1 Einführung

In der Bildungsforschung ist unumstritten, dass für den Bildungserfolg von Schüler/innen neben kognitiven auch motivationale (z. B. Anstrengungsbereitschaft) und emotionale Faktoren (z. B. Schulfreude) eine große Bedeutung haben (Rheinberg 1999). Diese affektiv-motivationalen Merkmale entwickeln sich im Laufe der Schulzeit und werden u. a. von Änderungen im Schulmilieu beeinflusst. Die Bedeutung schulischer Übergänge und ihrer erfolgreichen Bewältigung wurde vor allem im Zusammenhang mit den Erkenntnissen der PISA- und der IGLU-Studien mehrfach belegt. Mit dem Übergang in die Sekundarstufe ändern sich die schulischen Rahmendbedingungen, Leistungsanforderungen und sozialen Beziehungen zu Lehrkräften und Mitschüler/innen (Harazd und Schürer 2006), die sich u. a. auf die Schulfreude auswirken können. Studien zeigen, dass positive Emotionen z. B. selbstreguliertes Lernen und Anstrengungsbereitschaft beeinflussen, die sich wiederum auf die schulischen Leistungen auswirken (Pekrun et al. 2017; Villavicencio und Bernardo 2013).

Eine besondere Herausforderung stellt der Übergang vor allem für Schüler/innen mit Migrationshintergrund und aus niedrigeren sozioökonomischen Verhältnissen dar. Sie zählen zu den Bildungsbenachteiligten, weil sie schlechtere Leistungen erzielen und vermehrt auf niedrigqualifizierende Sekundarschulen übergehen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020, S. 115 f.; Gresch und Becker 2010). Obwohl einige Erkenntnisse hierzu vorliegen (Hildebrandt 2014; Knoppick et al. 2018; van Ophuysen 2006, 2008), ist bisher nicht ausreichend untersucht, ob diese Schüler/innen am Übergang zusätzlich durch ungünstigere affektiv-motivationale Merkmale benachteiligt sind.

In der vorzustellenden Studie wurde daher anhand von Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) analysiert, wie sich Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft am Übergang in die Sekundarstufe (4. auf 5. Klasse) entwickeln und ob Merkmale einer Benachteiligung einen Einfluss auf die Entwicklung affektiv-motivationaler Merkmale haben.

2 Theoretischer und empirischer Hintergrund

2.1 Relevanz affektiv-motivationaler Merkmale im Schulkontext

Emotionen können als komplexe innere Prozesse verstanden werden, die durch ein spezifisches psychisches Erleben charakterisiert sind und neben dieser affektiven Komponente aus kognitiven, physiologischen, expressiven und motivationalen Komponenten bestehen. Emotionen, die im schulischen Kontext und in Bezug auf Lernprozesse und Leistungsergebnisse erlebt werden, werden als Lern- und Leistungsemotionen definiert (Frenzel et al. 2009). Emotionen wirken auf kognitive Prozesse, wie die Informationsbereitstellung und -verarbeitung, und zusätzlich auf motivationale Prozesse. Somit haben sie vermittelt über kognitiv-motivationale Mediatoren auch einen Einfluss auf schulische Leistungen (Abele 1999; Pekrun et al. 2017).

Gemäß der Kontroll-Wert-Theorie (KWT) der Lern- und Leistungsemotionen sind kognitive Bewertungsprozesse zentral, und zwar die der subjektiven Kontrolle und des subjektiv erlebten Werts einer Situation (Pekrun 2006). Diesbezüglich kommt der Emotion Schulfreude eine zentrale Bedeutung zu, da sie als kognitive Teilkomponente der Emotion die positive Grundhaltung gegenüber der gesamten schulischen Lernumwelt (Fend 1997, S. 142) darstellt. Dazu zählen Lerninhalte, Lern- und Leistungsaktivitäten sowie die Beziehung zu Lehrkräften und Gleichaltrigen. In Anlehnung an die KWT entsteht Schulfreude dann, wenn ein Schüler oder eine Schülerin sich kompetent genug fühlt, die schulischen Aufgaben und den Schulalltag zu meistern (Kontrolle) und gleichzeitig die schulische Lernumwelt als wichtig erachtet (Wert). Schulfreude korreliert positiv mit Mitarbeit im Unterricht, Leistungsbereitschaft sowie Interesse an Lerninhalten (vgl. van Ophuysen 2009).

Schüler/innen, die eine positive Einstellung zu Schule haben und gerne lernen, zeigen eine höhere Anstrengungsbereitschaft bei Anforderungssituationen (Lehrl und Richter 2014; Pekrun 1993; Walsen 2013). Während eine hohe Schulfreude mit hoher Anstrengungsbereitschaft einhergeht, kann sich Anstrengung in einer bestimmten Lern- oder Leistungssituation in höherer Schulfreude auszahlen. Somit stehen Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft in einer reziproken Beziehung zueinander. Schulische Anstrengungsbereitschaft ist durch eine positive Arbeitshaltung gegenüber den schulischen Aufgaben charakterisiert. Schüler/innen mit hoher Anstrengungsbereitschaft zeigen Interesse an schulischen Aufgaben und sind bereit auch in Anforderungssituationen sich mit den Aufgaben auseinanderzusetzen (Lehrl und Richter 2014). Mit dieser Bereitschaft wird Lernen initiiert und sie ist als eine Teilkomponente der Motivation zu verstehen (Rheinberg 1999). In Anlehnung an die Erwartungs-Wert-Theorie von Atkinson (1957) kann angenommen werden, dass Schüler/innen eine hohe Anstrengungsbereitschaft aufweisen, wenn sie Erfolg als Resultat ihres Handelns erwarten und gleichzeitig diesem Erfolg eine Bedeutung beimessen. Anstrengungsbereitschaft wird auch durch die Erfolgs- bzw. Misserfolgserfahrungen sowie Rückmeldung der Lehrkräfte beeinflusst.

Schulische Erfahrungen, Überzeugungen oder Ziele sind zudem von Person-Umwelt Beziehungen gekennzeichnet (Lazarus und Folkman 1984; Mandl und Reiserer 2000). Hierbei spielt neben der schulischen Umwelt auch die Familie und der sozioökonomische Hintergrund eine besondere Rolle. Erleben Kinder eine förderliche häusliche Lernumwelt, so berichten sie beispielsweise in der Grundschule über höhere Lernfreude und Anstrengungsbereitschaft (Lehrl und Richter 2014). Messen Eltern Bildung hingegen nur einen geringen Wert bei, so dürfte sich dies negativ auf die Wertschätzung von Lern- und Leistungsprozessen durch die Kinder auswirken. Auch soziale Beziehungen in der Schule sind von Bedeutung. Schüler/innen, die von geringen sozialen Problemen mit Mitschüler/innen berichten, verzeichnen am Übergang in die Sekundarstufe eine höhere Schulfreude (Hagenauer et al. 2013).

2.2 Schulische Übergänge als kritische Lebensereignisse

Übergänge sind mit Chancen, aber auch Risiken für die weitere Bildungsbiografie der Schüler/innen verbunden und werden als kritische Lebensereignisse verstanden (Filipp 1995). Mit dem Übergang wird die bisherige schulische Kontinuität unterbrochen (Rice 2001), da institutionelle (z. B. Schulgröße oder Schulform) und soziale Veränderungen (z. B. Zusammensetzung der Schülerschaft oder Beziehungen zu Lehrkräften) erlebt werden (Anderson et al. 2000). Diese Änderungen erfordern Anpassungen seitens der Schüler/innen. Der Stage-Environment-Fit-Theorie zufolge kann ein Mismatch zwischen Bedürfnissen von Schüler/innen und den Gegebenheiten der Schule zu akademischen, emotionalen und verhaltensbezogenen Problemen führen (Eccles und Midgley 1989). Dies betrifft die gesamte Schulzeit, entfaltet seine Wirkung jedoch aufgrund der vielen Änderungen an den Übergängen verstärkt, weshalb auch im internationalen Diskurs Übergänge als kritische Lebensereignisse problematisiert werden (Symonds und Galton 2014).

Schulische Übergänge von Bildungsbenachteiligten

Um die mit dem Übergang einhergehenden Änderungen und neuen Anforderungen bewältigen zu können, müssen Schüler/innen über Ressourcen und Bewältigungsstrategien verfügen. Der ökonomische, soziale und kulturelle Hintergrund der Familie stellt für die Bewältigung schulischer Anforderungen einen bedeutenden Einfluss dar (Ditton 2009). Schüler/innen unterscheiden sich in ihrer familialen Herkunft und verfügen dadurch über unterschiedliche Ressourcen. Aufgrund dieser Herkunftsunterschiede haben Schüler/innen mit niedrigen ökonomischen, sozialen und kulturellen Ressourcen geringere Bildungschancen, erzielen geringere Bildungserfolge (Müller und Haun 1994) und zählen somit zu den Bildungsbenachteiligten. Bildungsbenachteiligung hat mehrere Facetten und wird in dieser Studie differenziert mittels mehrerer Struktur- (z. B. Bildungs- und Migrationshintergrund) und Prozessmerkmale betrachtet (z. B. kulturelle Praxis und elterliche Unterstützung). Während Studien sich vermehrt auf Strukturmerkmale fokussieren, konnten die Bedeutung der Prozessmerkmale und deren Einflüsse auf die Lesekompetenz und das Wohlbefinden – über die der Strukturmerkmale hinaus – gezeigt werden (vgl. Baumert et al. 2003; Knoppick et al. 2018), weshalb sie in dieser Studie ebenfalls in den Blick genommen werden. Für das positive Erleben des Übergangs der Kinder sind familiäre Prozessmerkmale, wie die gemeinsam verbrachte Zeit, eine intensive kulturelle Praxis und ein enger kommunikativer Austausch mit den Eltern von großer Bedeutung (Knoppick et al. 2018).

Die meisten Schüler/innen nehmen den Übergang in die Sekundarstufe, bezogen auf Änderungen im Leistungs- sowie Sozialbereich, positiv als Herausforderung wahr. Allerdings steigt das Bedrohungserleben am Übergang bei Kindern aus Familien mit niedriger sozioökonomischer Stellung, niedrigem Bildungsabschluss der Eltern, Migrationshintergrund, schlechteren Noten und einer Hauptschulempfehlung (Kurtz et al. 2010). Eine hohe sozioökonomische Stellung ist jedoch kein Garant für einen erfolgreichen Übergang. So sind Heranwachsende aus Elternhäusern mit hoher soziökonomischer Stellung weniger davon überzeugt, Ressourcen zur Bewältigung der Veränderungen am Übergang zu verfügen. Die Veränderungen im Leistungsbereich bewerten Kinder, deren Eltern einen hohen Bildungsabschluss aufweisen, weniger positiv (Knoppick et al. 2018). Der Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe gestaltet sich als ein komplexer Vorgang, in dem mehrere Facetten auf individueller, familiärer und schulischer Ebene beachtet werden müssen.

2.3 Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft am Übergang in die Sekundarstufe

Am Ende der Grundschulzeit haben die meisten Schüler/innen insgesamt eine positive Einstellung gegenüber der Schule (Valtin et al. 2010). Schulfreude steigt von der 4. in die 5. Klasse an, wobei Mädchen eine höhere Schulfreude berichteten als Jungen (Hagenauer et al. 2013; Harazd und Schürer 2006; van Ophuysen 2008). Im Laufe der 5. Klasse sinkt die Schulfreude jedoch wieder und erreicht in etwa das Ausgangsniveau der 4. Klasse (Hagenauer et al. 2013; van Ophuysen 2008). Langfristig zeichnet sich eine kontinuierliche Abnahme der Schulfreude von der 5. hin zur 9. Klasse ab (StEG-Konsortium 2010). Künftige Hauptschüler/innen zeigen in der 4. Klasse im Vergleich zu künftigen Schüler/innen anderer weiterführender Schularten ein niedrigeres Niveau an Schulfreude. Hingegen weisen am Übergang die Hauptschüler/innen den stärksten Anstieg der Schulfreude auf, die Gymnasiast/innen den geringsten Anstieg (Harazd und Schürer 2006), bzw. es kann sogar eine leichte Abnahme beobachtet werden (van Ophuysen 2008).

Pekrun (1993) konnte beobachten, dass die schulische Anstrengung von der 5. bis zur 10. Klasse in allen Schulformen langsam aber kontinuierlich abnimmt. Auch südaustralische Schüler/innen zeigen nach dem Übergang (7. auf 8. Klasse) ein geringeres Engagement im Unterricht (Deieso und Fraser 2019). Die Befunde der PRISE-Studie zeigen, dass am Ende der 4. Klasse die Tendenz zur Arbeitsvermeidung, als Pendant zu Anstrengungsbereitschaft, bei künftigen Real- und Hauptschüler/innen stärker ausgeprägt ist als bei künftigen Gymnasiast/innen (Roos und Schöler 2013o.J., S. 118).

Neben der allgemeinen Entwicklung dieser affektiv-motivationalen Merkmale liegt der besondere Fokus der vorliegenden Studie auf bildungsbenachteiligten Schüler/innen. Bislang existieren nur wenige Erkenntnisse zu verschiedenen Benachteiligungsfaktoren bzw. deren Einflüssen auf Emotionen im Kontext des Übergangs. In einer Studie zu Übergangsemotionen konnte beobachtet werden, dass Schüler/innen mit türkischem Migrationshintergrund mehr negative Emotionen äußern als jene ohne Migrationshintergrund (Hildebrandt 2014). Hingegen konnte van Ophuysen (2006) bezogen auf übergangsbezogene Emotionen weder in der Intensität, noch in der Richtung (Vorfreude oder Besorgnis) Unterschiede zwischen Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund feststellen. Studien zur Entwicklung der Schulfreude am Übergang finden ebenfalls keine Unterschiede zwischen Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund (Harazd und Schürer 2006; van Ophuysen 2008). In der Grundschule konnte beobachtet werden, dass Lehrkräfte die Anstrengungsbereitschaft der Kinder mit Migrationshintergrund geringer und die von Kindern sozioökonomisch höher gestellter Eltern höher einschätzen. Diese Einschätzung deckt sich jedoch nicht mit den Selbstberichten der Schüler/innen (Semmler-Busch und Koch 2020).

3 Forschungsfragen und Hypothesen

Der Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe wurde bezogen auf Bildungsungleichheiten hinsichtlich sozioökonomischer Stellung, Migrationshintergrund und Geschlecht zwar intensiv untersucht (Maaz und Dumont 2019), der Entwicklung von affektiven Merkmalen, wie Schulfreude, auch im Zusammenhang mit Merkmalen, die sich in den bisherigen Studien als Merkmale einer Bildungsbenachteiligung erwiesen haben, wurde allerdings bisher wenig Beachtung geschenkt, wie in den vorhergehenden Ausführungen dargestellt. Mit dieser Studie soll daher dazu beigetragen werden diese Forschungslücke zu schließen.

Frage 1

Wie entwickeln sich Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft von Schüler/innen am Übergang in die Sekundarstufe?

Frage 2

Unterscheiden sich bildungsbenachteiligte und nicht-benachteiligte Schüler/innen in der Entwicklung ihrer Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft am Übergang in die Sekundarstufe?

Der Wechsel auf die Sekundarstufe ist mit vielen Änderungen verbunden, die Chancen und Risiken mit sich bringen (Filipp 1995). Die Mehrheit der Schüler/innen nimmt diesen Übergang positiv als Herausforderung wahr und kann ihn gut bewältigen. Daher nehmen wir an, dass die Schüler/innen die neue Schule als Chance sehen, sich auf die Schule mehr als bisher freuen und sich dort stärker anstrengen werden, um die Anforderungen zu erfüllen.

Hypothese 1

Schüler/innen berichten in der 5. Klasse im Mittel eine höhere Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft als in der 4. Klasse.

Die mit dem Übergang einhergehenden Änderungen erfordern von den Schüler/innen Anpassungsleistungen. Bildungsbenachteiligte Schüler/innen können sich jedoch aufgrund mangelnder Ressourcen und Bewältigungsstrategien weniger gut an die schulische Lernumwelt anpassen als nicht-benachteiligte Kinder. Dadurch kann es zu einem stärkeren Ungleichgewicht im Passungsgefüge zwischen Schüler/in und Schulumwelt bei Bildungsbenachteiligten kommen (Filipp 1995). Darauffolgende potenzielle schulische Probleme werden sich auf die Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft auswirken. Dies wird bereits in der Grundschule (d. h. im Ausgangswert) und verstärkt am Übergang zu beobachten sein (Veränderung), da erwartet wird, dass bildungsbenachteiligte Kinder sich an die veränderten Bedingungen am Übergang schlechter anpassen.

Hypothese 2

Bildungsbenachteiligte Schüler/innen berichten geringere Werte in ihrer Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft im Vergleich zu ihren nicht-benachteiligten Mitschüler/innen, und verzeichnen diesbezüglich am Übergang einen ungünstigeren Verlauf.

Als zentrale Kovariaten werden das Geschlecht, die Sekundarschulform und die Schulnoten berücksichtigt und untersucht, ob die Effekte der Benachteiligungsmerkmale sich nach Aufnahme dieser Kovariaten verändern. Unterschiede in der Wahrnehmung der erlebten Emotionen und unterschiedliche schulische Sozialisation (Chaplin und Aldao 2013) von Mädchen und Jungen können sich auf die Passung zwischen Schüler/innen und der schulischen Lernumwelt, und somit auf die Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft auswirken. Zudem ist davon auszugehen, dass die Sekundarschulformen mit ihren unterschiedlichen Leistungsanforderungen (Hauptschule vs. Gymnasium), mit ihrer heterogenen bzw. homogenen Schülerschaft (Gesamtschule vs. Gymnasium) und daraus resultierenden Vergleichsprozessen (z. B. siehe BFLPE; Marsh 2005) einen Einfluss auf die Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft aufweisen. Außerdem steht der Ausgangswert der Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft im Zusammenhang mit der zukünftigen Schulform, da bereits in der vierten Klasse (Intercept) systematische Unterschiede beobachtet werden können (vgl. Harazd und Schürer 2006; van Ophuysen 2008). Schulnoten geben Auskunft darüber wie gut sie die eher kognitiven Leistungsanforderungen der Grund- bzw. Sekundarschule bewältigen können. Es wird angenommen, dass die Leistungsrückmeldung auf die Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft einen direkten Einfluss hat.

4 Methode

4.1 Stichprobe

Zur Überprüfung der genannten Hypothesen wurden Daten der Startkohorte 2 (Kindergarten) des Nationalen Bildungspanels (NEPS) verwendet (Blossfeld et al. 2011). Die Stichprobe basiert auf Schüler/innen, die im Jahr 2012 regulär eingeschult wurden, keine Unterbrechung in ihrem Grundschulverlauf aufwiesen, nach vier Jahren in die Sekundarstufe übergingen und nach dem Übergang weiterhin am NEPS teilnahmen. Schüler/innen ohne Bundeslandinformationen und aus Berlin und Brandenburg wurden ausgeschlossen (N = 2737; 52 % weiblich). Die Schüler/innen wurden im Schuljahr 2015/16 (Klasse 4) mittels papierbasierter Fragebögen (PAPI) und im Schuljahr 2016/17 (Klasse 5) schriftlich papier- oder onlinebasiert (CAWI) befragt. In der 5. Klasse besuchten die Schüler/innen folgende Schulformen: Hauptschule (2 %), Realschule (14 %), Gymnasium (67 %) und Gesamtschule (17 %). Die Erhebungen fanden jeweils im ersten Schulhalbjahr statt (K4: Nov–Jan, K5: Okt–Jan). An mehreren Erhebungswellen wurden computergestützte Telefoninterviews (CATI) mit den Eltern durchgeführt. Detailliertere Stichprobeneigenschaften können aus den Tabellen ESM.2 und ESM.3 im Online Supplement entnommen werden.

4.2 Instrumente

Schulfreude wurde von der 3. bis zur 6. Klasse mit drei Items (z. B. „Ich gehe gern in die Schule“) und einer vier-stufigen Likert-Skala erfasst (1 = stimme gar nicht zu bis 4 = stimme völlig zu). Skalenreliabilität Cronbach’s alpha beträgt in der 4./5. Klasse α = 0,90/0,89. Skalare Messinvarianz ist vorhanden. Dieses Konstrukt wird im NEPS als „Lernfreude“ definiert. Die prozessbezogene positive Emotion Lernfreude bezieht sich auf konkrete Unterrichts- oder Prüfungssituationen, Hausaufgaben, Einzel- oder Gruppenlernsituationen (Pekrun et al. 2011). Da das Konstrukt aber nur ein Item zur allgemeinen Lernfreude („Ich habe viel Freude am Lernen in der Schule“) und zwei Items zu Schulfreude beinhaltet, wird die Skala aus inhaltlichen Gründen in dieser Studie als Schulfreude bezeichnet.

Anstrengungsbereitschaft wurde von der 3. bis zur 6. Klassenstufe anhand von vier Items (z. B. „Ich strenge mich an, wenn Aufgaben schwierig sind“) mittels einer vier-stufigen Likert-Skala erfasst (1 =stimme gar nicht zu bis 4 =stimme völlig zu). Ein Item wurde aufgrund geringer Trennschärfe und Reliabilitätsverlust ausgeschlossen (vgl. 4.3), sodass die Skala aus drei Items gebildet wurde. Skalenreliabilität Cronbach’s alpha beträgt in der 4./5. Klasse α = 0,61/0,63. Skalare Messinvarianz ist vorhanden.

Zentrale Kovariaten sind das Geschlecht (0 = Jungen, 1 = Mädchen), die Sekundarschulform (Haupt‑, Real‑, Gesamtschule und Gymnasium) und die Endjahresnoten in Mathematik und Deutsch am Ende der 4. und 5. Klasse (rekodiert, 1 = ungenügend, 6 = sehr gut). Unter Gesamtschulen wurden alle integrierten und kooperativen Schulformen der Bundesländer zusammengefasst. Die Noten basieren auf Angaben der Schüler/innen.

Bildungsbenachteiligte Schüler/innen wurden mittels der Indikatoren a) sozioökonomischer und soziokultureller Hintergrund der Eltern, b) Bildungshintergrund der Eltern, c) Migrationshintergrund des Kindes und d) elterliche Unterstützung operationalisiert. Soziale Benachteiligung wurde anhand des höchsten ISEI (International Socio-Economic Index of Occupational Status; Ganzeboom et al. 1992; HISEI) der Eltern gemessen. Partizipation der Eltern an kulturellen Veranstaltungen in den letzten 12 Monaten (fünf Items, z. B. Theater; 1 = nie bis 5 = mehr als 5‑mal) bildete den kulturellen Hintergrund der Familien ab. Der höchste Bildungsabschluss der Eltern wurde anhand des ISCED (International Standard Classification of Education; HISCED; vgl. Ehmke und Siegle 2005) operationalisiert (0 = kein Abschluss bis 10 = Promotion). Zusätzlich wurde die idealistische Bildungsaspiration des befragten Elternteils, die angibt, welchen Schulabschluss sich die Eltern, unabhängig von den bisherigen Noten, für ihr Kind wünschen (0 = keinen Abschluss bis 4 = Abitur), erfasst. Diese Variable wurde Dummy kodiert (0 = Haupt- oder Realschulabschluss, 1 = Abitur). Der Migrationsstatus der Schüler/innen wurde anhand des Generationenstatus abgebildet (Olczyk et al. 2014). Generation 1,5 wurde zur 1. Generation und Generation 2,25 zur 2. Generation zusammengefasst. Kinder ab der 2,5. Generation wurden zur Gruppe ohne Migrationshintergrund gezählt. Die Generationen wurden Dummy kodiert. Als Proxy-Variable für elterliche Unterstützung dienen die Variablen Parental Monitoring und Elternkontakt zur Schule. Die Skala Parental Monitoring wurde in der 3. Klasse mittels fünf Items erhoben (z. B. „Wie häufig fragen Sie Ihr Kind, wie es in der Schule war?“; 1 = nie bis 5 = immer). Die Kontakthäufigkeit der Eltern zur Schule wurde anhand von vier Items in der 2. Klasse erfasst (z. B. „Wie oft besuchen Sie die Elternabende?“; 1 = nie bis 5 = sehr oft). Kulturelle Aktivitäten der Eltern, Parental Monitoring und Elternkontakt zu Schule wurden nach Bildung des Skalenmittelwertes, wie der HISEI und HISCED als metrische Variablen behandelt und z‑standardisiert.

4.3 Statistisches Vorgehen

Zunächst wurden Item- und Skalenanalysen durchgeführt und neben der Skalenreliabilität Cronbach’s alpha die Schwierigkeit und Trennschärfe der Items überprüft. Während für die Itemschwierigkeit ein Wertebereich von 0,05 bis 0,95 empfohlen wird, gelten Trennschärfen unter von 0,40 als nicht ausreichend (Moosbrugger und Kelava 2020, S. 155). Vor allem Werte unter 0,30 sollten ausgeschlossen werden. Die Skala Anstrengungsbereitschaft beinhaltet ein Item („Ich gebe schnell auf, wenn mir etwas schwerfällt“), das vor allem bei Grundschüler/innen Schwierigkeiten hervorruft. Mit der Aufnahme des Items verringert sich die Skalenreliabilität (Δ 0,15/Δ 0,05/Δ 0,02; jeweils K3/K4/K5), was darauf hindeutet, dass mit Inkludierung dieses Items die Skala ungenauer misst. Da auch die Trennschärfen zeigen, dass dieses Item zwischen Kindern mit hoher und niedriger Merkmalsausprägung nicht gut differenzieren kann bzw. das Item nicht zu den anderen Items der Skala passt (K3/K4/K5 Itemtrennschärfe rit = 0,09/0,24/0,36), wurde es aus der Skala ausgeschlossen.

Die Messinvarianz für Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft wurde über vier Messzeitpunkte nach Liu et al. (2017) überprüft, um zu ermitteln, ob die im Längsschnitt erhobenen ordinal skalierten Variablen zu allen Messzeitpunkten dasselbe Konstrukt mit derselben Metrik abbilden. Die konfigurale, metrische, skalare und strikte Messinvarianz wurden als genestete Modelle (DWLS-Schätzer) anhand der Änderungen des CFI und RMSEA miteinander verglichen. Da aufgrund der großen Stichprobe die Ergebnisse des Chi-Quadrat-Differenzentests signifikant werden, wurden die von Chen (2007) vorgeschlagene Cut-Off-Kriterien ∆CFI ≤ 0,010 und ∆RMSEA ≤ 0,015 berücksichtigt (vgl. Tabelle ESM.1, zusätzliches Onlinematerial). Skalare Messinvarianz ist gegeben, die für den Vergleich der latenten Mittelwerte zumindest vorausgesetzt wird (Meredith 1993).

Latente Wachstumskurvenmodelle (LGCM) ermöglichen den mittleren Ausgangswert (Intercept) eines latenten Merkmals sowie die Form und Stärke der mittleren Veränderung (Slope) über die Zeit zu ermitteln. Zudem kann analysiert werden, ob interindividuelle Unterschiede im Intercept und im Slope vorliegen und wie Kovariaten diese Unterschiede erklären können (Geiser 2010, S. 168). Da diese Studie den Übergang auf die Sekundarstufe fokussiert, wurden nur zwei Messzeitpunkte analysiert (Klasse 4 und 5). Dadurch kann die Form der Veränderung nicht analysiert werden und wird als linear angenommen. Es wurden LGCM 2. Ordnung (Geiser 2010, S. 187 ff.) mit random effects in R berechnet (lavaan; Rosseel 2012). Die Mittelwertstruktur wurde mittels der effects coding Methode spezifiziert (Little et al. 2007). Parameterschätzung der Variablen mit fehlenden Werten erfolgte mittels full information maximum likelihood (FIML; Enders und Bandalos 2001). Die Modelle wurden hierarchisch aufgebaut. Das vollständig konditionale Modell 3 beinhaltet alle Variablen. Residualkorrelationen wurden zugelassen, dennoch zwecks besserer Anschaulichkeit in Abb. 1 nicht enthalten. Während die zeitinvarianten Variablen (sog. TICs; z. B. Geschlecht) bzw. Proxyvariablen (z. B. Elternkontakt zur Schule als Proxy für elterliche Unterstützung) auf Intercept und Slope gerichtet sind, werden zeitvariante Variablen (sog. TVCs; z. B. Deutschnoten) zur Vorhersage der jeweiligen abhängigen Variable verwendet (Curran et al. 2010; vgl. Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Latentes Wachstumskurvenmodell Schulfreude (Modell 3; Gleichgesetzte (a/b/c) und fixierte (0/1) Ladungen werden angezeigt)

Der Modellfit wurde nach Kline (2016) mit folgenden Fitindizes dargestellt: χ2-Statistik, RMSEA [mit Konfidenzintervall], CFI und SRMR. Fitindizes sollen Informationen über den Grad der Missspezifikation eines Modells geben. Die von Hu und Bentler (1999) vorgeschlagenen Cut-Off-Werte, werden in der Forschung oft als strikte Werte für die Evaluation der Modellgüte angewandt. Dies wird allerdings als zu unspezifisch und unzureichend kritisiert (Hair et al. 2014, S. 581 ff.). Aufgrund der großen Stichprobe und hohen Anzahl an Variablen in den Modellen gehen wir von einem akzeptablen Modellfit aus, wenn mindestens eine der folgenden Werte-Kombinationen zutrifft: two-index strategy RMSEA ≤ 0,06 und SRMR ≤ 0,09 (Hu und Bentler 1999); CFI > 0,92 und SRMR ≤ 0,08; CFI ≥ 0,92 und RMSEA < 0,07 (Hair et al. 2014, S. 584).

5 Ergebnisse

5.1 Deskriptive Befunde

Mittelwerte, Standardabweichungen sowie Angaben zu fehlenden Werten können zusammen mit den Interkorrelationen aus Tabelle ESM.2 entnommen werden. In Abb. 2 werden die Entwicklungsverläufe von Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft anhand manifester Mittelwerte für alle Schüler/innen und getrennt nach Geschlecht dargestellt, wenn mindestens zwei der drei Items beantwortet wurden. Am Übergang in die Sekundarstufe (Klasse 4 auf 5) kann ein Anstieg der Schulfreude beobachtet werden, wobei Mädchen höhere Werte berichteten als Jungen. Die Anstrengungsbereitschaft bleibt am Übergang im Mittel relativ stabil.

Abb. 2
figure 2

Entwicklung von Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft von 3. bis 6. Klasse (manifeste Mittelwerte, ohne Fallausschluss)

Um Änderungen am Übergang in die Sekundarstufe (Klasse 4 auf 5) betrachten zu können, wird im Folgenden ein Teilabschnitt dieses vierjährigen Verlaufs mittels latenter Wachstumskurvenmodelle analysiert.

5.2 Latente Wachstumskurvenmodelle

5.2.1 Schulfreude

In Modell 1 ist für Schüler/innen im Mittel ein Ausgangswert von M = 2,76 (SE = 0,02, p < 0,05) und am Übergang eine Zunahme der Schulfreude zu beobachten (M = 0,33, SE = 0,02, p < 0,05). Die signifikanten Varianzen des Intercepts (V = 0,25, SE = 0,01, p < 0,05) und des Slopes (V = 0,07, SE = 0,01, p < 0,05) zeigen, dass interindividuelle Unterschiede im Ausgangswert sowie in der Stärke der Veränderung vorliegen.

In Modell 2 wurden zusätzliche Variablen aufgenommen, welche die Herkunft der Schüler/innen und eine mögliche Bildungsbenachteiligung charakterisieren. Der Intercept (M = 2,53) und Slope (M = 0,47) sind in diesem konditionalen Modell für Schüler/innen ohne Migrationshintergrund, deren Eltern einen Haupt- oder Realschulabschluss wünschen, eine mittlere elterliche Unterstützung sowie mittlere Ausprägung in ihrem HISEI, HISCED und soziokulturellem Hintergrund aufweisen, zu interpretieren. Das Modell zeigt einen guten Fit (CFI = 0,99, RMSEA = 0,021). Die Bildungsaspiration der Eltern zeigt als einzige Variable einen signifikanten Effekt auf den Intercept (β = 0,28, SE = 0,05, p < 0,05) und Slope (β = −0,18, SE = 0,05, p < 0,05).

Das vollständig konditionale Modell 3 enthält zusätzlich die zentralen Kovariaten Geschlecht, Schulform und Noten (CFI = 0,99, RMSEA = 0,020). Unter Berücksichtigung des direkten Einflusses der Deutsch- und Mathematiknoten auf die Schulfreude in Klasse 4 und 5, hat sowohl das Geschlecht als auch die Schulform einen signifikanten Effekt auf den Intercept und Slope. Hingegen kann kein signifikanter Effekt der Benachteiligungsmerkmale auf Intercept oder Slope beobachtet werden. Im Gegensatz zu den Mathematiknoten haben die Deutschnoten in Klasse 4 und 5 einen positiv signifikanten Effekt auf die Schulfreude (K4: β = 0,10, SE = 0,03, p < 0,05; K5: β = 0,07, SE = 0,02, p < 0,05, in Tab. 1 nicht gezeigt).

Tab. 1 Latente Wachstumskurvenmodelle Schulfreude

5.2.2 Anstrengungsbereitschaft

Aus Platzgründen wird auf Modell 1, das analog zu dem der Schulfreude zu interpretieren ist, nicht eingegangen. Der Intercept und Slope in Modell 2 bilden die mittleren Werte für Schüler/innen, die auf allen Werten der Benachteiligungsmerkmale eine Null aufweisen, ab. Es kann ein signifikant positiver Effekt der Bildungsaspiration (β = 0,08, SE = 0,03, p< 0,05) auf den Intercept und des elterlichen Bildungshintergrunds (β = 0,03, SE = 0,01, p< 0,05) auf den Slope beobachtet werden. Modell 3 zeigt einen akzeptablen Fit (RMSEA = 0,037, SRMR = 0,026). Unter Berücksichtigung der Kovariaten Geschlecht, Schulform und Noten, kann weiterhin ein signifikant positiver Effekt des elterlichen Bildungshintergrunds auf den Slope (β = 0,03, SE = 0,01, p < 0,05) beobachtet werden. Während die Bildungsaspiration keinen signifikanten Effekt mehr aufweist, verzeichnen Schüler/innen, deren Eltern häufig schulbezogene Nachfragen stellen, etwas höhere Ausgangswerte in der 4. Klasse (β = 0,02, SE = 0,01, p< 0,05). Im Vergleich zu Schüler/innen ohne Migrationshintergrund verzeichnen Schüler/innen der 2. Generation eine stärkere Zunahme ihrer Anstrengungsbereitschaft (β = 0,10, SE = 0,04, p< 0,05). Die Deutschnoten haben in der 4. und 5. Klasse einen positiv signifikanten Effekt auf die Anstrengungsbereitschaft (K4: β = 0,03, SE = 0,02, p < 0,05; K5: β = 0,06, SE = 0,02, p < 0,05), während die Mathematiknoten nur in Klasse 5 einen signifikanten Effekt aufweisen (K4: β = 0,02, SE = 0,02, p > 0,05; K5: β = 0,04, SE = 0,01, p < 0,05; in Tab. 2 nicht gezeigt).

Tab. 2 Latente Wachstumskurvenmodelle Anstrengungsbereitschaft

6 Diskussion

Die Befunde zeigen am Übergang in die Sekundarstufe im Mittel eine Zunahme für Schulfreude, während die Anstrengungsbereitschaft der Schüler/innen keine bedeutende Änderung aufweist. Hypothese 1 kann somit anteilig bestätigt werden. Über eine Zunahme der Schulfreude am Übergang wurde in einigen Studien berichtet (Hagenauer et al. 2013; Harazd und Schürer 2006; van Ophuysen 2008). Unsere Befunde stützen die Aussage, dass die Mehrheit der Schüler/innen am Übergang in die Sekundarstufe die neue Lernumwelt und die neuen sozialen Beziehungen eher positiv erlebt und gerne zur Schule geht. Allerdings zeigen unsere Befunde auch, dass dieser Anstieg nicht lange andauert und die Schüler/innen nach einem Jahr in der Sekundarstufe (Anfang Klasse 6) etwa dasselbe Niveau an Schulfreude aufweisen, wie in der 4. Klasse (vgl. Abb. 2). Die Frage, ob sich diese Abnahme der Schulfreude längerfristig manifestiert (vgl. StEG-Konsortium 2010), kann aufgrund der Datenlage nicht beantwortet werden. Eine kontinuierliche Abnahme der Anstrengungsbereitschaft flacht am Übergang kurzfristig ab, setzt sich aber nach der 5. Klasse wieder fort (vgl. Abb. 2). Dass der Abwärtstrend zumindest kurzzeitig abnimmt, kann positiv bewertet werden. Bei einer differenzierten Betrachtung wird ersichtlich, dass es Zusammenhänge zwischen der Schulform und Schulfreude sowie Anstrengungsbereitschaft gibt. Während die Ausgangswerte der Haupt‑, Real-, und Gesamtschüler/innen niedriger als die der Gymnasiast/innen ausfallen, kann bei den Gesamtschüler/innen eine stärkere Zunahme der Schulfreude beobachtet werden. Dies deutet daraufhin, dass der Wechsel in Schulformen mit heterogener Schülerschaft und geringeren Leistungsanforderungen, im Vergleich zum Gymnasium, die positive Wahrnehmung des Übergangs als Chance und Herausforderung begünstigt (vgl. Kurtz et al. 2010; van Ophuysen 2006).

Bezogen auf bildungsbenachteiligte Schüler/innen, kann Hypothese 2 nicht bestätigt werden, da keine systematischen Unterschiede in der Schulfreude oder Anstrengungsbereitschaft zwischen bildungsbenachteiligten und nicht-benachteiligten Schüler/innen beobachtet werden konnte. Obwohl Studien negative Einflüsse auf übergangsbezogene Emotionen von Schüler/innen aus z. B. ungünstigen sozioökonomischen Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund fanden (vgl. Hildebrandt 2014; Kurtz et al. 2010), lassen sich keine negativen Effekte dieser Merkmale auf Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft in unserer Studie beobachten. Im Gegenteil können wir zeigen, dass Schüler/innen mit Migrationshintergrund (2. Generation) im Vergleich zu jenen ohne Migrationshintergrund über eine stärkere Zunahme ihrer Anstrengungsbereitschaft berichten. Dies könnte mit der hohen Bildungsaspiration über den gewünschten Schulabschluss hinaus und der Erwartungshaltung der Eltern mit Migrationshintergrund zusammenhängen, die u. a. ihre eigenen Erwartungen eines beruflichen Aufstiegs an ihre Kinder weitergeben (Relikowski 2012). Der negative Effekt einer hohen Bildungsaspiration auf den Slope (Schulfreude Modell 2) kann auf den hohen Ausgangswert zurückzuführen sein. Einen geringen, aber positiven Effekt auf den Ausgangswert der Anstrengungsbereitschaft hat das Parental Monitoring. Kinder, deren Eltern häufig nach schulischen Angelegenheiten fragen, berichten vor dem Übergang über eine etwas höhere Anstrengungsbereitschaft. Dieses Nachfrageverhalten kann je nach Häufigkeit und Intensität seitens der Schüler/innen als Unterstützung, aber auch als Überwachung und Kontrolle wahrgenommen werden, weshalb die langfristigen Einflüsse auf die Anstrengungsbereitschaft weiter untersucht werden sollten.

Eine Stärke dieser Studie ist, dass deutschlandweit erhobene Daten mit einer umfangreichen Stichprobe analysiert werden konnten. Zudem liegen die Konstrukte Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft im Längsschnitt und am Übergang von der 4. in die 5. Klasse vor. Die Daten ermöglichen darüber hinaus, neben zentralen Kovariaten auch diverse Hintergrundinformationen, mit Hilfe derer verschiedene potenzielle Benachteiligungsmerkmale untersucht werden können, zu analysieren. Zu den Limitationen der Studie hingegen zählt zum einen die positive Selektion der NEPS-Teilnehmenden. Vor allem sozialschwache und bildungsferne Familien nehmen seltener am NEPS teil und sind somit unterrepräsentiert. Schul- und Unterrichtsmerkmale, die einen Einfluss auf die Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft aufweisen, konnten zudem nicht vor und nach dem Übergang (4. und 5. Klasse) kontrolliert werden. Ebenso wurden Merkmale auf individueller Ebene, wie schulisches Selbstkonzept und intrinsische Motivation, nicht berücksichtigt, da sie am Übergang im Längsschnitt nicht vorlagen. Die abhängigen Variablen Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft wurden im NEPS mittels Kurzskalen erhoben und müssen somit von elaborierten Skalen abgegrenzt werden (vgl. z. B. van Ophuysen 2009 für Schulfreude). Die niedrige Skalenreliabilität zur Erfassung von Anstrengungsbereitschaft könnte auf eine mögliche Zweidimensionalität zurückzuführen sein, die Arbeitsverhalten und Durchhaltevermögen abbildet.

Aus methodischer Sicht soll insbesondere auf folgende Aspekte eingegangen werden: Zum einen dürfen die signifikanten Koeffizienten nicht als kausale Beziehungen interpretiert werden. Vielmehr wird die Plausibilität der Kausalhypothese überprüft, die nicht mit der Richtigkeit der Hypothese gleichgesetzt werden kann (Schmiedek und Wolff 2010). Zum anderen kann eine Konfundierung der zentralen Kovariaten mit manchen Benachteiligungsmerkmalen (z. B. Schulform und Bildungsaspiration) nicht ausgeschlossen werden. Einen Hinweis darauf gibt die deutliche Reduktion des β‑Koeffizienten (und die Änderung der Signifikanz) der Bildungsaspiration von Modell 2 auf Modell 3. Es ist dennoch wichtig, mit Blick auf die unterschiedlichen Lernmilieus und Leistungsanforderungen vor allem die Schulform und Noten zu berücksichtigen. Auch wenn die getrennte Darstellung der beiden Modelle mit und ohne zentrale Kovariaten die Möglichkeit eröffnet bestimmte Drittvariableneffekte zu prüfen, wird in der Literatur auch diskutiert diese gar nicht zu kontrollieren (Rohrer 2018). Des Weiteren werden mit der Methode latente Wachstumskurvenmodelle mit nur zwei Messzeitpunkten darzustellen nicht mehr Informationen generiert als dies der Fall wäre, wenn eine latente ANOVA mit Messwiederholung (L-RM-ANOVA) oder eine Autoregression durchgeführt würde.

Insgesamt ist positiv zu bewerten, dass keine Hinweise auf eine systematische Benachteiligung in den affektiv-motivationalen Merkmalen von sonst im Schulsystem bildungsbenachteiligten Schüler/innen am Übergang gefunden werden konnten. Ob die Zunahme der Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft einen positiven Einfluss auf die Schulleistungen aufweisen, sollte in zukünftigen Studien genauer untersucht werden. Bedeutsam wäre es auch einen längeren Zeitraum in der Sekundarstufe zu betrachten. Vor allem die Abnahme der Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft nach der 5. Klasse deutet eher auf eine kurzfristige Euphorie bzgl. des Neubeginns an einer neuen Schule und der damit verbundenen Bewertung als Chance hin. Die Stage-Environment-Fit-Theorie (Eccles und Midgley 1989) betont, dass die schulische Lernumwelt den Bedürfnissen der Schüler/innen entsprechen muss, um potenzielle Fehlpassungen (sog. Mismatch) und darausfolgende negative Auswirkungen auf Motivation, Emotionen und Einstellung der Schüler/innen zu vermeiden. Wenn die Schulfreude und Anstrengungsbereitschaft von bildungsbenachteiligten sowie nicht-benachteiligten Kindern langfristig gefördert und auf höherem Niveau stabilisiert werden soll, so sind konkrete Maßnahmen auf Schul‑, Unterrichts- und Klassenebene notwendig. Auf schulischer Ebene kann Partizipation im Sinne des Empowerment-Konzepts als das Recht auf Mitsprache, Mitbestimmung und Mitgestaltung in Schule und Unterricht gefördert werden (Theunissen und Schwalb 2009). Die aktive Beteiligung in schulischen Belangen beeinflusst die Identifikation mit der Schule positiv und führt zu höherer Schulfreude. Auf der Unterrichtsebene sind didaktisch-methodische Ansätze zu präferieren, die Emotionen im Unterricht systematisch berücksichtigen. Beispielsweise wurde im Projekt ECOLE gezielt Unterrichtsmaßnahmen u. a. zur Förderung positiver und Reduktion negativer Lernemotionen erarbeitet (Gläser-Zikuda et al. 2005). Eine höhere Lernfreude geht mit hörerer Anstrengungsbereitschaft und Schulfreude einher. Auf Klassenebene trägt die Lehrperson durch Wertschätzung, Respekt und Fürsorge für die Schüler/innen zur sozialen Eingebundenheit der einzelnen Schüler/innen bei (Knierim et al. 2017). Zudem dürfte die Förderung sozialer Beziehungen der Schüler/innen untereinander zum positiven Erleben in der Schule beitragen. Dies ist nicht zuletzt aus der umfassenden Forschung zur Bedeutung eines positiven Klassenklimas bekannt (Eder 2018). Insofern schließen die Ergebnisse und die sich daraus ergebenden pädagogischen Implikationen der vorliegenden Studie an den bisher bekannten Forschungsstand an und ergänzen diesen mit Blick auf Bildungsbenachteiligung im Kontext des schulischen Übergangs von der Primar- in die Sekundarstufe.