropagandaTätigkeit für die Rechte Deutschlands, Italiens und Polens und besonders SchleswigHolsteins, „des von Deutschland vierzehn Jahre lang verlassenen Bruderstamms”, auβerordentlich gelobt wird (Rasch, „Karl Blind”, a.a.O., S. 137). Raschs SchleswigHolstein-Titel hatten den Charakter von Sensationsschriften, wurden von dänischer Seite angegriffen und erhielten weite Verbreitung; er schrieb auβerdem Vom verrathenen Bruderstamm. Der Krieg in Schleswig-Holstein im Jahre 1864, 2 Bde, Leipzig 1864.

85 Bei der Diskussjon urn den Fonds für das literarische Büreau hatte R. Virchow die Unfähigkeit der Regierung hervorgehoben und angeführt, „daβ gegenüber der Dänischen Agitation em einziger Privatmann, ein Deutscher Flüchtling, Karl Blind, mehr ausgerichtet hat in der Englischen Presse, als alle Deutschen Regierungen zusammen” (Stenographische Berichte über die Verhandlungen der […] beiden Häuser des Landtages, Haus der Abgeordneten, 13. Sitzung, 9. Dez. 1863, Berlin 1864, Bd I, S. 347). Blind wie Marx erfuhren darüber aus der Volks-Zeitung, Berlin, 10.12.1863. Siehe ferner Blind, „Einiges über Virchow”, in: Deutsche Revue, Jg. 27 (1902). 5. 304–09. hier S. 305.

86 Eine Zusammenstellung bietet die in Anrn. 69 genannte editorische Notjz. Em Teil dieser Flugblätter ist im Stadtarchiv Mannheirn und in der Sammlung Schaible der Universitätsbibliothek Heidelberg erhalten. Marx hatte sich im Laufe des Jahres 1864 wieder intensiv mit den Problemen von Schleswig-Holstein befaβt (Karl Marx. Chronik, S. 229), und Engels war sogar in die Herzogtümer gereist, um sich an Ort und Stelle zu überzeugen. Anders als Lassalle entschieden sie sich gegen eine preuβische Annexion und für eine gerechte Lösung durch die Teilung Schleswigs (vgl. den Überblick von G. Beier, „Marx, Engels, Lassalle und der deutsch-dänische Konflikt 1848 und 1864”, in: Grenzfriedenshefte, 1962, S. 194–202, 232–44).

87 Für Blind, der jahrelang Korrespondent von K. Heinzens Pionier, und für Freiligrath, der Heinzen lebenslang freundschaftlich verbunden war, s. C. Wittke, Against the Current. The Life of Karl Heinzen (1809–1880), Chicago 1945, S. 99, 118. Heinzen und Blind kannten sich seit 1847 (s. Anm. 52). Für Blinds und Heinzens Aufenthalt in Strafiburg S. O. Wiltberger, Die deutschen Flüchtlinge in Straβburg 1830–1849,Berlin, Leipzig 1910, S. 121 passim. 1849 trafen Marx, Blind und Heinzen in London zusammen. Marx und Heinzen hatten sich Ende Oktober 1842, kurz nachdem Marx die Redaktion der Rheinischen Zeitung übernommen hatte, kennengelernt. Der Bruch erfolgte, als Heinzen unter Einfluβ A. Ruges im September 1845 einen antikommunistischen Artikel veröffentlichte (H. Pelger, „Karl Marx und die rheinpreuβische Weinkrise”, in: Archiv für Sozialgeschichte, Bd 13 (1973), S. 329–32). Die Beziehungen und Polemiken zwischen Marx und Heinzen, die mehr als dreiβig Jahre dauerten, können hier nur skizziert werden. Marx und Engels attackierten Heinzen 1847 in der Deutschen-Brüsseler-Zeitung (s. die diversen Angaben in der Einführung) und irn Pamphlet Die groβen Männer des Exils, a.a.O., S. 282–87; weiter forderte Marx J. Weydemeyer und A. C1uβ auf, Heinzen in Amerika publizistisch anzugreifen. Heinzen schrieb u.a. Die Helden des teutschen Kommunismus. Dem Herrn Karl Marx gewidmet, Bern 1848, und verfolgte Marx in semen deutschamerikanischen Blättern Janus und Pionier sowie in der deutschen liberalen Presse.

88 Organ radikaler Hamburger Demokraten, seit Januar 1860 erschienen und seit Ende 1860 von K. v. Bruhn redigiert. Blind, der v. Bruhn seit dem Hecker-Putsch kannte, war so lange der wichtigste Mitarbeiter, bis der Nordstern im Zuge der Kongreβbewegung sich an Lassalle anschloβ. Auch scheint Blind. ähnlich wie beim Hermann. an der Finanzierung vermittels des Revolutionsfonds beteiligt gewesen zu sein. Als Blind im Juni 1863 sein „Freundeswort” (s. Anm. 103) an die Redaktion nach Hamburg schickte, fand es keine Aufnahme mehr. Ab August 1863 unterstützte Lassalle den Nordstern finanziell (v. Bruhn an Lassalle, 22.6., NBS, Bd 5, S. 192f., 265–68; Marx an Engels, 15.8., MEW, Bd 30. S. 369). Heinzens Pionier-Artikel waren häufig im Nordstern nachgedruckt worden. Auch Iegte v. Bruhn Wert darauf, daβ Heinzen mittels Broschuren über Lassalles Agitation informiert wurde. Anders als Blind, dessen „Hochachtung” für die Fortschrittler er kritisierte, war Heinzen mit Lassalle „fast ganz” – d.h. nicht mit dessen Klassenkampf- und Arbeiterbewegungs-Vorstellungen – einverstanden. v. Bruhn an Lassalle, 10.5.1864, NBS, Bd 5, S. 310f.; zu v. Bruhn und Heinzen s. T. Offermann, Arbeiterbewegung und liberales Bürgertum in Deutschland 1850–1863. Bonn 1979, bes. 5. 297, 460.

89 Marx hatte auf diesen Artikel, der in North British Daily Mail (Glasgow) erschienen war, bereits in seinem Brief an Engels hingewiesen (an Engels, 9.4.1863, MEW, Bd 30,S. 34 1–42). Blind war im März 1863 während seiner Polen-Agitation auch nach Glasgow gefahren und wertete sich (der Artikel war gezeichnet „Communicated”) in der liberalen Zeitung des ihm befreundeten Verlegers John McAdam folgendermaβen: „German by birth and German by exile, M. Karl Blind's efforts have not come so prominently and so persistently before Europe, as to have gained for him universal admiration from the liberating party, or universal execration from the oppressing party. He has hitherto stood in that middle way, where he has the honour of being both beloved and hated; but in these two contending ranks which have rendered to him their tribute after its kind the whole of Europe is not ranged, M. Karl Blind having the satisfaction of knowing that in Europe there is a third section of his friends who are simply indifferent. He therefore comes before the Scottish public with perhaps less prejudice against him than has been the case with most of the distinguished exiles who have preceded him.” „M. Karl Blind”, in: North British Daily Mail, 30.3., S. 4; im Original keine Hervorhebungen, vgl. aber den obenerwähnten Brief von Marx, in dessen Abschrift auch ,,that in Europe” fehlt. Der hieraus hervorgegangene Artikel „Karl Blind in Schottland”. in: Hermann und Nordstern, beide vom 25.4, veranlaβten Dronke und Eichhoff zu ihrer Initiative gegen Blind (s. Anm.73).

90 The Òbserver, 10.. 17. und 24.4.1864, jeweils S. 3, hatte über Blinds Rolle in der Garibaldi-Deputation berichtet. Dabei wird Blind in London als ,,speaker and representative of Germans here” bezeichnet. Bei Erwähnung der von E. Bronner veranlaβten Bradford-Deputation heiβt es: „The long-established personal friendship between the General and Karl Blind, and the consonancy of their political sympathies, naturally causes the latter to be chosen to express to the former the admiration and good wishes of the German Liberals residing in this country.”

91 „Herr Carl Blind and M. Amédée Pichot have joined the National Shakespeare Committee.” (The Athenaeum. Journal of English and Foreign Literature, Science, and the Fine Arts (London), 2.4.1864, S. 511) Bei den Vorbereitungen zum „Shakespeare Festival” anläβlich von Shakespeares 300. Geburtstag – gefeiert vom 23.4. bis 3.5.1863 – war es zu Streitigkeiten im Kornitee gekommen, die Personalergänzungen notwendig machten. Freiligrath war bereits vorher zum Komitee-Mitglied ernanni worden (ebd., 20.2., S. 268) und hatte wohl für Blinds Aufnahme gewirkt. Garibaldis London-Besuch begann am 11.4., Blinds Auftritt dabei fand also nach – und nicht, wie Marx vermutet. vor – der Berufung ins Shakespeare-Committee statt (Marx an Engels, 19.4., a.a.O., S. 390).

92 G. Struve, Geschichte der drei Volkserhebungen in Baden. Bern 1849, S. 193. Blinds Handexemplar befindet sich im IISG, Sign. D 1120/173, und weist Streichungen oder Bemerkungen an den Stellen auf, die Blind betreffen: so bei folgender Bemerkung Struves: „Nichts destoweniger blieb der Widerwille Brentano's gegen Blind bestehen. Unter diesen Umständen nahm Carl Blind nicht ungern die Stelle eines Gesandtschaftssekretärs in Paris an”. Blind korrigierte Struve, indem er das „nicht” vor „ungern” strich.

93 Die pfälzisch-badische Mission von F. Schütz (zur Person s. die Einführung in die Deutsche-Brüsseler-Zeitung, S. 26 und Anm. 50, 148) und Blind, die die Unterstützung der französischen Republik für die beiden deutschen provisorischen Regierungen erzielen solite, ist von Blind beijeder Gelegenheit in immer neuen Variationen dargestellt worden. Eine knappe übersicht der Ereignisse gibt Schoeps, „lm Kampf urn die deutsche Republik”. S. 274–76. Blind war kurz nach Schutz, zusammen mit Ruge (K. Blind, „Zur Erinnerung an Arnold Ruge”, in: Die Gegenwart, Bd 19(188 I), S. 97–100: ders., „Ruges Geistesleben und politische Tätigkeit”, ebd., Bd 30 (1886), S. 149–52. 167–69), am 29.5.1849 in Paris angekommen (ders., .,Bekenntnisse eines Achtundvierzigers”. ebd., Bd 22 0(1882), S. 13 1–34, 146–49). Durch einen „wirklichen oder verrneintlichen Choleraanfall” behindert, muβte er Schütz, der von seiner Regierung durch mangelhafte Inforrnationen und inkonsequente Handlungen in eine ..falsche Position” gebracht wurde. weitgehend die Initiative uberlassen. Ruges Bedeutung war „gleich Null”. Marx. der als Bevollmächtigter des Zentralausschusses der Dernokraten Deutschlands urn den 2.6. in Paris ankam und dort mit der „ganzen revolutionaren Partei” zusamrnentraf, unterstützte trotz seiner Skepsis gegenüber der Politik der rheinpfälzischen und badischen Regierungen die Schütz-Blind-Mission nach Kräften (an Engels, 7.6., MEGA, a.a.O.. S. 25f.). Aus späterer Sicht schrieben Marx und Engels, Blind habe das „Glück” gehabt, „von einer reichlich grotesken Mission. mit der er von einer toten Regierung [Brentano] an eine ungeborene Regierung [Ledru-Rollin] beauftragt worden war, durch die beste hende französische Regierung [Louis Bonaparte] befreit zu werden, die ihn am 13. Juni bei der .friedlichen Demonstration der erregten Pariser Nationalgarde verhaftete und schlieβlich des Landes verwies” („über Karl Blind”, a.a.O., S. 266). Für Einzeldaten der Schütz-Blind-Mission vgl. den Berichtdes Augenzeugen S. Seiler, Das Cornplott vom 13. Juni 1849. oder der letzte Sieg der Bourgeoisie in Frankreich. Hamburg 1850. S. 33ff., 51.

94 „ln June he was sent to Paris in the capacity of diplomatic envoy from the new Governments of Baden and Palatinate”, hatte Blind geschrieben. „M. Karl Blind”, a.a.O.

95 Blind, der zusammen mit Marx irn Londoner Flüchtlingskomitee tätig war („Aufruf zur Unterstützung deutscher Flüchtlinge”, 20.9.1849. MEW, Bd 7, S. 54Sf.: Blind an ,,liebe Freundin” [Emma Herwegh?], 18.9., Stadtarchiv Mannheim, Kl. Erw. 68, Nr 5; danach wollte er dern Kornitee nur beitreten, urn nicht als „Handschuhdemokrat” bei den .,Straubingern” zu erscheinen), hatte Marx gegenüber semen Aufenthalt in Brüssel damit entschuldigt. daβ die ,.Vermögensangelegenheiten” seiner Frau zu regein seien (13.- 14.10.. in MEGA, a.a.O., S. 400): später bat er Marx sogar, gegen ..übelredende” em ,.politisches Mysteriurn” wegen seiner Abwesenheit aus London zu erfinden (1.-S. II.. ebd., S. 409). Ob Blind als Mitglied des Bundes der Kornrnunisten in Brüssel aktiv war, ist fraglich (Marx an Blind, 17.7.1850: C. Schramm an Marx, 9.9., ebd., S. 87, 632). 1852 lieB sich Blind. ..aus Belgien nothgedrungener Weise weggegangen”, mit der Familie in London nieder (Blind an Marx, 16.11.1852. Marx-Engels-Nachlaβ D 347, s. ferner Anm. 99).

96 Es handelt sich u.a. urn Ferdinand Cohen-Blind, der nach seinern am 7.5.1866 auf Bismarck verübten Attentat im Gefängnis den Freitod wählte und für den Marx eine ,,besondere Sympathie” hatte, da er em „alter Freund” seines verstorbenen Sohnes Edgar gewesen war (Engels an Marx, 9.5.1866: Marx an Engels, 10.5., MEW. Bd 31, S. 214f.), und urn Mathilde Cohen-Blind, in den achtziger Jahren eine bekannte übersetzerin, Schriftstellerin und Dichterin in England (The Poetical Works of Mathilde Blind, a.a.O.: ihr Nachlaβ befand sich im Newnham College, Cambridge. wurde aber laut Auskunft vom 5.4.1982 verkauft). Für Blinds Reaktion auf das Attentat vgl. Der Deutsche Eidgenosse, 15.6.1866 und Mai 1867, sowie Rasch, „Deutsche Flüchtlinge in London”. über die Kinder aus zweiter Ehe ist wenig bekannt. Die Tochter Ottilie. verheiratete Hancock, vermachte den Nachlaβ ihres Vaters dern British Museum.

97 Das badische Gericht hatte 1853 ,.das ganze Vermögen der Kinder erster Ehe […] sequestiert”. Durch die Vermittlung von Marx wollte Blind den Rechtsbeistand von Ernest Jones erlangen (Marx an Blind, 26.9. 1853, an Engels, 28.9., an Weydemeyer, Anfang Oktober, an Blind. 13.10., MEW. Bd 28, S. 593, 294, 594, 595, sowie Blind an Marx, 25.9., Marx-Engels-Nachlaβ D 346).

98 „Last year he returned for a short time to Baden. on the occasion of an unconditional amnesty being granted. and was enthusiastically received by all classes – the Second Chamber of Stuttgart entertaining him a grand banquet.” „M. Karl Blind”.

99 „He afterwards lived in Belgium, but being threatened with expulsion when the authorities became aware of his presence. he found it necessary to return to Britain”. Ebd. Wenn hier auch nicht ausdrücklich von politischen Gründen die Rede ist, so wird dieser Eindruck doch durch den Textzusammenhang erzeugt.

100 Der Index (Glasgow) hatte Garibaldis „pro-Southern views” verbreitet. worauf der General antwortete: Non seulement j'en espére l'abolition de l'esclavage – mais je considère la question comme humanitaire – et malheur pour le Monde si le Nord ne sortait pas – victorieux de la lutte.” (an Blind. 30. 10.1864. Blind Papers. Vol. 2, f. 313) Blind, der Mitglied der 1862 gegruuml;ndeten Emancipation Society in London war (s. Prospekt in der British Library). veröffentlichte die Richtigstellung in englischer übersetzung (The Morning Advertiser. 9.11., S. 4: s. ferner Marx an Engels. 1.2.1865, MEW, Bd 31, S. 50).

101 Die Garibaldi-Zuschrift in The Morning Advertiser schloβ: „l thank you for your good news. With cordial greatings to Mrs. Blind and to our friends.” Die gute Nachricht über den Fortschritt des Republikanismus bezog sich wahrscheinlich auf Blinds Zeitschriftenprojekt. Der deutsche Eidgenosse solite als Zeitschrift des Vereins „Deutsche Freiheit und Einheit” an die Stelle der bislang publizierten Flugschriften treten und von N. Trübner in London und O. Meiβner in Hamburg herausgegeben werden. Die Vermittlung beim Hamburger Verlag Ubernahm K. Sieboldt: zur gleichen Zeit verhandelte W. Strohn in Marx' Auftrag mit O. Meiβner uber die Herausgabe des Kapitals (Marx an Engels. 1.2.1865; W. Strohn an Marx. 30.1., MEW, Bd 31. S. 49 und 620. Anm. 69). Garibaldi entwarf für den Eidgenossen – von Marx als „Lakai” betitelt (an Engels. 10.3.. s. Anm. 83)– eine Zuschrift (Original in den Blind Papers, Vol.4, ff. 149–51, in deutscher übersetzung abgedruckt in der genannten Zeitschrift, 15.7., S. 58).

102 Das 1794 gegründete Verlagsunternehmen war ein „joint-stock venture of a large society of licensed victuallers. amongst whom subscription to the paper was the condition of membership”. Sechzig Jahre lang hatte die Tageszeitung eine Auflage von 5000 Exemplaren, die fast ausschlieβlich in „public-houses and coffee-houses” auslagen. The Encyclopaedia Britannica, 11. Aufl., New York 1911. Bd 19, S. 559a.

103 K. Blind, „Ein Freundeswort an Deutschlands Arbeiter, Bürger und Bauern”, in: Herman 6.6.1863, dann Neue Frankfurter Zeitung, 8.6., Der Beobachter, 9.6., Frankfurter Reform, 10.6., s. auch FL-ADAV, S. 190, C 153; daneben erschien das Freundeswort als Flugblatt von Blinds Verein. Unter Hinweis auf Lassalles Schriften Was nun? und Offenes Antwortschreiben sieht Blind durch die Arbeiteragitation und durch die Kampagne für die Oktroyierung des aligerneinen Stimrnrechts „die ersten Grundsätze der deutschen Demokratie” urngestoβen. Für Reaktionen daraufvgl. Anm. 73.

104 Der hier von Marx genannte Grund erweitert die Erkenntnisse, die bisher in der Literatur zur Geschichte der IAA (s. neuerdings Die Erste Internationale, 1864–1870, hrsg. von 1. A. Bach u.a.. Bd 1. Moskau 1981) für die Gründungsphase und für Marx' Beitritt gemacht worden sind. „Jenen Menschen zu enthullen”. hieβ, Blinds selbstgefällige Betriebsarnkeit bei der Verfolgung republikanischer und internationalistischer Ziele in einer Situation bloβzustellen, in der „wirkliche Mächte” von wiederauflebenden französischen und englischen Arbeiterbewegungen (s. Anm. 76) am Werk waren und die Gefahr bestand, diese „Mächte” durch klassenubergreifende Republikanismus- und Nationalismus-Parolen à la Mazzini, Blind, Ledru-Rollin u.a. zu desorientieren. Marx hatte sich nach langer politischer Zurückgezogenheit entschlossen. die von Engels und von ihm seit 1848 entwickelte „Ansicht” als Repräsentant der deutschen Arbeiter in einer internationalen Arbeiterassoziation zur Wirkung zu bringen. Daher konnte er sich auch in der Nachfolgefrage für Lassalle, wo es sich urn die Präsidentschaft in einem Nationalen Arbeiterverein handelte, distanziert verhalten (S. Anrn. 15), während er sich bei der Diskussion über die zu entwerfenden prograrnrnatischen Dokurnente der IAA energisch einschaltete und besonders mazzinistische Auffassungen in der Arbeiter- und Nationalitätenfrage bekämpfte (an Engels, 4.11.1864, a.a.O., S. 10–16). Später gründete Mazzini em „lnternational Republican Committee”, an dem u.a. Blind, Kinkel und Ledru-Rollin teilnahmen (Marx an Engels, 13.5.1866, MEW, Bd 31,S.2l9).

105 Diese Gelegenheit ergab sich für Marx „glücklicherweise” (an S. v. Hatzfeldt. 26.11.1864. MEW. Bd 31, S. 426) schon wenige Tage später. Von nicht bekannter Seite waren ihm zwei Artikel des Beobachters zugesandt worden. Beim ersten. „Bescheidenheit – em Ehrenkleid” (21.10.: em Exemplar mit anstreichungen – von Marx? – im MarxEngels-Nachlaβ. Mappe „Knipsels Marx-Engels- en Jung-archief”) hatte der Redakteur A. Mayer em Blind-Rundschreiben des Vereins ..Deutsche Freiheit und Einheit” vom 12.9. betr. die amerikanische Präsidentenwahl kritisiert. Mayer warf Blind “Selbstverblendung” und „Eitelkeit” – was schon zur Vogt-Affäre und zu Marx' Pamphlet geführt habe – sowie „Diktatur in Spe” vor. Blind lieβ darauf von Bronner (s. Anm. 74) eine Antwort schreiben. in der die Vogt.Affäre als „abgethaner Streit” und Blinds seit ..bald zwölfJahren” währende Tätigkeit „für 6–7 Millionen Deutsche” in Amerika hervorgehoben wurde (“Karl Blind”, ebd., 17.11.: der erste Teil des Artikels besteht aus einer redaktionellen Einleitung. in der die Vorwürfe gegen Blind halbwegs zurückgenommen wurden, der zweite Teil aus der Korrespondenz „Bradford. 25. Oct.”). Zur gleichen Zeit hatte Weydemeyer von St Louis aus auf Blinds ,.Harlekinaden” in der amerikanischen öffentlichkeit, die ausschlielβlich mit dem Bürgerkrieg beschäftigt war. hingewiesen (s. Anm. 37). Marx setzte den dreifachen Anstoβ – durch die Gräfin. die beiden Beobachter-Artikel und durch Weydemeyer – in einen konkreten Plan urn (an Engels, 25.11., an S. v. Hatzfeldt, 26.11., an Weydemeyer. 29.11.. a.a.O.. S. 31 f.. 426, 428f.) und verfaβte die Blind-Erkiärung „an den Redakteurdes Beobachters, London. 28. Nov. 1864”. Siewurde an verschiedene deutsche Zeitungen versandt. erschien aber zu Marx' Verdruβ nur in K. v. Bruhns Zeitung, dazu noch mit der Notiz: „Dieser Aufsatz ist uns durch eine zweite Hand [S. v. Hatzfeldt] zugegangen und nur wegen besonderer Berucksichtigüng derselben findetjener eine Aufnahme im Nordstern” (10.12.. S.2–3, MEW, Bd 16. S. 22–24: ferner die Beschwerde von Marx im Brief an S. v. Hatzfeldt. 22.12.. MEW. Bd 31, 5. 434: die Gräfin hatte auβerdem den Mazzini-Passus. in dem Marx Blind einen „grotesken Mazzini-Scapin” nennt, in „grotesken Clown” umgewandelt. s. Liebknecht an Marx. 2.12.. Marx-Engels-Nachlaβ D 3096). Damit war für Marx diese Blind-Episode beendet: er hatte aus „alter Freundschaft” zu Lassalle für die Gräfin die „gewünschte Erkhrung” gegen Blinds ,.feige Frechheit” abgegeben, ohne sich mit den miβfälligen Seiten der Lassalleschen Agitation zu identifizieren” (an Weydemeyer. a.a.O.. an Kugelmann, 23.2.1865, MEW, Bd 31, 5. 451). Blind replizierte noch einrnal spöttisch. nachdem Marx und Engels sich vom Social-Demokraten losgesagt hatten (Fragment. Blind Papers, Vol.4. ff. 108–09: Neue Frankfurter Zeitung. 5.3.1865. S. I).

106 Gesammelte Reden und Schriften, Bd 4, S. 153–55, 159–60.

107 FL-ADAV, S. 182, C 99, allerdings J. Ph. Becker zugeschrieben; Original ADAV/H 192, mit einem Entwurf von der Hand der Gräfin; wegen der Verfasserschaft vgl. F. Reusches gezeichneten Artikel „Der Kampfder Mittelmäβigkeiten gegen das Genie” im Nordstern, 26.11., S. 2–3. Zur umstrittenen Person Reusche, den J. Ph. Becker einmal „Generalfeldzeugmeister aller Lüge” (W. Rüstow an Becker, 26. 1.1865; Becker an S. v. Hatzfeldt, 8.9. 1864, ADAV/ H 6/1) genannt hatte, s. Offermann. Arbeiterbewegung und liberales BUrgertum. a.a.O., S. 459f.. Anm. 62. Die diversen Materialien im Becker-Nachlaβ und in der Sammiung ADAV/H geben Auskunft über Reusches Umtriebigkeit, vgl. ferner FL-ADAV, S. 265, C 741–42. Ende 1864, als Reusche gegen Blind vorging (vgl. Anm. 36), setzte er sich auch mit Marx in Verbindung (Reusche an Becker, ca Dezember, Becker-Nachiaβ D II 769; Jenny Marx an Engels, 30.3.1865, ferner Engels an Marx, 16.4., MEW, Bd 31, S. 584. 108).

108 FL-ADAV, S. 183, C 99a. Kurz vorher war es in das ADAV-Zirkular, 9.9., und bildete den ersten Erklärungsversuch für die ahnungslosen Vereinsmitglieder (ADAV/H 162).

109 H. Ebeling, Der Kampf der Frankfurter Zeitung gegen Ferdinand Lassalle und die Gründung einer seibständigen Arbeiterpartei, Leipzig 1931.

110 S Anm. 14: Emma Herwegh an [Ludwig Schweigert], 14.9., in Ferdinand Lassalle's Briefe an Georg Herwegh, a.a.O., S. 104. Für Blinds Beziehung zur Neuen Frankfurter Zeitung s. Anm. 103.