Einleitung

Die akute Pankreatitis ist eine primär sterile Entzündungsreaktion des Pankreas, die durch eine verfrühte Aktivierung pankreatischer Verdauungsenzyme noch im Pankreas selbst ausgelöst wird. Sie ist eine der häufigsten nichtmalignen Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts, die mit einem Krankenhausaufenthalt einhergeht. Die Inzidenz der akuten Pankreatitis variiert stark und liegt für die europäischen Länder zwischen 5 und 100 je 100.000 Einwohner [1]. Die Tatsache, dass die Inzidenz der Erkrankung in den westlichen Ländern stetig ansteigt und meist zu einer Hospitalisierung der betroffenen Patienten führt, bedingt die verhältnismäßig hohen Kosten für die Gesundheitssysteme [2]. Die Ätiologie zeigt deutlich, dass 2 Haupursachen für die akute Pankreatitis existieren, einerseits stellt der Verschluss des Pankreasgangs durch Gallensteine [3] eine häufige Ursache dar, andererseits ist vermehrter Alkoholmissbrauch ebenfalls ein vielfacher Auslöser einer akuten Pankreatitis [4]. Die Zahl der idiopathischen akuten Pankreatitiden fällt dagegen deutlich geringer aus. Genetische Ursachen, wie sie für die hereditäre chronische Form der Pankreatitis beschrieben sind, sind für die akute Form der Pankreatitis nur von geringer Bedeutung [5]. In etwa 80 % der Fälle weist die Erkrankung einen sich selbst limitierenden milden Verlauf auf, jedoch 20 % der Patienten entwickeln einen schweren Krankheitsverlauf mit systemischen Komplikationen [6] wie z. B. Organversagen oder infizierte Pankreasnekrosen. Sowohl die Morbidität als auch die Mortalität sind deutlich erhöht im Zuge dieser schweren akuten Pankreatitis [6]. Zurzeit werden 2 klinische Klassifikationen zur Einteilung der Patienten in leichte und schwere Verläufe genutzt, die revidierte Atlanta-Klassifikation [7] und die „determinant-based classification“ [8]. Beide Klassifikationen überlappen weitgehend, wobei die letztere neben den Kategorien leicht, mittelschwer und schwer noch eine 4. Kategorie (kritisch) einfügt, bei der zwischen sterilen und infizierten Nekrosen unterschieden wird. Beide Einteilungen tragen aber der Tatsache Rechnung, dass nicht nur die lokalen Veränderungen im Pankreas für den Verlauf entscheidend sind, sondern vor allen die systemische Immunantwort für den Schweregrad und die extrapankreatischen Organkomplikationen. Der Großteil der Patienten erholt sich von der Krankheit, jedoch entwickelt eine nicht unbedeutende Anzahl von Patienten eine chronische Form der Pankreatitis [9]. Klinische als auch experimentelle Studien machen es sich zum Ziel, die Pathomechanismen der akuten Pankreatitis aufzuklären, um so eine dringend benötigte kausale Therapie zu entwickeln [10].

Die zellulären Mechanismen der akuten Pankreatitis

Die vorzeitige Aktivierung von Verdauungsproteasen

Das exokrine Pankreas sekretiert eine Vielzahl verschiedener Verdauungsenzyme, wie z. B. Lipasen, Glykosidasen oder Proteasen, die für den Nahrungsaufschluss im Darm verantwortlich sind. Diese enorme Menge an Enzymen stellen jedoch, wenn sie vorzeitig aktiv werden, auch eine große Gefahr für das Pankreas dar. Dies erkannte auch der österreichische Pathologe Hans Chiari und definierte bereits 1896 die Pankreatitis als den Verdau des Pankreas durch seine eigenen Enzyme [11]. Um einem Selbstverdau vorzubeugen, werden die meisten Enzyme, vor allem Proteasen, als inaktive Vorstufen sekretiert, die erst im Duodenum aktiviert werden. Zu Beginn der Pankreatitis werden diese Proteasen jedoch verfrüht noch im Pankreas bzw. noch in der Azinuszelle selbst aktiviert. Dies resultiert letztendlich im Selbstverdau der Azinuszellen und deren Zelltod. Eine Schlüsselrolle in diesem Prozess wird der pankreatischen Protease Trypsin zugeschrieben. Trypsin gehört zur Klasse der Serinproteasen und wird in Form des inaktiven Trypsinogens sekretiert. Erst im Duodenum wird Trypsinogen durch das Bürstensaumenzym Enterokinase zu aktivem Trypsin prozessiert. Azinuszellen exprimieren jedoch keine Enterokinase, um sich so vor einer verfrühten Aktivierung der Verdauungsenzyme zu schützen. Dieser Schutzmechanismus wird im Fall der akuten Pankreatitis jedoch umgangen. Die lysosomale Protease Cathepsin B ist ebenfalls in der Lage, Trypsinogen zu aktiven, Trypsin zu prozessieren und fungiert in den pankreatischen Azinuszellen als aktivierendes Enzym [12]. Die Cathepsin-B-vermittelte Aktivierung von Trypsinogen zu Trypsin wird als das initiales Ereignis der Pankreatitis angesehen [12,13,14,15]. Aktives Trypsin ist wiederum in der Lage, weitere Vorstufen pankreatischer Proteasen, wie z. B. die Proelastase oder auch Chymotrypsinogen, zu aktivieren, und induziert somit in der Azinuszelle die gesamte restliche Kaskade an Verdauungsenzymen [13], was letztendlich in dem von Hans Chiari beschriebenen Selbstverdau des Pankreas resultiert (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Die Aktivierung der Proteasekaskade noch in den Azinuszellen wird durch die lysosomale Hydrolase Cathepsin B vermittelt. Cathepsin B ist in der Lage, Trypsinogen zu Trypsin und dem Trypsinaktivierungspeptid (TAP) zu spalten. Diese initiale Aktivierung führt zur Aktivierung aller weiteren Enzyme. Cathepsin L und Chymotrypsin C sind in der Lage, aktives Trypsin zu degradieren, und stellen somit einen protektiven Mechanismus dar, während Spink1 ein Inhibitor für Trypsin ist und ebenfalls einen Schutzmechanismus darstellt. Einige der häufigsten Mutationen, die mit einem gesteigerten Risiko an einer chronischen Pankreatitis zu erkranken einhergehen, sind kursiv dargestellt

Schutzmechanismen gegen vorzeitige Proteaseaktivierung

Es existieren jedoch verschiedene Schutzmechanismen in den Azinuszellen, die überwunden werden müssen, damit es zu einer verfrühten Aktivierung von Trypsinogen kommt. Damit es nicht zu einer unkontrollierten Cathepsin-B-vermittelten Aktivierung von Trypsinogen kommt, werden die beiden Proteasen in unterschiedliche subzelluläre Kompartimente sortiert [16], zusätzlich werden auch Proteaseinhibitoren, wie z. B. der Trypsininhibitor Spink1 [17], exprimiert, die aktivierte Proteasen inhibieren, um so eine weitere Aktivierung der Proteasekaskade zu unterbinden [14]. Neben der Inhibition von aktivem Trypsin gibt es auch Proteasen, die Trypsin degradieren und dessen Aktivität auf diesem Weg reduzieren. Hierbei spielt die lysosomale Protease Cathepsin L eine wichtige Rolle [18], aber auch das Chymotrypsin C [19], das in der Lage ist, Trypsin zu inaktivieren [20, 21]. Trypsinogen wird in das sekretorische Kompartiment der Azinuszellen sortiert, während Cathepsin B hauptsächlich in Lysosomen lokalisiert ist. Damit beide Enzyme interagieren können, müssen sie im selben subzellulären Kompartiment vorliegen. Es gibt verschiedene Theorien, die erklären, wie es zu dieser Kolokalisation in den Azinuszellen kommt. 1) Man geht von einer Fusion beider Kompartimente aus und es kommt zu einer Fusion von Lysosomen und Zymogengranula [22]. 2) Die zweite Hypothese geht von einer Fehlsortierung der lysosomalen Enzyme in das sekretorische Kompartiment aus [23]. 3) Die dritte Hypothese besagt, dass Cathepsin B bereits im sekretorischen Kompartiment vorhanden ist und dort nur aktiviert bzw. aktiver wird [13]. Für jede dieser Theorien gibt es Argumente, jedoch ist bis heute nicht abschließend geklärt, in welchem subzellulären Kompartiment die Kolokalisation stattfindet und sich die initiale Proteaseaktivierung ereignet [24]. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass ein überschießendes intrazelluläres Ca2+-Signal der Kolokalisation vorausgeht und auch notwendig ist, um eine intrazelluläre Proteaseaktivierung zu induzieren [25].

Pathologische Kalziumfreisetzung

Unter physiologischen Bedingungen wird die Sekretion der Verdauungsenzyme über ein oszillierendes Kalziumsignal gesteuert. Vermittelt durch Cholecystokinin (CCK; [26]) oder Acetylcholin (Ach) kommt es zu einer fluktuierenden Freisetzung von Ca2+ aus den intrazellulären Speichern, was letztendlich zur Sekretion der Zymogene am apikalen Pol der Azinuszelle führt [27, 28]. Ist dieses intrazelluläre Kalziumsignal jedoch langanhaltend und überfordert es die intrazellulären Ca2+Speicher (das endoplasmatischen Retikulum), sodass als Konsequenz auch die Ca2+-Kanäle der Zellmembran geöffnet werden und Ca2+ aus dem extrazellulären Raum in die Zelle strömt, kommt es nicht zu einer geregelten Sekretion der Zymogene, sondern zu einer Sekretionsblockade [25, 28]. Im Zuge der Sekretionsblockade kommt es zur Kolokalisation von Trypsinogen und Cathepsin B und der damit verbundenen intrazellulären Aktivierung der Proteasekaskade [25]. Verschiedene Ca2+-Kanäle und -Transporter spielen hierbei eine Rolle. Der Ca2+-Sensor STIM1 (Stromal interaction molecule 1) erkennt einen Abfall der Ca2+-Konzentration im ER und aktiviert daraufhin den Ca2+-Kanal ORAI (Calcium release-activated calcium channel protein 1) in der Zellmembran, der große Mengen an Ca2+ aus dem Extrazellularraum in das Zytoplasma leitet [29, 30] und so ein langanhaltendes zytosolisches Ca2+-Signal induziert. Andere Signalwege können ebenfalls zu einem pathophysiologischen Kalziumsignal führen. So konnte in einer neueren Arbeit gezeigt werden, dass der Druckrezeptor Piezo1 direkt den Ca2+-Kanal TRPV4 (Transient receptor potential cation channel subfamily V member 4) öffnen kann [31]. Piezo1 registriert einen erhöhten Druck im Pankreasgang, wie er z. B. bei der gallensteininduzierten Pankreatitis vorherrscht, und induziert daraufhin über TRPV4 ein pathophysiologisches Kalziumsignal [31]. Durch diese Arbeit konnte bewiesen werden, dass mechanischer Stress oder Druckerhöhung direkt intrazelluläre Signalwege beeinflussen und zu einer intrazellulären Proteaseaktivierung führen können.

Zusammenbruch des mitochondrialen Membranpotenzials

Neben der Proteaseaktivierung führt eine Überladung der Zellen mit Ca2+ auch zu einer Schädigung der Mitochondrien [32], zur Induktion von ER-Stress [33, 34] sowie einer Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB (nuclear factor kappa-light-chain-enhancer of activated B cells) [35, 36], der die Expression verschiedener proinflammatorischer Zytokine, wie IL‑6 oder auch TNF‑α, steuert und damit die Immunantwort induziert. Mitochondrien sind in der Lage, einen Teil des zytosolischen Ca2+ aufzunehmen und so das Signal abzupuffern. Kommt es jedoch zu einer Überladung der Mitochondrien mit Ca2+, bricht das mitochondriale Membranpotenzial zusammen [32, 37] und in Folge dessen kollabiert die Energieversorgung der Zelle, da kein ATP mehr produziert werden kann [32, 37]. Alle zellulären Prozesse, die ATP als treibende Kraft benötigen, sind jetzt eingeschränkt, dazu zählen auch protektive Mechanismen, wie z. B. die Autophagie, die für eine geregelte Degradation der aktivierten Proteasen sorgt [38], oder auch die Wiederherstellung des normalen zytosolischen Ca2+-Spiegels über die Ca2+-ATPase. Alle diese pathophysiologisch relevanten Mechanismen (mitochondrialer Schaden, gestörte autophagosomale Degradation und NFκB-Aktivierung) laufen parallel zueinander ab und resultieren in einer weiter gesteigerten intrazellulären Aktivierung von Proteasen sowie einer Energiedepletion, die in Summe zum nekrotischen Zelltod der Azinuszellen führen und zur Aktivierung des Immunsystems.

Zelluläre Mechanismen bei erbgenetischen Veränderungen

Die enorme Bedeutung der Proteaseaktivierung als initiales Ereignis für die Entstehung der Pankreatitis wird auch deutlich, wenn man die genetischen Ursachen der hereditären Pankreatitis betrachtet. Die bedeutendsten Mutationen, die mit einem erhöhten Risiko, an einer chronischen Pankreatitis zu erkranken, einhergehen, liegen in Genen, die direkt oder indirekt mit der Proteasekaskade im Zusammenhang stehen. So finden sich vermehrt Mutationen im kationischen Trypsinogen (PRSS1; [39]) sowie in Spink1 („serine peptidase inhibitor, Kazal type 1“; [40]), einem Inhibitor für Trypsin. Weiterhin konnten aber auch Mutationen im Chymotrypsin C [19], der Carboxypeptidase A1 (CPA1; [41]) und der pankreatischen Elastase [42] gefunden werden. Jedoch konnte bis heute nicht der vollständige pathophysiologische Mechanismus hinter den einzelnen Mutationen aufgedeckt werden. Neben einer erhöhten Proteaseaktivität, insbesondere des kationischen Trypsinogens, wird auch vermutet, dass Proteinfehlfaltungen in den stark exprimierten Verdauungsenzymen zu ER-Stress führen und auf diese Weise die Azinuszellen schädigen [33, 43]. Azinuszellen weisen eine der höchsten Proteinsyntheseraten im menschlichen Körper auf. Fast die Hälfte dieser Syntheseleistung entfällt auf nur 20 Proteine, die allesamt in das sekretorische Kompartiment sortiert werden und die zu sekretierenden Verdauungsenzyme umfassen. Aus diesem Grund stellen Fehlfaltungsmutationen in diesen Proteinen einen enormen Stressfaktor im ER dar, weil die Rückfaltungs- bzw. Degradationsmechanismen mit der enormen Menge an fehlgefalteten Proteinen überfordert sind [14, 43]. So sind z. B. Mutationen im Gen der Carboxylesterlipase (CEL) oder auch im Gen CPA1 mit erhöhtem ER-Stress und einem erhöhten Risiko, an chronischer Pankreatitis zu erkranken, assoziiert [44,45,46]. Neben der Aktivierung pankreatischer Proteasen stellt ER-Stress wahrscheinlich einen bedeutenden zellulären Pathomechanismus dar, der in einer Azinuszellschädigung resultiert und somit zu einer Pankreatitis führt. Auch epigenetisch wirksame Risikofaktoren, wie z. B. Rauchen oder Alkoholkonsum, führen zu erhöhtem ER-Stress in den Azinuszellen [47,48,49] und können somit ursächlich sein für die Pankreatitis. Andererseits verringert eine gesunde und ausgewogene Ernährung das Risiko, an einer Pankreatitis zu erkranken.

Die Immunantwort und die Manifestation der Erkrankung

Immunzellen und Zytokine

Der weitere Verlauf der Pankreatitis bzw. der Schweregrad der Erkrankung wird nicht zwangsläufig durch die initialen Ereignisse in den Azinuszellen bestimmt, sondern ist vielmehr Folge der daraus resultierenden überschießenden systemischen Immunantwort. Diese kann zu schwerwiegenden Komplikationen wie Organversagen oder der Infektion der Pankreasnekrose führen [6, 50]. Wie bereits erwähnt wird durch die pathophysiologische Kalziumüberladung der Azinuszellen auch der Transkriptionsfaktor NFκB aktiviert, der eine entscheidende Rolle für die Regulation der Immunantwort spielt. Die Aktivierung von NFκB ereignet sich dabei sehr schnell und verläuft parallel zur Proteaseaktivierung innerhalb der ersten Minuten [35]. Der Transkriptionsfaktor NFκB reguliert die Expression verschiedener Zytokine und Chemokine [51, 52], die die Immunantwort sowie die Rekrutierung von Leukozyten in das geschädigte Organ steuern. Die infiltrierenden Leukozyten wiederum potenzieren den lokalen Schaden noch einmal, indem sie die Proteaseaktivierung und damit die Azinuszellnekrose verstärken [53]. Eine zentrale Rolle übernimmt hierbei das Zytokin TNF‑α. Es wird von Makrophagen sezerniert und kann direkt über den TNF-α-Rezeptor auf Azinuszellen wirken und dabei sowohl die intrazelluläre Proteaseaktivierung induzieren als auch die Zellnekrose beeinflussen [51, 53, 54]. Vor allem Zellen des angeborenen Immunsystems migrieren in das Pankreas. Entscheidend hierbei sind neutrophile Granulozyten [53, 55] sowie Monozyten/Makrophagen [56,57,58]. Beide Zelltypen transmigrieren schon kurze Zeit nach Beginn der Pankreatitis in das Organ und tragen dazu bei, den lokalen Schaden in eine systemische Immunantwort umzuwandeln [59, 60]. Neutrophile sezernieren hierbei verschiedene reaktive Sauerstoffspezies (ROS), die den lokalen Schaden deutlich steigern und auch die Proteaseaktivierung in den Azinuszellen induzieren können [55]. Makrophagen/Monozyten migrieren ebenfalls sehr früh in das geschädigte Organ und fangen an, die pankreatischen Nekrosen zu phagozytieren [57]. Sie werden dabei aktiviert und setzen eine Vielzahl proinflammatorischer Zytokine frei. Eines der bedeutendsten ist dabei TNF‑α. Über den TNF-α-Signalweg wird auch der nekroptotische Zelltod reguliert. Dieser ist eine rezeptorvermittelte, regulierte Form der Nekrose, die die vorherrschende Form des Zelltods in der akuten Pankreatitis darstellt [61, 62]. Im Verlauf der Nekroptose kommt es zu einer Porenbildung in der Zellmembran und damit zum Einstrom extrazellulären Ca2+ in die Azinuszelle [63]. Ein zytosolischer Anstieg des Ca2+-Spiegels kann wiederum zur Trypsinogenaktivierung führen. Dieser Mechanismus zeigt einen direkten Zusammenhang zwischen der lokalen Immunantwort und den grundlegenden pathophysiologischen Mechanismen der akuten Pankreatitis auf.

Aktivierung von NFκB

Dies lässt vermuten, dass eine Deletion von NFκB den Verlauf der Pankreatitis positiv beeinflussen sollte. Jedoch zeigen pankreasspezifische RelA-defiziente Mäuse (RelA ist die p65-Untereinheit von NFκB) einen deutlich schwereren Verlauf der Erkrankung [64], während andererseits die Deletion des Inhibitors von NFκB IκBα den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflusst [65]. Neben der Expression von Zytokinen und Chemokinen reguliert NFκB auch die Expression verschiedener Proteine, die eine entscheidende Rolle für die Zellstressantworten spielen. Aus diesem Grund nimmt NFκB eine 2‑fache Rolle in der Pankreatitis ein. Auf der einen Seite induziert es eine Immunantwort, die den lokalen Schaden zu steigern vermag, andererseits wird eine Stressantwort in Azinuszellen aktiviert, die dem Zellschaden entgegen wirkt, z. B. über die Expression des Proteaseinhibitors Spi2A, der in der Lage ist, die Trypsinaktivität zu inhibieren [65]. Die Infiltration von Leukozyten in das Pankreas und deren Aktivierung ist jedoch nicht nur von der NFκB-Aktivierung in Azinuszellen abhängig. Auch NFκB-defiziente Tiere (pankreasspezifische RelA−/−) zeigen ein deutliches immunologisches Infiltrat im Organ [64] sowie eine Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen. Dies zeigt auf, dass nicht nur die NFκB-Aktivierung in Azinuszellen von Bedeutung ist, sondern auch die Aktivierung in Leukozyten, die ebenfalls Zytokine freisetzen. Neben Zytokinen und Chemokinen werden auch „damage associated molecular patterns“ (DAMP) durch die Azinuszellnekrosen freigesetzt. Hierbei handelt es sich um freie DNA, freie Histone oder auch freies ATP, das aus dem Zytosol durch den nekrotischen Zelltod unkontrolliert in den extrazellulären Raum gelangt. Diese DAMP sind in der Lage, über Toll-like-Rezeptoren oder auch den P2X7-Rezeptor Immunzellen zu aktivieren [56, 57, 66] und über diesen Weg den NFκB-Signalweg zu induzieren [14]. Ebenso wie in den Azinuszellen wird jetzt auch die Zytokinantwort der infiltrierenden Leukozyten eingeleitet. Diese verstärkt die Proinflammation deutlich und führt letztendlich dazu, dass weitere Immunzellen zum Entzündungsherd gelotst werden.

Überschießende oder defekte Immunantwort

Diese überschießende systemische Immunantwort kann lebensbedrohlich werden und ist mit schweren Komplikationen assoziiert. Man unterteilt die Immunantwort dabei in 2 grundsätzliche Phasen: in das „systemic inflammatory response syndrome“ (SIRS) und in die der Proinflammation entgegenwirkenden Phase, das „compansatory anti-inflammatory response syndrome“ (CARS; [67, 68]; Abb. 2). Hier finden sich Analogien zu anderen schweren Entzündungsreaktionen wie der polymikrobiellen Sepsis oder schweren Wundverletzungen wie z. B. Verbrennungen [69]. Im Gegensatz zur Sepsis ist die Pankreatitis eine primär sterile Entzündungsreaktion, die nicht durch Pathogene ausgelöst wird. Jedoch ist der grundlegende immunologische Mechanismus ähnlich. Auch im Verlauf der Sepsis wird eine massive proinflammatorische Reaktion von den Zellen des angeborenen Immunsystems ausgelöst [58, 67, 68]. Das SIRS ist somit geprägt von einer proinflammatorischen Immunantwort und Zytokinsekretion ausgehend von den Zellen des angeborenen Immunsystems, die in das geschädigte Pankreas migrieren [52, 53, 57, 58]. Das adaptive Immunsystem reagiert darauf jedoch nicht zwangsläufig mit einer ebenso starken proinflammatorischen Antwort, sondern versucht, dieser massiven Hyperinflammation entgegen zu wirken. Es kommt zu einer suppressiven Immunantwort, die durch die Induktion von regulatorischen T‑Zellen gekennzeichnet ist [58, 70]. Neben den regulatorischen T‑Zellen ist auch eine Induktion der Typ-2-Immunantwort zu beobachten. Diese ist gekennzeichnet durch eine TH2-T-Zell-Differenzierung als auch eine vermehrte M2-Makrophagen-Polarisierung [58]. Die Immunsuppression und auch die Typ-2-Immunantwort verlaufen parallel zum SIRS ausgehend von den in das Pankreas migrierenden Immunzellen. Das bedeutet: Proinflammation als auch Antiinflammation verlaufen nicht nacheinander, sondern nebeneinander. Dies lässt sich auch deutlich anhand der Zytokine im Serum von Patienten beobachten. Neben proinflammatorischen Zytokinen wie IL‑6, TNF‑α oder IL-1β lassen sich auch verstärkt Zytokine wie IL-10 oder IL‑4 erhöht messen [58, 70]. Diese systemische Antiinflammation verkompliziert die klinische Behandlung. Denn ähnlich wie bei der Sepsis ist es nicht erfolgsversprechend, nur einen Arm des Immunsystems zu behandeln. Dies zeigt sich deutlich bei der Hemmung des SIRS durch die Blockade proinflammatorischer Zytokine wie TNF‑α [71, 72] oder IL-1β [73, 74] in klinischen Studien an Sepsispatienten. Der Antiinflammatorische bzw. suppressive Arm des Immunsystems ist ebenfalls gefährlich und kann letztendlich, wenn er durch die Inhibition der Proinflammation verstärkt wird, bis hin zu einer Immunparalyse führen. Eine derart starke Immunsuppression kann zur Translokation kommensaler Bakterien aus dem Darm in die Pankreasnekrose führen und damit die Mortalität der schweren akuten Pankreatitis deutlich erhöhen. Bis heute gibt es noch keinen prädiktiven Biomarker, der den Verlauf der Erkrankung vorhersagt. Ebenso gibt es keine wirkungsvolle Therapie der schweren akuten Pankreatitis, um den schweren Komplikationen im Krankheitsverlauf entgegenzuwirken. Ein Grund dafür könnte sein, dass eben alle jene Prozesse nicht aufeinander folgen, sondern parallel zueinander ablaufen und damit auch parallel zum lokalen pankreatischen Schaden.

Abb. 2
figure 2

Die Immunantwort im Verlauf der akuten Pankreatitis ist komplex und wird von verschiedenen Zellen des Immunsystems beeinflusst. Während lokal im Pankreas eher eine proinflammatorische Antwort von M1-Makrophagen und Neutrophilen dominiert („Neutrophile polymorphonuclear cells“ [PMNs]), wird systemisch eine Gegenregulation induziert, die von regulatorische T‑Zellen (Tregs) und „myeloid derived suppressor cells“ (MDSCs) bestimmt wird. Das Zusammenspiel dieser Hyper- und Hypoinflammation definiert letztendlich den Schweregrad und den weiteren Verlauf der Erkrankung und kann zu schwerwiegenden Komplikationen wie zum multiplen Organversagen oder der bakteriellen Besiedelung der Nekrose führen. Bis heute gibt es keine vielversprechenden Therapiekonzepte, die diese beiden Immunreaktionen gleichzeitig abmildern können

Fazit für die Praxis

Die akute Pankreatitis ist eine ernstzunehmende Erkrankung, deren Verlauf schwer vorauszusagen ist. Ein schwerer Krankheitsverlauf ist mit einer hohen Morbidität und Letalität verbunden. Bis heute gibt es, abgesehen von den Serumpankreasenzymen, weder valide Biomarker für die Diagnosestellung noch für die Vorhersage des Krankheitsverlaufs. Die Krankheit geht von der exokrinen Azinuszelle des Pankreas aus und zu den zellulären Pathogenesemechanismen gehören eine Kalziumüberladung, die vorzeitige Aktivierung von Verdauungsproteasen, ER-Stress und ein Zusammenbrechen der mitochondrialen Energieversorgung. Für den Schweregrad und das Multiorganversagen sind die lokale und die systemische Immunantworten entscheidend. Da diese aber sowohl eine überschießende Immunreaktion als auch ein gleichzeitiges Immundefizit einschließen, sind bis heute alle Versuche gescheitert, den natürlichen Verlauf der Erkrankung durch eine kausale Intervention zu beeinflussen. Therapeutische Ansätze, die die beide immunologischen Fehlregulationen gleichzeitig abmildern könnten, sind kurz vor der klinischen Entwicklung und für die Senkung der Letalität der Pankreatitis vielversprechend.